Forschungen eines Hundes
Gespräch verlaufen
würde. Er hätte einige kleine Einwände hie und da, schließlich
würde er zustimmen – Zustimmung ist die beste Waffe – und die
Sache wäre begraben, warum sie aber überhaupt erst aus ihrem
Grab bemühen? Und trotz allem, es gibt doch vielleicht eine über
bloße Worte hinausgehende tiefere Übereinstimmung mit meinem
Nachbarn. Ich kann nicht aufhören, das zu behaupten, obwohl
ich keine Beweise dafür habe und vielleicht dabei nur einer ein-
fachen Täuschung unterliege, weil er eben seit langem der einzige
ist, mit dem ich verkehre, und ich mich also an ihn halten muß.
»Bist du doch vielleicht mein Genosse auf deine Art? Und schämst
dich, weil dir alles mißlungen ist? Sieh, mir ist es ebenso gegangen.
Wenn ich allein bin, heule ich darüber, komm, zu zweit ist es sü-
ßer«, so denke ich manchmal und sehe ihn dabei fest an. Er senkt
dann den Blick nicht, aber auch zu entnehmen ist ihm nichts,
stumpf sieht er mich an und wundert sich, warum ich schweige
und unsere Unterhaltung unterbrochen habe. Aber vielleicht ist
gerade dieser Blick seine Art zu fragen, und ich enttäusche ihn, so
wie er mich enttäuscht. In meiner Jugend hätte ich ihn, wenn mir
damals nicht andere Fragen wichtiger gewesen wären und ich nicht
allein mir reichlich genügt hätte, vielleicht laut gefragt, hätte eine
matte Zustimmung bekommen und also weniger als heute, da er
schweigt. Aber schweigen nicht alle ebenso? Was hindert mich zu
glauben, daß alle meine Genossen sind, daß ich nicht nur hie und
da einen Mitforscher hatte, der mit seinen winzigen Ergebnissen
versunken und vergessen ist und zu dem ich auf keine Weise mehr
gelangen kann durch das Dunkel der Zeiten oder das Gedränge
der Gegenwart, daß ich vielmehr in allem seit jeher Genossen
habe, die sich alle bemühen nach ihrer Art, alle erfolglos nach ih-
rer Art, alle schweigend oder listig plappernd nach ihrer Art, wie
es die hoffnungslose Forschung mit sich bringt. Dann hätte ich
mich aber auch gar nicht absondern müssen, hätte ruhig unter den
anderen bleiben können, hätte nicht wie ein unartiges Kind durch
die Reihen der Erwachsenen mich hinausdrängen müssen, die ja
ebenso hinauswollen wie ich, und an denen mich nur ihr Verstand
beirrt, der ihnen sagt, daß niemand hinauskommt und daß alles
Drängen töricht ist.
Solche Gedanken sind allerdings deutlich die Wirkung meines
Nachbarn, er verwirrt mich, er macht mich melancholisch; und
ist für sich fröhlich genug, wenigstens höre ich ihn, wenn er in
seinem Bereich ist, schreien und singen, daß es mir lästig ist. Es
wäre gut, auch auf diesen letzten Verkehr zu verzichten, nicht
vagen Träumereien nachzugehen, wie sie jeder Hundeverkehr, so
abgehärtet man zu sein glaubt, unvermeidlich erzeugt, und die
kleine Zeit, die mir bleibt, ausschließlich für meine Forschungen
zu verwenden. Ich werde, wenn er nächstens kommt, mich ver-
kriechen und schlafend stellen, und das so lange wiederholen, bis
er ausbleibt.
Auch ist in meine Forschungen Unordnung gekommen, ich lasse
nach, ich ermüde, ich trotte nur noch mechanisch, wo ich begeistert
lief. Ich denke zurück an die Zeit, als ich die Frage: »Woher nimmt
die Erde unsere Nahrung?« zu untersuchen begann. Freilich lebte
ich damals mitten im Volk, drängte mich dorthin, wo es am dich-
testen war, wollte alle zu Zeugen meiner Arbeiten machen, diese
Zeugenschaft war mir sogar wichtiger als meine Arbeit; da ich ja
noch irgendeine allgemeine Wirkung erwartete, erhielt ich natür-
lich eine große Anfeuerung, die nun für mich Einsamen vorbei ist.
Damals aber war ich so stark, daß ich etwas tat, was unerhört ist,
allen unsern Grundsätzen widerspricht und an das sich gewiß jeder
Augenzeuge von damals als an etwas Unheimliches erinnert. Ich
fand in der Wissenschaft, die sonst zu grenzenloser Spezialisierung
strebt, in einer Hinsicht eine merkwürdige Vereinfachung. Sie
lehrt, daß in der Hauptsache die Erde unsere Nahrung hervor-
bringt, und gibt dann, nachdem sie diese Voraussetzung gemacht
hat, die Methoden an, mit welchen sich die verschiedenen Speisen
in bester Art und größter Fülle erreichen lassen. Nun ist es freilich
richtig, daß die Erde die Nahrung hervorbringt, daran kann kein
Zweifel sein, aber so einfach, wie es gewöhnlich dargestellt wird,
jede weitere Untersuchung ausschließend, ist es nicht. Man nehme
doch nur die primitivsten Vorfälle her, die sich täglich
Weitere Kostenlose Bücher