Forschungen eines Hundes
drückt, welche es förm-
lich aus Lufthunger durchbrechen wollen, den anderen scheint
im Schweigen wohl zu sein, zwar hat es nur diesen Anschein, so
wie bei den Musikhunden, die scheinbar ruhig musizierten, in
Wirklichkeit aber sehr aufgeregt waren, aber dieser Anschein ist
stark, man versucht ihm beizukommen, er spottet jeden Angriffs.
Wie helfen sich nun meine Artgenossen? Wie sehen ihre Versuche,
dennoch zu leben, aus? Das mag verschieden sein. Ich habe es mit
meinen Fragen versucht, solange ich jung war. Ich könnte mich
also vielleicht an die halten, welche viel fragen, und da hätte ich
dann meine Artgenossen. Ich habe auch das eine Zeitlang mit
Selbstüberwindung versucht, mit Selbstüberwindung, denn mich
kümmern ja vor allem die, welche antworten sollen; die, welche mir
immerfort mit Fragen, die ich meist nicht beantworten kann, da-
zwischenfahren, sind mir widerwärtig. Und dann, wer fragt denn
nicht gern, solange er jung ist, wie soll ich aus den vielen Fragen
die richtigen herausfinden? Eine Frage klingt wie die andere, auf
die Absicht kommt es an, die aber ist verborgen, oft auch dem
Frager. Und überhaupt, das Fragen ist ja eine Eigentümlichkeit
der Hundeschaft, alle fragen durcheinander, es ist, als sollte damit
die Spur der richtigen Fragen verwischt werden. Nein, unter den
Fragern der Jungen finde ich meine Artgenossen nicht, und unter
den Schweigern, den Alten, zu denen ich jetzt gehöre, ebensowenig.
Aber was wollen denn die Fragen, ich bin ja mit ihnen gescheitert,
wahrscheinlich sind meine Genossen viel klüger als ich und wenden
ganz andere vortreffliche Mittel an, um dieses Leben zu ertragen,
Mittel freilich, die, wie ich aus eigenem hinzufüge, vielleicht ihnen
zur Not helfen, beruhigen, einschläfern, artverwandelnd wirken,
aber in der Allgemeinheit ebenso ohnmächtig sind, wie die meinen,
denn, soviel ich auch ausschaue, einen Erfolg sehe ich nicht. Ich
fürchte, an allem anderen werde ich meine Artgenossen eher erken-
nen als am Erfolg. Wo sind denn aber meine Artgenossen? Ja, das
ist die Klage, das ist sie eben. Wo sind sie? Überall und nirgends.
Vielleicht ist es mein Nachbar, drei Sprünge weit von mir, wir ru-
fen einander oft zu, er kommt auch zu mir herüber, ich zu ihm
nicht. Ist er mein Artgenosse? Ich weiß nicht, ich erkenne zwar
nichts dergleichen an ihm, aber möglich ist es. Möglich ist es, aber
doch ist nichts unwahrscheinlicher. Wenn er fern ist, kann ich zum
Spiel mit Zuhilfenahme aller Phantasie manches mich verdächtig
Anheimelnde an ihm herausfinden, steht er dann aber vor mir, sind
alle meine Erfindungen zum Lachen. Ein alter Hund, noch etwas
kleiner als ich, der ich kaum Mittelgröße habe, braun, kurzhaarig,
mit müde hängendem Kopf, mit schlürfenden Schritten, das linke
Hinterbein schleppt er überdies infolge einer Krankheit ein wenig
nach. So nah wie mit ihm verkehre ich schon seit langem mit nie-
mandem, ich bin froh, daß ich ihn doch noch leidlich ertrage, und
wenn er fortgeht, schreie ich ihm die freundlichsten Dinge nach,
freilich nicht aus Liebe, sondern zornig auf mich, weil ich ihn,
wenn ich ihm nachgehe, doch wieder nur ganz abscheulich finde,
wie er sich wegschleicht mit dem nachschleppenden Fuß und dem
viel zu niedrigen Hinterteil. Manchmal ist mir, als wollte ich mich
selbst verspotten, wenn ich ihn in Gedanken meinen Genossen
nenne. Auch in unseren Gesprächen verrät er nichts von irgendei-
ner Genossenschaft, zwar ist er klug und, für unsere Verhältnisse
hier, gebildet genug und ich könnte viel von ihm lernen, aber suche
ich Klugheit und Bildung? Wir unterhalten uns gewöhnlich über
örtliche Fragen und ich staune dabei, durch meine Einsamkeit in
dieser Hinsicht hellsichtiger gemacht, wieviel Geist selbst für einen
gewöhnlichen Hund, selbst bei durchschnittlich nicht allzu un-
günstigen Verhältnissen nötig ist, um sein Leben zu fristen und sich
vor den größten üblichen Gefahren zu schützen. Die Wissenschaft
gibt zwar die Regeln; sie aber auch nur von Ferne und in den gröb-
sten Hauptzügen zu verstehen ist gar nicht leicht, und wenn man
sie verstanden hat, kommt erst das eigentlich Schwere, sie nämlich
auf die örtlichen Verhältnisse anzuwenden – hier kann kaum je-
mand helfen, fast jede Stunde gibt neue Aufgaben und jedes neue
Flecken Erde seine besonderen; daß er für die Dauer irgendwo
eingerichtet ist und daß sein Leben nun gewissermaßen von
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