Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
wie?“
„Oh – seit ich gesehen habe, was sie mit den beiden
echten Flüchtlingen gemacht haben, bin ich nicht scharf darauf, selbst für
einen gehalten zu werden. Und den Gedanken, mitten in den Ausbruch einer Seuche
zu platzen, finde ich auch nicht so prickelnd. Von deinem Klo gar nicht zu reden,
wenn du mir so viel Ehrlichkeit verzeihst …“
„Diese Sache mit der Krankheit ist Blödsinn, glaub’s
mir. Die Leute waren völlig gesund, sogar Michaelius hat das zugegeben.“
„Sie waren aber auch völlig tot. Von euren Custodians
erlegt wie die Wildschweine, darauf würde ich wetten.“
„Ich würd nicht dagegen wetten. Die Custodians hatten
Angst. Sie wollten ihnen nicht zu nahe kommen, aber entkommen lassen durften
sie sie auch nicht.“
Drei Tage lang hatte alles unter dem Zeichen der Suche
nach den Flüchtlingen von der Kallisti gestanden. Michaelius war schlau
genug gewesen, den wahren Grund für diese verzweifelte Suche nicht an die große
Glocke zu hängen, die Stadt aber trotzdem abzuriegeln. Das hatte zwar Ärger
gegeben, aber auch dazu geführt, dass die Suche unter Hochdruck vorangetrieben
wurde. Die Custodians durchkämmten das Delta in alle Richtungen und fanden
schließlich zwei der Flüchtlinge, nachdem sie von Schilfbauern einen Hinweis
bekommen hatten. Die völlig erschöpften Männer hatten sich in den Sümpfen verirrt
und wurden, nachdem die Verfolger erst einmal einen Anhaltspunkt hatten, von
den Hunden der Custodians ziemlich schnell aufgespürt.
Offiziell hieß es, die Geflohenen seien von einer der
gefürchteten Delta-Katzen angegriffen und so schwer verletzt worden, dass sie
den Rücktransport in die Stadt nicht überlebten. Für seinen Geschmack passte
das alles viel zu gut, um wahr zu sein. Die toten Flüchtlinge, offiziell als
entflohene Straftäter deklariert, waren auf einem offenen Wagen durch die Stadt
zum Präfektenpalast gebracht worden – ein Schauspiel, das den aufgebrachten
Rhondaportern zeigen sollte, dass die Behörden des Präfekten bestens
funktionierten und dass es weder eine Krankheit noch andere Geheimnisse gab.
Auch Kate hatte bei einer ihrer Touren einen Blick auf diesen Wagen und seine
blutigen Passagiere werfen können. Die Delta-Katze scheine ihre Opfer mit
Pfeilen oder einer Schrotflinte zu erlegen, war ihr Kommentar gewesen.
Vom dritten Mann gab es zwar nach wie vor keine Spur,
aber dass die beiden Toten offensichtlich gesund gewesen waren, schien
Michaelius’ innere Ruhe wiederhergestellt zu haben. Man einigte sich darauf,
dass dieser dritte Flüchtling entweder schon bei der Flucht vom Schiff im Meer
ertrunken oder spätestens irgendwo in den tückischen Sumpflöchern zu Tode
gekommen sein müsse. Rhondaport konnte seine Tore wieder öffnen und seine
Handelstätigkeit wiederaufnehmen, und man hatte es geschafft, jede Andeutung
über Seuchenfälle aus den offiziellen Verlautbarungen herauszuhalten – ein wahres
Kunststück angesichts der Gerüchte, die während der drei Tage in der Stadt
brodelten. Schiffe aus dem Süden wurden jetzt allerdings stillschweigend nach
Gassapondra oder Hallikar in Katteganda umgeleitet. Mochten die dortigen
Präfekten selbst entscheiden.
Er gähnte. Es war wirklich einschläfernd hier, jetzt,
wo einen nicht mal die Nachtkühle mehr wachhielt. Und über Kates Bein krabbelte
nun tatsächlich ein Insekt, aber er hatte nicht die Absicht, ihr das zu sagen.
„Was hältst du von Frühstück?“, fragte sie da. Schlief
also doch nicht.
„Wir haben nur noch einen Rest Lusbrot und Käse.“
„Mit den Äpfeln ist das doch eine annehmbare
Mahlzeit.“
Die Äpfel hatte sie vorhin unter einem Baum am
Feldrand aufgesammelt. Sie sahen grün und sauer aus, und er war eigentlich
schon sauer genug. Lustlos sah er über das abgeerntete Pilfafeld zur Straße
hinunter, wo sein Wagen stand – genau wie vor nun annähernd fünf Tagen, als er
hier die Nulldichte abgelesen hatte. Kurz vor seiner Ankunft hatte sie
stattgefunden, die Tintennadel schrieb da gerade seit zehn Minuten wieder ihre
üblichen feinen Zackenkurven. Wäre er geblieben, dann hätte er zumindest die
drei anderen direkt nach ihrem Übergang getroffen. Stattdessen stellte er
mitten in seiner ersten fassungslosen Bestandsaufnahme fest, dass er seine neue
feuerlos kochende Kanne, die er dem Professor mitbringen musste, in Bitterwater
stehengelassen hatte, zumindest hoffte er, dass es Bitterwater war und nicht
noch weiter weg. Also hatte er sich nach dem ersten
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