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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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und verzog das Gesicht. »Als du mich vor ein paar Tagen aus Krakau angerufen und nach diesem Crystal Speed gefragt hast - da hab ich erst mal nachgedacht. Was tut sie da, hab ich mich gefragt, und warum interessiert sie sich für irgendwelche Rocker, die ins Geschäft drängen, das ist doch nicht ihre Wiese?« Er griff nach dem Zuckerstreuer, aber der war verstopft, und so schraubte er ihn auf. »Und dann ist mir das Foto eingefallen, das du mir gezeigt hast und auf dem du drauf bist und die beiden anderen Mädchen, auch das Foto war aus Krakau, und geschickt hat es dir dieser Kai Habrecht, den es nicht mehr gibt...«
    Auch der Hals des Zuckerstreuers war verstopft. Blocher nahm den Löffel und versuchte, den Zuckerklumpen aufzustoßen. »Also hab ich mich über diesen Habrecht schlau gemacht«, fuhr er fort. »Dabei hätte ich den Namen kennen müssen, das war doch dieser Unglücksvogel aus einer rechten Seilschaft, den du damals erschossen hast, in Notwehr oder vermeintlicher Notwehr.« Er vermied es, sie anzusehen. »Aber darüber will ich nicht reden, da ist jedes Wort falsch, das einer dazu sagen kann.«
    Blocher schüttelte den Streuer, und ein Schwung Zucker platschte in seine Tasse und spritzte ihm den Kaffee auf die Hand und auf den Ärmel des hellen karierten Sakkos. Wortlos stellte er den Streuer wieder ab und schob die Kaffeetasse von sich.
    »Shit happens«, sagte Tamar und bot ihm ein frisches Papiertaschentuch an. Er nahm es und warf ihr dabei wieder einen seiner Bulldoggen-Blicke zu.
    »Also wusste ich, es geht nicht um die Hell’s Angels und auch nicht um die Bones«, sagte er, während er den Ärmel mit dem Taschentuch abtupfte, »es sind die Neonazis, nach denen du fragst, und das macht die Sache nicht einfacher.«
    Er warf einen Blick zu den anderen Tischen, aber es schien ihnen niemand zuzuhören. »Der sächsische Kollege zum Beispiel hat ohnehin wenig Lust gehabt, mit mir zu reden, offenbar hielt er mich für einen Dorfpolizisten von irgendwo hinter der Donau... Ja, es werde zunehmend Methamphetamin aus Polen auf den deutschen Markt geworfen, hat er gesagt, aber dass in letzter Zeit eine einzelne große Ladung über die Grenze geschafft worden sei, das glaube er nicht, die Szene arbeite dezentral, mit vielen einzelnen Kurieren, es gebe offenbar kein Problem, sie zu rekrutieren, neulich hätten sie sogar eine deutsche Sängerin geschnappt, da hätten sie gedacht, das wäre jetzt der ganz große Fang, aber dann war es doch nur ein völlig unbekanntes Huhn, und so weiter, alles Floskeln...«
    Eine Sängerin?, überlegte Tamar.
    »Und von Albanern«, fuhr Blocher fort, »weiß er auch nichts...«
    »Warum hast du nach Albanern gefragt?« Tamar blickte auf. »Wegen Berisha?«
    »Vielleicht«, antwortete Blocher. »Es kam mir so in den Sinn. Nach den braunen Brüdern wollte ich nicht fragen, weil er mir dann erzählt hätte, dass man dem Speed nicht ansieht, was der Dealer im Hirn hat, ich weiß doch, was einer so redet, wenn er sich nicht in die Karten schauen lassen will.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Tamar. »Sind Nazis tabu?«
    »Tabu nicht. Aber wenn du davon anfängst, kannst du die Sache gleich an den Staatsschutz abgeben. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dem Kollegen in Sachsen sind ein wenig die Erfolgserlebnisse abhanden gekommen... Also, von Albanern hat er nichts gehört, überhaupt von keinen Ausländern. Die Szene sei fest in deutscher Hand, erzählt er mir, und ich sag ihm, das sei ja schön, aber hoffentlich kämen ihm bei diesem Hasen nicht die falschen Hunde in die Quere. Und wie ich das sage, ist er plötzlich still, eine ganze Weile, und ich will schon fragen, ob er noch da ist, aber da meint er doch, dass Nachbars Lumpi leider schon von der Leine ist.«
    Tamar nickte. »Und für deinen Kollegen ist also nur die Sängerin geblieben?«
    »Sonst war offenbar nichts, um bei einem Dorfpolizisten von hinter der Donau Eindruck zu schinden«, antwortete Blocher.
    »Hat er etwas mehr über die Frau erzählt?«
    »Ich hab ihn danach gefragt.« Plötzlich lächelte er. »Ob das jemand sei, der die Kulturszene beliefere? So ungefähr. Und dann ist herausgekommen, dass das arme Mädchen gerade dreihundert Gramm bei sich hatte, das reicht für ein paar Monate Knast, aber als Fahndungserfolg ist es ein arg kleiner Fisch. Aber wie ich ihn frage, ob er sich mehr erwartet hat, wird er misstrauisch und blockt ab.«
    »Die hatten also einen Tipp?«
    »Er sagt zwar, die Frau sei bei

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