Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
weltgewandtes
Publikum, das eine gute Vorstellung zu schätzen und vor allem zu bezahlen wusste.
„Stattdessen Windywatt !“, knurrte Horgest an
dieser Stelle regelmäßig, und den Ortsnamen spuckte er aus, dass er wie ein
Fluch klang. Was allerdings nichts so Außergewöhnliches war, aus Horgests Mund
klangen die meisten Wörter wie Flüche, wie James bis zum Abend ihres ersten Reisetages
schon festgestellt hatte.
Aber alles Fluchen half ihnen nichts. Nicholas
Montagu, der Chef , hatte bestimmt, dass es diesmal nicht durchs Delta
gehen würde, und so schlugen sie sich eben durch die Wälder und blieben
unsichtbar. Denn das war der Plan dahinter. Anfangs hatte James sich gefragt,
wie wohl eine Truppe von mehr als zwanzig Personen, unterwegs in sieben nicht
gerade unauffälligen Wagen, ungesehen bleiben wollte. Es gelang ihnen, indem
sie den Traskepad mieden – jene Straße, auf der sie selbst mit Inglewing nach
Rhondaport gefahren waren und die, wie Haminta erklärte, von Rhondaport im
Süden bis zu einer Stadt namens Ligissila am äußersten Nordzipfel Salkurnings
führte. Wie lang diese Straße sein mochte, ob es sich bei Salkurning um ein
Land oder einen Kontinent oder was immer handelte – das waren Fragen, die James
selbstverständlich nicht stellen konnte, wenn er sich nicht verdächtig machen
wollte. So sperrte er stattdessen Augen und Ohren auf und versuchte auf diese
Weise so viele Informationen wie nur möglich mitzubekommen.
Was die Verständigung anging, so hätte er sich
übrigens keine Sorgen machen müssen. Die Leute sprachen Englisch – Kurnais ,
um es mit ihrem Wort zu sagen. Für vieles hatten sie zwar ihre eigenen
Bezeichnungen, aber meistens konnte man erschließen, wovon sie sprachen. Nur
die ganz alten Leute in der Truppe redeten untereinander überwiegend in dieser
eigenen Sprache – Peregrenn – und niemand erwartete von den drei Fremden, dass
sie die verstanden. Schließlich waren sie eigentlich Kramper : Sesshafte,
Leute, die sich an ihren Wohnplätzen festkrallten.
Nicht nur den Traskepad mieden sie, sondern auch
sämtliche Ortschaften, wenn es die in dieser Fels- und Pinienwildnis überhaupt
gab. Das bedeutete: kein Publikum, keine Einnahmen, keine Abwechslung, keine
geruhsamen Lagerplätze auf Dorfwiesen. Oder, wie Horgest es auf den Punkt
brachte: Kein kaltes Shervis am Ende eines harten Wagentages, kein Tabak und
keine Weiber. „ Und keine Schlägereien mit Krampern!“, ergänzte seine
Schwester Haminta an dieser Stelle in bitterbösem Ton. „Ist dir eigentlich
klar, dass wir vor allem deinetwegen diesen Weg nehmen? Weil du wieder mal
irgendwen halbtot schlagen musstest?!“
Horgest würdigte solche Hinweise selten einer Antwort,
schon gar nicht, wenn sie von einer Frau kamen. Es war sein Beruf , sich
zu schlagen, er machte das für Geld: trat gegen jeden an, der sich dazu berufen
fühlte, ihn herauszufordern. Und angesichts seiner gut zwei Meter Körpergröße
und einem Gewicht von schätzungsweise hundertvierzig Kilo reinem Muskelfleisch
war jeder, der ihn herausforderte, selbst schuld. Hier in diesem Wald hatten
das bisher nur zwei Wildschweine gewagt – von denen liefen ganze Herden durchs
Unterholz, aber im Allgemeinen waren sie schlau genug, die Wagentruppe zu
meiden. Die beiden, die das nicht gewesen waren, hatte Horgest mit seinen
Fäusten und einem Hammer erledigt, sich danach das Blut von den ledernen
Armschützern gewischt (die legte er nicht mal zum Schlafen ab) und es den
anderen überlassen, sein Gemetzel in mundgerechte Bratenstücke zu verwandeln.
Der Braten war dringend nötig gewesen, fand James,
soweit er noch imstande war zu denken. In diesen ersten Tagen war er so
erschöpft, dass er abends gewissermaßen beim Kauen einschlief, und da sollten
die Bissen, die er noch schaffte, möglichst nahrhaft sein. Das Hauptnahrungsmittel
der Peregrini schien Zemmes zu sein, der Getreidebrei, den sie in Rhondaport
schon als Füllung der Badlabik-Hörnchen kennengelernt hatten. Der Zemmeskessel
war zu jeder Mahlzeit gefüllt, heiß oder auch kalt, und dazu gab es alles, was
sie im Wald Essbares fanden, aber das war angesichts der dauernden Plackerei
immer zu wenig.
Er konnte es nicht fassen, dass die Leute diese
Märsche anscheinend ohne Mühe zurücklegten und abends sogar noch in der Lage
waren zu trainieren – und das Tag für Tag, ohne eine längere Rast als die paar
Stunden Nachtruhe. Sie murrten zwar, aber sie marschierten, so lange der Chef
es ihnen
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