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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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vorbeigeschlichen hast.« Mit einem leisen Lachen verlässt er den Raum und schließt die Tür hinter sich, während ich total verwirrt mitten im Zimmer stehe.
    Wieso nimmt er Jans Gedächtnisverlust auf die leichte Schulter? Müssten nicht diverse Ermittlungen laufen, um zu ergründen, was am Freitagabend geschehen ist? Sollte nicht der Arzt selbst von Beruf aus Interesse an der Aufklärung haben? Gebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung kann man sich wohl kaum selbst zufügen. Umso merkwürdiger, dass er mir nicht eine einzige Frage gestellt hat.
    Jan hat sich halb aufgesetzt, sodass ihn die Bettdecke nur bis zur Hüfte bedeckt. Sein Oberkörper ist mit einem festsitzenden, weißen Verband fixiert, der direkt dafür sorgt, dass sich mein Gewissen lautstark meldet. Jan folgt meinem Blick. »Das sieht schlimmer aus, als es ist. Die Gehirnerschütterung stellt definitiv den schmerzhafteren und unangenehmeren Teil dar.«
    Das trägt nicht gerade zu meiner Entspannung bei. Ich beiße mir auf die Unterlippe und gehe ein paar Schritte auf Jan zu. Leider habe ich keine Idee, wie ich ein Gespräch in Gang bringen könnte. Er erinnert sich an nichts. Soll ich ihm die Wahrheit sagen? Wird er mir Glauben schenken? Wohl eher nicht, was wiederum eine weitere Demonstration meiner Kraft nach sich ziehen würde. Wahrscheinlich ist es besser, dass er nichts mehr weiß. Klar, er hat sich nicht vorbildlich verhalten, aber im Nachhinein wirkt seine Tat verglichen mit meinem Vergehen beinahe lächerlich. Vermutlich ist es am besten, seinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge zu helfen. Ich werde ihm erzählen, dass wir uns am Freitagabend nach dem Besuch im Einkaufszentrum derartig gestritten hätten, dass ich alleine heimgelaufen wäre. Obwohl ich mir bewusst bin, dass diese Entscheidung nicht in Ordnung ist, scheint es mir die sinnvollste Lösung für uns beide zu sein. Direkt vor Jans Bett bleibe ich stehen, verschränke die Arme vor der Brust und setze zu der niederträchtigen Lüge an, wohl wissend, dass ich es eher für mich als für ihn tue. »Wegen Freitag...«
    Jan hebt leicht den Kopf und sieht mir geradewegs ins Gesicht, als könnte er meine Absicht erkennen. Seine Miene ist ernst, sein Blick von eisiger Kälte erfüllt. »Ich erinnere mich. Du kannst dir die Lügen sparen.«
    Ich schrecke zurück, als hätte er zum Schlag ausgeholt. »Du... du erinnerst dich? Aber wieso... der Arzt... ich...«
    Jan taxiert mich mit seinen hellen Augen. »Ich erinnere mich an jede Sekunde dieses Nachmittags, bevor du mich gegen die Wand geschleudert und liegengelassen hast. Du bist der Grund für meine Verletzungen. Die Frage ist nur, wie du das vollbracht hast. Du bist mir eine Erklärung schuldig. Du hast mich bewusstlos geschlagen und bist abgehauen?«
    Mir schießen die Tränen in die Augen und ich weiche so weit zurück, bis ich die Türklinke in meinem Rücken spüre. »Ich... es tut mir leid...« Zu mehr als unzusammenhängendem Gestammel bin ich nicht in der Lage, deshalb drehe ich mich um, verlasse fluchtartig das Krankenzimmer und knalle die Tür hinter mir zu. Dann lehne ich mich schwer atmend an die Wand.
    Glücklicherweise hat niemand meinen alles andere als ruhmreichen Abgang beobachtet, sodass ich mir die Zeit nehmen kann, Gedanken und Gefühle zu ordnen. Ich bin ins Krankenhaus gekommen und war bereit zur Aufarbeitung der Ereignisse des Wochenendes. Ursprünglich war es nicht meine Absicht, ihn mit einer Lüge abzuspeisen. Ich wollte mich entschuldigen, ganz nüchtern über den Vorfall sprechen und die Rolle erläutern, die meine Kraft dabei gespielt hat. Der Entschluss geriet erst ins Wanken, als mir der Arzt von der fehlenden Erinnerung berichtete. Plötzlich wirkte alles so einfach.
    Jans scheinbarer Gedächtnisverlust erscheint mir nun wie ein Test. Eine Prüfung, bei der ich versagt habe. Hätte ich vorgehabt, die Wahrheit zu erzählen, hätte ich anders reagiert und wäre nicht so leicht aus dem Konzept zu bringen gewesen.
    Kann ich jemals irgendetwas richtig machen?
    Blind vor Zorn stürze ich den Flur entlang, fahre mit dem Aufzug nach unten und verlasse das Krankenhaus. Völlig neben mir irre ich ziellos durch die Straßen, unfähig, mich auf etwas anderes als das Chaos in meinem Kopf zu konzentrieren.
    Warum das Vortäuschen des Gedächtnisverlustes? Nur um mich erneut vorzuführen? Oder wollte er wirklich prüfen, ob ich ihm die Wahrheit sagen würde? Falls es so ist, habe ich versagt.
    Wie kann er so wütend

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