Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
herumschleppte. Unübersehbar ein Vergnügen
für ihn, ihnen zu demonstrieren, dass er für jede Situation ausgerüstet war.
James wollte nicht getragen werden, das war doch
lächerlich. Aber er musste sich fügen. Also lag er da auf einem Teppich in zwei
Tragschlaufen und sah an der auf und ab schwankenden Felswand hinauf. Es hatte
nicht geklappt. Er hatte London gesehen, aber er war nicht rübergekommen. Das
war’s.
Psst!
Das Zittern kam wieder. Da war etwas, dass er den
anderen vorenthielt. Nicht wirklich ein Wissen. Nur ein vages, quälendes
Gefühl, als müsste er eine Krankheit verheimlichen, eine, die ihm selbst fremd
und rätselhaft war. Nein er wusste es nicht, er wusste nichts !
Nur, dass er es vielleicht erfahren könnte … dass er
es heraufholen könnte in sein Bewusstsein – aber um keinen Preis wollte man das ans Licht heraufzerren.
Das Schlimme war nur, dass er sie vielleicht doch in
die Irre geführt hatte. Wenn er es doch gewusst hatte, irgendwo da unten in der
Tiefe in ihm, wo die monströsen Fische schwammen –? So, wie er vieles andere in
seinem Leben gewusst hatte, ohne es wissen zu wollen. Er war nicht unschuldig
an dieser Irrfahrt. So wie er nicht unschuldig gewesen war an Adrians Tod. Weil
man schuldig werden kann, wenn man nicht wissen will, was man weiß. Wenn man
blöd lächelte, wo man eigentlich schreien müsste. Oder doch wenigstens
antworten – selbst dann, wenn die Frage nie gestellt worden war. Aber daran
konnte er nicht denken, das war zu schlimm.
Er fühlte, wie die Schweißtropfen auf seinem Gesicht
ins Rollen gerieten. Und der Jäger setzte ihm immer noch mit seinen forschenden
Blicken zu.
Der sucht den Dämon in meinen Augen, dachte James
spöttisch und machte die Augen einfach zu. Das war etwas besser, vor allem,
wenn man sich dabei ganz dem Schwanken der Trage überließ, dem Rhythmus der
Schritte … dem Hier und Jetzt.
Unsinn war das alles! Vermutlich hatte er so was wie
einen Tauchrausch. Sauerstoffmangel im Gehirn ruft Halluzinationen hervor. Was
wusste er denn schon wirklich?! Wo waren die Fakten, die er benennen konnte?
Eben. Es gab keine. Aber was er auch getan haben mochte, er würde sie alle nach
Hause zurückbringen.
Das Ungeheuer in seiner Tiefe schlug träge mit der
Schwanzflosse und tauchte wieder ab.
25. Der Schädelpflücker von
Tulsa
1
So
richtig zu sich kam James eigentlich erst, als er viel später an diesem Abend wieder
am Kochfeuer der Montagus saß und Zemmes löffelte. Von der Fahrt nach Tanterro,
ihrem Schutz und Gastgeber für diese Nacht, hatte er nur verschwommene
Eindrücke zurückbehalten – Carmino schlafend auf der Bank neben ihm, Dorian und
Kate in seltsamem Verstummen vor der staubigen Frontscheibe, die heulende Pix
dazwischen … Halfast, mit den Ponys hinter ihnen herzockelnd, seine langen
Beine, die zu beiden Seiten des Gilwisselbauches fast den Boden streiften …
schließlich der schwarz gestrichene Gelichterzaun, dahinter die Häuser dieses
Dorfes, wie vom Wind um die Straße zusammengeweht … und immer wieder die Fragen
des Jägers, und wie sich sein Inneres zurückgezogen und eingekugelt hatte vor
dessen tappender, hartnäckiger Neugier.
Jetzt hockten sie hier, nicht weit vom Japento-Weg,
der von der Trukantagyja nach Norden abzweigte und dort in toten, öden Weiten
verschwand. Ihr Lager war größer heute, denn Inglewings Reparaturen war
in das schützende Karree eingereiht worden, und sogar Gerringer hatte sein Zelt
innerhalb ihres Netzes aufgeschlagen, sozusagen mitten zwischen den Gilwisseln.
In Sichtweite ragte ein seltsames Artefakt in die
staubige Luft, das im Montagu-Lager sowohl ängstliche Blicke als auch Spott
hervorrief. Ein großes Stück Holz, ausgebleicht und so verwittert, dass es wie
Treibholz aussah, kaum angedeutet die Gestalt, weshalb unklar blieb, ob es
tatsächlich bearbeitet war oder nur die Fantasie des Betrachters
herausforderte: Ein tanzender Teufel, der Kopf so tief zwischen den Schultern,
dass er nur zu erahnen war. Auf einem einzigen, krallenartigen Bein stand er da
und schien mit jedem Zentimeter seines gekrümmten Körpers bösartige Tücke
auszustrahlen. Auf dem Stein, um die knorrige Spitze dessen, was ein Fuß sein
mochte, lagen Stöcke und Knochen wie Opfergaben. Ein Cabbacubb-Altar.
Da waren sie also wieder zurück – zurück bei den
Montagus, und es war schon alles vertraut, auch wenn das Spiel jeden Tag an
einem anderen Ort stattfand: Einrichtung des Gelichterschutzes,
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