Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
Vom Netzwerk:
kreisen und reden über alles Mögliche. Das heikle Thema »Flaschendrehen« vermeiden wir jedoch beide. Viv, weil sie bemerkt, dass mir mein vermeintlicher Witz peinlich zu sein scheint. Ich, weil ich mir zuerst Klarheit über die Entdeckung verschaffen will. Meine Gedanken kehren unaufhörlich zu den Erlebnissen des heutigen Tages zurück, und ich bin froh, als ich endlich ganz für mich in meinem Schlafsack liege und neben mir Vivs regelmäßige Atemzüge höre, die davon künden, dass sie fast eingeschlafen ist.
    Mittlerweile frage ich mich, ob das Flaschenerlebnis nur ein authentisch wirkender Traum war, und ich tatsächlich schlafend am Seeufer lag, statt durch Gedankenkraft Dinge zu beeinflussen. Diese gesamte Objektbewegungsgeschichte ist völlig abgedreht. Sollte ich wirklich eine besondere Gabe haben, wird sich diese wohl kaum auf Plastikflaschen beschränken.
    Könnte ich mich auf irgendeinen Gegenstand konzentrieren und ihn bewegen?
    Das muss ich ausprobieren, am besten sofort. Allerdings ohne aufzustehen, sonst wecke ich Viv. Außerdem ist es wirklich gemütlich in meinem Schlafsack. Ich brauche also einen Testgegenstand in unmittelbarer Nähe.
    Suchend lasse ich meinen Blick durch das dunkle Zelt schweifen, kann aber nichts erkennen. Wo ist meine Taschenlampe?
    Gestern Abend löschten die Jungs das Feuer, sodass wir uns zuvor im Schein der Flammen in die Zelte zurückziehen konnten. Heute hatten wir nur Vivs Taschenlampe in Benutzung, die sie unter ihr Kopfkissen gelegt hat – glaube ich zumindest. Auf jeden Fall kann ich sie dort nicht herauskramen. Meine eigene Taschenlampe steckt noch im Seitenfach der Reisetasche.
    Ob ich sie anschalten kann?
    Ich beginne, mir meine Stablampe genau vorzustellen. Sie ist recht groß und aus schwarzem Metall. Am vorderen Ende, wo sich die Kunststoffscheibe mit den dahinterliegenden Leuchtdioden befindet, verbreitert sie sich ein wenig. Ist sie angeschaltet, wirft sie einen starken Lichtkegel, den man schon von Weitem sieht. Ja, sie war teuer, aber mein Vater bestand darauf, mir »etwas Vernünftiges mitzugeben, wenn dieser Ausflug in den Wald unbedingt sein muss!«
    Konzentrieren.
    Lampe! Leuchte!
    Ich komme mir wirklich blöd vor. Wo steht eigentlich meine Tasche? Am Ende sehe ich den Erfolg nicht, weil sie in der Ecke unter einem Kleiderberg begraben liegt. Mit zusammengekniffenen Augen starre ich in die Schwärze und kann nach einiger Zeit tatsächlich einen Umriss ausmachen, der meine Tasche sein könnte. Zwischen uns schläft allerdings Viv. Sollte ich die Lampe also nicht per Gedankenkraft anschalten können, ist die Testreihe sowieso für heute beendet. Meine Freundin würde mit Sicherheit aufwachen, wenn ich im vergeblichen Versuch, die Tasche zu erreichen, auf sie falle.
    Na los. Konzentration.
    In der Dunkelheit fixiere ich den Schatten, den ich als Tasche auserkoren habe, und stelle mir meine Taschenlampe im Seitenfach genau vor. Es ist völlig still, nichts stört meine Konzentration. Mein komplettes Denken ist nur auf die Taschenlampe ausgerichtet.
    Leuchte! Taschenlampe, leuchte! Jetzt!
    Plötzlich ist das Zelt von diffusem Dämmerlicht erfüllt. Die Quelle ist definitiv in meiner Reisetasche.
    Neben mir schlägt Viv die Augen auf. »Hannah? Alles in Ordnung? Wieso hast du Licht gemacht?«, murmelt sie schläfrig. Dann wandert ihr Blick zu mir und sie setzt sich ruckartig auf. »Wo hast du die Lampe?«
    Suchend schaut sie sich im Zelt um, während ich nach wie vor ungläubig auf meine leuchtende Reisetasche starre. Viv folgt meinem Blick und lacht erleichtert auf. »Achso, du hast sie wieder in die Tasche gesteckt. Ich war für einen Moment komplett desorientiert, weil das Licht dadurch so eine komische Farbe hat. Bist du über mich geklettert? Ist mir gar nicht aufgefallen.«
    Nein, bin ich nicht. Aber jede Erklärung wäre sinnlos und wir hätten die gleiche Situation wie heute Morgen am See. Ich muss es ihr zeigen, ich muss es beweisen!
    Während mich Viv irritiert mustert und auf eine Antwort wartet, blende ich sie komplett aus und richte wieder das gesamte Denken auf die Taschenlampe. Mit ganzer Kraft konzentriere ich meinen Willen auf einen Gedanken:
    Geh aus! Taschenlampe! Erlösche! Geh aus!
    Es wird stockdunkel. Die Finsternis wirkt noch schwärzer als vorher, da sich unsere Augen bereits an das Licht der Taschenlampe gewöhnt hatten.
    »Hannah?«, Vivs Stimme klingt dünn in der Dunkelheit.
    Ich habe es geschafft. Nur durch reine

Weitere Kostenlose Bücher