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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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sich mit der Hand durch die Haare. »Dinge schweben lassen, Licht ausschalten. Entschuldige, das klingt wie aus einem Gruselfilm.«
    »Und wie erklärst du dir dann deine nähere Bekanntschaft mit der Wand?«
    Er zögert. »Es ging alles so schnell. Ehrlich gesagt habe ich eher damit gerechnet, dass du irgendeine Kampfsportart betreibst. In einem Augenblick habe ich dich geküsst, im nächsten reißt mich etwas von dir weg, katapultiert mich durchs Zimmer und schmettert mich an die gegenüberliegende Wand. Okay, die Kampfsportsache erscheint mir jetzt nicht mehr so schlüssig. Aber deine Erklärung ist auch nicht gerade plausibel...«
    Konzentriert fokussiere ich die Porzellanvase, die mit einer armseligen Plastikrose vor mir auf dem Tisch steht.
    Erhebe dich ein kleines Stück von der Oberfläche. Schwebe!
    Das Behältnis schwebt samt künstlicher Blume ca. dreißig Zentimeter in die Luft und bleibt dort stehen. Ohne den Gedankenimpuls abreißen zu lassen, deute ich mit einer knappen Bewegung auf den Tisch. Jans Blick wechselt in hoher Geschwindigkeit von mir zur Plastikrose und wieder zurück. Dabei zeigt sein Gesicht einen derart fassungslosen Ausdruck, dass ich mir ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen kann. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen setzt er sich auf, lässt sich von der Bettkante rutschen und geht langsam auf den Tisch zu. Er streckt vorsichtig seinen Arm aus und prüft mit der Handfläche die das Flugobjekt umgebende Luft.
    Mein Grinsen wird breiter. »Überzeugt?«
    Jan massiert sich mit den Fingerspitzen die Schläfen und schüttelt leicht den Kopf. »Das ist unmöglich.« Er geht ein paar Schritte rückwärts und lässt sich wieder aufs Bett sinken. »Seit wann kannst du ...das?«
    Ich stelle die Vase wieder auf ihrem ursprünglichen Platz ab. »Ich weiß es nicht. Ich habe nur zufällig herausgefunden, dass ich diese Kraft besitze. Keine Ahnung, wie lange ich sie schon unbewusst nutze.«
    »Wie findet man so etwas zufällig heraus?«
    »Hast du beim Flaschendrehen noch nie die Flasche beschworen, nicht bei dir zu stoppen?«
    Jan lacht. »Doch. Hat nur leider nicht viel genutzt«, antwortet er mit einem vielsagenden Blick in meine Richtung.
    Ich beschließe, auf diese Provokation nicht einzugehen. »Bei mir hat es eben funktioniert. Und irgendwann kam ich auf die Idee, die Flasche in einem von mir gewählten Moment zu stoppen.«
    In Jans Augen blitzt Erkenntnis auf. »Habe ich etwa dir das Bad im See zu verdanken?«
    »Du sahst aus, als bekäme dir eine Abkühlung gut. Außerdem war es keine Absicht. Erst am nächsten Tag wurde mir wirklich klar, dass da irgendetwas merkwürdig lief. Und dann habe ich experimentiert.«
    »Was hast du alles getestet?«
    »Einige Dinge habe ich ja vorhin schon aufgezählt. Die Stereoanlage ohne Fernbedienung steuern. Die Zeit der Mikrowelle verkürzen. Einmal wäre ich fast überfahren worden, weil ich aus Ungeduld unabsichtlich eine Ampel umgestellt habe. Einen Bleistift in Flammen aufgehen lassen. Ich weiß selbst nicht, wo die Grenzen liegen.«
    »Vorhin sagtest du, du seist unsicher gewesen, ob du mich zu dem Kuss vor deiner Haustür gezwungen habest. Heißt das, du kannst nicht nur Gegenstände, sondern auch Menschen kontrollieren?« Er macht eine kurze Pause. »Und was mich noch viel mehr beunruhigt: Woher weißt du das?«
    Von meiner nächsten Antwort hängt der weitere Verlauf des Gesprächs ab. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während ich krampfhaft überlege, was ich entgegnen soll. »Freitagnachmittag im Einkaufszentrum. Der Junge, der neben mir in den Brunnen gesprungen ist. Ich habe den mentalen Befehl dazu gegeben.«
    Jan starrt mich völlig entsetzt an. Sofort machen sich in mir Zweifel breit. Wie konnte ich so blöd sein, unsere instabile Beziehung einem solchen Schlag auszusetzen?
    »Du kannst Menschen dazu bringen, etwas zu tun, was sie selbst gar nicht wollen?«
    »Scheint so. Ehrlich gesagt habe ich mich nicht eingehend damit beschäftigt. Meiner Meinung nach habe ich in den Köpfen von anderen nichts zu suchen.« Bei dieser Beteuerung fühle ich mich ein wenig unwohl, da sie genaugenommen nicht zutrifft.
    Jan wirkt erleichtert. »Ich bin froh, dass du das so siehst. Der Gedanke, dass ich für meine Entscheidungen nicht selbst verantwortlich sein könnte, macht mich nervös.«
    »Keine Sorge. Vor ein paar Wochen hatte ich das gleiche Gespräch mit Viv. Sie sieht das wie du.«
    »Viv?«
    »Meine beste Freundin? Lange blonde Haare,

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