Forgotten
und schüttelt uns beiden zum Abschied die Hand. Erschöpft und nicht gerade hoffnungsvoll ziehen wir ab.
Auf dem Heimweg legen wir einen Zwischenstopp bei einem Drive-in ein, und während wir unser Abendessen ordern, klingelt plötzlich Moms Handy. Sie geht ran, lauscht einen Augenblick und legt dann, ohne unsere Bestellung abzuschließen, den Rückwärtsgang ein. Bevor ich fragen kann, was los ist, hat sie schon gewendet und ist auf dem Weg zurück zum Revier.
»Jim hat gesagt, er erklärt uns alles, wenn wir da sind«, sagt sie. Sie sitzt kerzengerade und hält das Lenkrad so fest umklammert, als hätte sie Angst, dass es jeden Moment wegfliegen könnte.
Captain Moeller wartet schon am Eingang, um uns die Tür aufzusperren, die nach Dienstschluss verschlossen ist.
»Danke, dass ihr noch mal gekommen seid«, sagt er, als wir zurück in sein Büro hetzen. Ich frage mich, warum er es auf einmal so eilig hat.
Sobald wir Platz genommen haben, beginnt er zu berichten.
»Ich habe die Adresse überprüft, die du mir gegeben hast, London, und es gibt sie tatsächlich, hier in der Stadt. Zum Glück habe ich auf dem zuständigen Revier noch jemanden erreicht, so konnte ich einiges in Erfahrung bringen. Das Haus wurde vor einigen Jahren von einem Mann und einer Frau angemietet – es ist ein Bürogebäude in einem älteren Teil des Zentrums. Es gab dort bereits häufiger Beschwerden von Nachbarn, und die Kollegen haben bereits mehrfach einen Streifenwagen vorbeigeschickt.«
»Was denn für Beschwerden?«, fragt meine Mom, und mir fällt auf, dass sie ganz vorn auf der Stuhlkante balanciert und ihre Handtasche umklammert wie einen Rettungsring.
»Kindergeschrei mitten in der Nacht – obwohl sich in den Räumen offiziell eine Pfandleihe befindet«, sagt er leise. »Die Kollegen haben das Gebäude schon zweimal routinemäßig überprüft, doch es gab keinerlei Anzeichen auf kriminelle Aktivitäten. Sie behalten es aber auf jeden Fall weiter im Auge.«
Captain Moeller hält kurz inne, um sich zu räuspern.
Ich bin ziemlich verwirrt. Mom vielleicht auch, keine Ahnung, ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht recht deuten.
»Was hat das alles zu bedeuten, Jim?«, fragt sie. »Wieso sollten wir deswegen zurück aufs Revier kommen?«
»Also, passt auf, folgendermaßen … Ich weiß, es ist ein bisschen gewagt, und vielleicht irre ich mich ja auch, aber diese neuen Informationen haben mich stutzig gemacht.« Der Captain lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und streicht sich mit den Fingern durchs Haar. Er sieht kurz auf die Uhr, dann fährt er fort.
»Es hat damals keine Autopsie bei Jonas gegeben, nicht wahr, Bridgette?«
Die Frage trifft meine Mom wie ein Faustschlag, und einen kurzen Moment lang ist sie vollkommen fassungslos. Doch sie fängt sich schnell wieder.
»Nein, und das weißt du auch ganz genau, Jim«, sagt sie. »Es waren seine Kleider – ganz eindeutig –, und angesichts der Verwesung … wir dachten einfach, es würde reichen.«
Mir steht der Mund offen. Ich bin schockiert. Schon mal was von CSI gehört, Mom? Aber vielleicht wollte sie einfach, dass es vorbei ist. Vielleicht musste sie glauben, dass er es ist, damit sie ihn begraben und ihr Leben weiterleben konnte.
»Und überhaupt – was hat das mit der Sache hier zu tun?«, fragt Mom eine Spur aggressiv. Ich kann sehen, dass sie die Frage sehr aufgewühlt hat.
»Ich meine nur … Kindergeschrei mitten in der Nacht. In einem Pfandleihhaus, von dem die Anwohner sagen, dass es tagsüber nie geöffnet hat. Wenn das nicht verdächtig ist …«
»Jetzt sag uns doch endlich, worauf du hinauswillst, Jim!«, herrscht meine Mom ihn an, und auf einmal sitzt Captain Moeller kerzengerade auf seinem Stuhl.
»Ich habe mir gedacht, möglicherweise ist die Pfandleihe nur eine Tarnung für eine illegale Adoptionsagentur. Vielleicht sind das Leute, die Babys entführen und sie dann verkaufen.«
Meine Mom ist ganz blass geworden. »Babys verkaufen?«, fragt sie tonlos.
Captain Moeller reibt sich die Augen. »Das passiert öfter, als man denkt. Es gibt genügend Paare, die keine Kinder bekommen können und die ungeduldig werden, weil eine reguläre Adoption ein langwieriger Prozess ist oder in ihrem Fall vielleicht wenig aussichtsreich. Also wenden sie sich an illegale Agenturen und legen Tausende von Dollar auf den Tisch, um sich auf diesem Wege ein Baby zu beschaffen. Wo die Kinder herkommen, ist ihnen egal.«
Meine Mom sagt darauf geschlagene zwei
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