Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Ich will nach Hause !,
dachte er, inbrünstig wie ein Gebet. Er sah auf seine nutzlosen Hände hinunter,
mit denen er nie mehr etwas würde anfassen können. Das Ungeheuer aus der Tiefe
war wieder aufgetaucht, und jetzt lachte es ihn aus.
    „Du musst mir was erklären“, wandte er sich an den
Jäger. „Du kennst dich doch aus damit. Gibt es hier außer Dämonen noch mehr,
das sich in einem f-f-festsetzen kann? Gibt‘s in diesem irren Land – Geister –
von Toten, meine ich – die sich auf die Lebenden stürzen?“ Er fand selbst, dass
er sich anhörte wie jemand, der gerade einen Nervenzusammenbruch hat.
    „Na klar“, erwiderte Gerringer gelassen. „Da gibt es
einige bekannte Fälle. Der letzte war, wenn ich mich richtig erinnere, Julietta
Kurbugg, acht Jahre ist das wohl her. Sie sprang in Kebernett vom Dach der –“
    „ Oswend !“
    „Er hat mich gefragt! Und wenn du mich fragst, dann
war das die richtige Frage. Jetzt erzähl uns, wie du darauf kommst. Ich warte
schon seit Tagen darauf, dass du damit rausrückst, Junge!“
    „D-d-diese Empuse!“, stammelte James. „Könnte es sein,
dass das gar keine war – dass das was anderes war –“
    „Ich hab eure Empuse ja nicht mitgekriegt, aber
möglich ist das schon, dass man sich da vertut, vor allem als Fremder.“
    James schloss die Augen. Seine Zähne schlugen laut
aufeinander, und er konnte nichts dagegen tun. Inglewing, der schon in den
Wagen hinaufgestiegen war, beugte sich aus der Türöffnung und hielt ihm eine
Flasche hin. „Nimm mal einen Schluck hiervon. Das hilft. Und Oswend – wenn du
ihm schon solche Sachen in den Kopf setzt, dann erzähl ihm bloß auch, was er
dagegen tun kann! Ich glaub ja immer noch, dass er einfach zu viel Sonne
abgekriegt hat!“
    Aber James konnte sogar an seiner Stimme hören, dass
er das keineswegs glaubte, sondern sich nur gern eingeredet hätte. Er hatte sie
alle geschockt mit der Vorstellung eben. Sich selbst am allermeisten. Zitternd
griff er nach der Flasche und ließ sie beinahe fallen.
    „Quin Auburne!“, kommentierte Gerringer das Getränk
anerkennend. „Direkt aus Aube, wie?“
    „Meine letzten Bestände. Vielleicht sollten wir alle
einen nehmen.“
    James trank einen großen Zug und fing an zu husten. Es
schmeckte wie Whisky mit einer säuerlichen Note und vertrieb fast den
Strellik-Gestank aus seiner Nase.
    „Besser, ja? Also, hört mal. Wir sollten nicht über
diese Sache sprechen“, sagte Inglewing. „Auch nicht gegenüber der Truppe.“
    „Ich tu das bestimmt nicht!“ Stanwell lehnte die
Flasche mit einem Kopfschütteln ab. „Aber er sollte sich ab jetzt
zurückhalten.“
    „Du musst ihn nicht gleich wie ’nen Aussätzigen
behandeln … so ein Geist, das ist auch nichts anderes als eine Art von
Krankheit im Kopf.“
    „Finde ich schon.“
    „Und ansteckend ist es auch nicht.“
    Stanwell sah nicht überzeugt aus. Und als sie jetzt
endlich wieder in den Wagen stiegen, setzte er sich zwischen James und Nella
und rückte dabei auf der Sitzbank so weit wie möglich von James ab.

26. Mittagsjäger, Träumers
Schlag
     
    1
    Nella,
die die Show verschlafen hatte, erwachte in dem Moment, in dem der Wagen wieder
anrollte, und es dauerte keine fünf Minuten, bis sie den Streit mit ihrem
Bruder wiederaufnahm. James war dankbar für die Geräuschkulisse, die zudem die
Aufmerksamkeit von ihm ablenkte. Auf dem Weg nach Membris war er ausschließlich
damit beschäftigt, seine Gedanken und mehr noch seine Fantasie in Schach zu
halten. Was da eben passiert war … und all die verrückten Träume, die er gehabt
hatte, seit – ja, seit dem Tag mit der Empuse, oder? Und jetzt das. Wie sollte
man denn weitermachen als rational denkender Mensch – nach so etwas?! Reichte
es nicht, hier in Absurdistan gefangen zu sein, ohne sich das erklären zu
können – musste man auch noch selbst ein Teil des Wahnsinns werden?!
    Nein. Nein. Auf solche Vorstellungen durfte man sich
gar nicht erst einlassen. Vielleicht hatte er sich auf diesem verdammten
Tauchgang etwas eingefangen. Wer wusste schon, was Inglewing wirklich in seine
selbstgebastelten Sauerstoffflaschen abgefüllt hatte! Oder was in diesem
verseuchten Seewasser so alles an Bakterien herumschwamm. Vielleicht hatte er
eine Hirnhautentzündung. Oder etwas anderes, exotischeres.  Etwas, das sein
Gehirn angriff. Einen Parasiten, zum Beispiel. Ja klar. Und er wusste auch, was
für einen … wusste es doch!
    Er stöhnte leise, und sofort starrte Stanwell