Formbar. Begabt
überflüssig, dass sich Viv auch Gedanken darüber machen muss. Sie wird glücklicher sein, wenn sie von der Existenz übernatürlicher Fähigkeiten nichts weiß.
»Hi Viv, komm doch kurz mit nach oben. Ich brauche deine Beratung bei der Auswahl der Handtasche.«
Gemeinsam gehen wir in mein Zimmer, wo ich meiner Freundin zwei Handtaschen präsentiere. Ohne zu zögern, entscheidet sie sich für die dunkelblaue und gegen die senfgelbe Tasche.
»Hannah, bist du farbenblind? Die Frage, welche du nimmst, kann man nach einem Blick auf dein Kleid beantworten.«
»Kann schon sein. Ich wollte nur sichergehen.«
Ich nutze die Gesprächspause und formuliere den Gedankenimpuls, der dafür sorgen wird, dass ich unsere Freundschaft nicht erneut gefährde.
Vergiss augenblicklich meine Gabe und alles, was damit zusammenhängt!
Mit einem leichten Kopfschütteln versuche ich die aufkommende Müdigkeit zu bekämpfen. Viv schaut mich aufmerksam an. »Du siehst toll aus. Jan wird dir zu Füßen liegen.«
Krampfhaft versuche ich, nun zu vergessen, was ich gerade getan habe, und konzentriere mich auf oberflächliche Gedanken. Mein Outfit ist heute Abend tatsächlich etwas Besonderes, denn zur Abwechslung habe ich mich richtig in Schale geworfen. Ich trage ein Kleid aus leichtem blauen Stoff, der so hell ist, dass er fast weiß wirkt. Dazu kombiniere ich keine Chucks, sondern dunkelblaue Pumps, in denen ich zwar kaum laufen kann, die aber meine Beine im besten Licht erscheinen lassen. Irgendwelche Abstriche muss man leider immer machen. Insgeheim hoffe ich darauf, dass Jan bemerkt, wie wunderbar mein Outfit zu seinen Augen passt. Unwahrscheinlich. Zudem ist meine Unterwäsche an diesem Abend spektakulär. Der BH aus hellblauer Spitze, den mir Jan in der Einkaufspassage überreicht hat, und ein passender Slip, den ich nachträglich selbst gekauft habe. Nicht, dass ich für heute Nacht etwas Unanständiges geplant hätte. Immerhin steigert der Gedanke an das Ensemble, auch wenn es keiner zu Gesicht bekommt, mein Selbstbewusstsein. Meine Haare fallen offen auf die Schultern, und das Make-up ist gelungen, sodass ich mit meinem Anblick im Spiegel sehr zufrieden bin.
In meinem Innern bin ich jedoch zwiegespalten. Einerseits erwacht in mir das schlechte Gewissen. Schließlich hatte ich Viv versprochen, sie niemals zu manipulieren. Andererseits fühle ich mich, als sei mir eine große Last von den Schultern genommen worden. Meine beste Freundin benimmt sich wie immer. Es hat ihr also nicht geschadet, zweimal in drei Tagen mit der Gabe konfrontiert zu werden. Die ganze Problematik hat sich in Luft aufgelöst, und ich kann endlich wieder frei atmen. Für Viv ist es definitiv besser, nichts zu wissen, statt jede meiner Handlungen kritisch zu überprüfen und sich einem solchen Stress auszusetzen. Außerdem wird sie mir keine unangenehmen Fragen mehr stellen.
Ich kann es gar nicht fassen, dass sich Schwierigkeiten so leicht lösen lassen, ohne dass irgendjemand zu Schaden kommt. Mit der vereinzelt auftretenden Müdigkeit kann ich umgehen. Jan hatte recht mit seiner Einschätzung.
Beim Verlassen des Hauses ergreife ich schnell die Reisetasche, in der nicht nur Kuchen und Muffins, sondern auch meine Übernachtungsutensilien, bestehend aus Waschbeutel, Kleider für den morgigen Tag und meinem schönsten Schlafanzug, ihren Platz gefunden haben.
Auf der Fahrt unterhalten wir uns lautstark. Natürlich wird es nicht leiser, nachdem Vivs Vater auch noch Jasmin eingesammelt hat – im Gegenteil. Kopfschüttelnd liefert er uns vor Laros Haus ab und nimmt Viv vermutlich zum zehnten Mal das Versprechen ab, um Punkt 0:30 Uhr vor der Tür zur Abholung bereitzustehen. Viv gibt zum ebensovielten Male ihre Zustimmung, und wir verschwinden kichernd in den Garten.
Laro hat sich bei der Dekoration selbst übertroffen. In allen Büschen und Bäumen hängen Lampions, deren warmes Licht den Garten erhellen wird, sobald die Dämmerung einsetzt. In der Mitte des Rasens befindet sich ein großer Teich, auf dem Seerosen mit Teelichtern im Innern schwimmen, die ebenfalls bei Einbruch der Dunkelheit angezündet werden. Ich freue mich auf den Anblick und hoffe, dass Jan bis dahin gekommen ist, damit wir den warmen Maiabend gemeinsam genießen können.
Amüsiert packt Laro unser Geschenk aus – ein Wurfzelt, auf das sie nur einen Blickt werfen muss, um in Gelächter auszubrechen.
»Ihr seid die Besten! So haben wir wenigstens beim nächsten Zelttrip nur mit dem
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