Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
Vom Netzwerk:
mir vorüber stürmt. Viv schaut ihr unsicher hinterher. Sie misst mich mit einem nachdenklichen Blick und nimmt mir das Versprechen ab, sehr vorsichtig zu sein und mich sofort bei ihr zu melden, sollte es Neuigkeiten geben.
    Vorsichtig – das klingt für mich wie ein schlechter Witz. Als ob es in Jans Nähe irgendeine Rolle spielen würde, wenn ich versuche vorsichtig zu sein.
    Am Nachmittag widme ich meine Zeit zur Abwechslung der Schule, die ich bereits über die Ferien schändlich vernachlässigt habe. Meine Zensuren sind zwar recht gut, aber das ist kein Grund, mich bis zum Notenschluss hängen zu lassen. Ich muss es ja nicht darauf anlegen.
    Zuerst die Kraft, dann Jan – ich weiß kaum, wo mir der Kopf steht und mit welchem Problem ich mich zuerst befassen soll. Er ist ein solcher Schwachkopf. Wie kann man sich bitte derartig aufführen? Gottes Geschenk an die Frauenwelt?
    Besser, er hält sich von mir fern! Ansonsten kann er was erleben!
    Die Gelegenheit zur Konfrontation kommt schneller als erhofft. Bereits zwei Tage später passt mich Jan in der Pause ab. Immerhin war mir eine kurze Phase der Ruhe vergönnt. Er hat die Gabe, dann zuzuschlagen, wenn ich gerade alleine bin. In der nächsten Stunde soll Viv ein Geschichtsreferat halten und hat vergessen, die Handouts fertigzustellen, weswegen sie sich hektisch auf den Weg zum Kopierer gemacht hat.
    Umso besser. Der soll sich auf etwas gefasst machen!
    Glücklicherweise sind wir an einem belebten Ort, er kann mir also nichts tun.
    »Guten Morgen.« Er nickt mir zu und lächelt. Seine Hände behält er bei sich, zudem wahrt er einen gewissen Abstand. Ich hole tief Luft.
    »Ich muss mich bei dir entschuldigen. Es tut mir leid.«
    Verdammt! Er war schneller und hat mich aus dem Konzept gebracht – mal wieder. Wie kanzelt man jemanden ab, der sich gerade entschuldigt hat? Vorsichtshalber schweige ich und funkle ihn dabei wutentbrannt an. Wenn er nur nicht so verflucht gut aussehen – äh, lassen wir das. Ich bete darum, dass er in meinem Blick ausschließlich Ablehnung erkennt und nicht das, was meine explosive Gefühlsmischung zusätzlich beinhaltet. Für kurze Zeit herrscht Stille zwischen uns, sodass ich meine Fassung zurückgewinnen kann. Mit schräg gelegtem Kopf mustere ich ihn kühl und ziehe dabei leicht die Augenbrauen hoch. Gut, dass ich das vor dem Spiegel geübt habe!
    »Ich hätte deine Wünsche respektieren sollen.«
    Ich verschränke meine Arme vor der Brust und schaue ihn herausfordernd an. »Machst du das immer so? Dir einfach nehmen, was du willst?«
    Für einen Moment schließt Jan resigniert die Augen. »Ganz plötzlich wurde das Verlangen, dich zu küssen, unermesslich.« Seine Worte klingen unbeteiligt, wie einstudiert. »Obwohl mir klar war, dass du mich zuvor abgewiesen hattest. Es hat mich überwältigt – du hast mich überwältigt.«
    Ich? Überwältigt?
    Mich beschleicht ein unerträglicher Gedanke. Was, wenn ich ihn mittels meiner Kraft zu dem Kuss brachte? Setzte ich die Fähigkeit möglicherweise doch ein, ohne mir dessen bewusst zu sein? Stand ich selbst so wenig hinter meiner Zurückweisung? Bin ich diejenige, die ihn gezwungen hat?
    Scheinbar zeichnen sich wechselnde Emotionen auf meinen Zügen ab, denn Jan mustert mich irritiert. Seine Stimme klingt angespannt. »Entschuldige. Ich hätte dich nicht überfallen dürfen, weder heute noch am Dienstag. Würdest du mir eine letzte Chance geben? Ich möchte dich gerne zum Kaffeetrinken einladen. Im Einkaufszentrum. Da sind eine Menge Menschen, sodass du nicht in Gefahr schwebst.« Mit einem spöttischen Lächeln schaut er an mir vorbei.
    Ich bin völlig durch den Wind. Wenn dieser Kuss durch meine Kraft initiiert wurde, dann trifft Jan keine Schuld, und er hat sich tadellos benommen. Kein Wunder, dass er danach die Flucht ergriffen hat. Ist es auch mir selbst zuzuschreiben, dass er noch einmal mit mir ausgehen will?
    »Hannah?« Jan berührt mich leicht am Oberarm, und ich werde von einer warmen Welle überflutet. Scheinbar brauche ich zu lange für meine Antwort, also entscheide ich, ohne weiter nachzudenken, aus dem Bauch heraus. Ich nicke.
    »Schön. Heute Nachmittag, 16 Uhr, in der Kaffeebar?«
    Da Jans Hand immer noch meine Haut berührt – hätte ich heute nur ein Langarmshirt angezogen – habe ich Schwierigkeiten mit der Artikulation einer sinnvollen Antwort. Daher nicke ich wieder. Mit einer leichten Berührung seiner Fingerspitzen streicht er von meiner Schulter bis zum

Weitere Kostenlose Bücher