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Forgotten

Forgotten

Titel: Forgotten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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aus seinem Stuhl erhebt, zum Regal geht, einen Ordner herausnimmt und ihn auf den kleinen Tisch in der Ecke wirft. Dann verschwindet er kurz im Vorzimmer und bringt noch zwei weitere Ordner mit.
    »Dann fang mal mit denen hier an, London«, sagte er, bevor er sich an meine Mom wendet und sie fragt, ob sie einen Kaffee möchte. Sie sagt ja, und er lässt uns erneut kurz allein.
    »Ich glaub nicht, dass das viel bringen wird«, flüstere ich ihr zu.
    »Versuch es trotzdem«, flüstert meine Mom zurück und rückt mit ihrem Stuhl neben mich. Konzentriert betrachtet sie die Bilder der Verbrecher, obwohl sie die Täter nicht mal erkennen würde, wenn sie direkt hinter ihr in der Schlange am Bankschalter stünden.
    Der Captain kommt zurück, setzt sich an seinen Schreibtisch und erledigt irgendwelchen Papierkram, während meine Mom und ich uns ein Foto nach dem anderen ansehen. Eine Stunde später tut mein Hintern von dem harten Stuhl weh, und ich bin kein Stück weitergekommen, außer dass ich jetzt ein ganz mulmiges Gefühl habe, weil ich so lange auf Leute gestarrt habe, die einem vielleicht den Hals umdrehen wollen.
    Am liebsten würde ich die ganze Sache einfach zu den Akten legen. Nach Hause gehen und mir einen Disneyfilm anschauen, damit mein Kopf wieder sauber wird. Aber das geht natürlich nicht. Die schrecklichen Erinnerungen sind nun mal da, daran ist nicht zu rütteln, und jetzt muss ich alles daransetzen, wenigstens die abzuwenden, die sich noch abwenden lassen.
    »Wie wäre es mit einer Phantomzeichnung?«, schlage ich erneut vor.
    »Wie gesagt, beide Tatverdächtige sind inzwischen wesentlich älter, als du sie in Erinnerung hast. Das wird also vermutlich nicht viel nützen«, wiegelt Captain Moeller ab.
    »Könnten Sie nicht eine Alterungssoftware drüberlaufen lassen?«, bohre ich weiter. Ich werde zeit meines Lebens süchtig nach Krimiserien sein. »Falls Sie so was haben?«
    Der Captain lacht leise. »Ein kluges Mädchen hast du da, Bridgette«, sagt er zu meiner Mom.
    »Das kannst du laut sagen«, meint Mom stolz.
    Dann sieht Captain Moeller wieder mich an. »Ja, wir haben so was durchaus. Ich bin mir bloß nicht sicher, ob es mit einer Zeichnung funktionieren würde. Außerdem hat unser Zeichner schon Feierabend gemacht.«
    Automatisch werfen Mom und ich einen Blick auf die große Uhr, die über seinem Kopf an der Wand hängt.
    »Oh, Jim, es tut uns leid, dass wir dich hier so lange aufhalten. Du willst bestimmt nach Hause zu deiner Familie.«
    »Ist schon gut, Bridgette«, sagt er und sieht sie freundlich an. »Für dich tue ich es gern. Ich kann mich noch ganz genau an die Sache erinnern, als wäre es gestern gewesen.«
    Ich klinke mich innerlich aus dem Gespräch aus und versuche mich an irgendwas zu erinnern, das uns in dieser Situation weiterhelfen könnte. Zum Glück fällt mir etwas ein: der Zettel mit der Adresse! Das Dumme ist nur, dass ich ihn in der Zukunft gesehen habe.
    Mom macht Small Talk mit dem Captain, während ich fieberhaft überlege, wie ich es anstellen soll, ihn auf die Adresse zu bringen, ohne dass er misstrauisch wird. Am Ende entscheide ich mich für die einfachste Lösung: eine schöne, runde Lüge.
    »Damals, als es passiert ist – da haben die Entführer aus Versehen einen Zettel in unserem Auto fallen lassen …«, stoße ich hervor. Schlagartig verstummen die beiden – Mom, weil sie genau weiß, dass ich das Blaue vom Himmel herunterlüge, und der Captain, weil er offenbar arglos genug ist, auf so einen Köder anzuspringen.
    »Und stand was drauf?«, fragt er prompt.
    »Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, es war eine Adresse. Irgendwas mit … Beacon Street. Genau. Das weiß ich noch, weil ich zuerst nämlich ›Bacon‹ gelesen hab.« Ich blinzle zweimal unschuldig. Meine Mom spitzt die Lippen, sagt aber nichts. »Ich mag Bacon«, füge ich hinzu und komme mir wie der letzte Vollidiot vor, sobald mir die Worte entschlüpft sind.
    Gott sei Dank übergeht Captain Moeller die Bemerkung.
    »Keine Postleitzahl?«, will er wissen.
    »Nein.« Ich zucke die Achseln. Was denn noch? Will er die beiden auf einem Silbertablett serviert haben?
    »Na gut, ich werd’s mal überprüfen. Aber für heute ist Schluss.« Da klingelt das Telefon auf seinem Schreibtisch, er nimmt den Hörer ab, wechselt ein paar Worte mit demjenigen am anderen Ende der Leitung und legt dann auf. Meine Mom und ich machen uns bereit zu gehen. Der Captain bringt uns noch zur Tür

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