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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Gespräch verlaufen
    würde. Er hätte einige kleine Einwände hie und da, schließlich
    würde er zustimmen – Zustimmung ist die beste Waffe – und die
    Sache wäre begraben, warum sie aber überhaupt erst aus ihrem
    Grab bemühen? Und trotz allem, es gibt doch vielleicht eine über
    bloße Worte hinausgehende tiefere Übereinstimmung mit meinem
    Nachbarn. Ich kann nicht aufhören, das zu behaupten, obwohl
    ich keine Beweise dafür habe und vielleicht dabei nur einer ein-
    fachen Täuschung unterliege, weil er eben seit langem der einzige
    ist, mit dem ich verkehre, und ich mich also an ihn halten muß.
    »Bist du doch vielleicht mein Genosse auf deine Art? Und schämst
    dich, weil dir alles mißlungen ist? Sieh, mir ist es ebenso gegangen.
    Wenn ich allein bin, heule ich darüber, komm, zu zweit ist es sü-
    ßer«, so denke ich manchmal und sehe ihn dabei fest an. Er senkt
    dann den Blick nicht, aber auch zu entnehmen ist ihm nichts,
    stumpf sieht er mich an und wundert sich, warum ich schweige
    und unsere Unterhaltung unterbrochen habe. Aber vielleicht ist
    gerade dieser Blick seine Art zu fragen, und ich enttäusche ihn, so
    wie er mich enttäuscht. In meiner Jugend hätte ich ihn, wenn mir
    damals nicht andere Fragen wichtiger gewesen wären und ich nicht
    allein mir reichlich genügt hätte, vielleicht laut gefragt, hätte eine
    matte Zustimmung bekommen und also weniger als heute, da er
    schweigt. Aber schweigen nicht alle ebenso? Was hindert mich zu
    glauben, daß alle meine Genossen sind, daß ich nicht nur hie und
    da einen Mitforscher hatte, der mit seinen winzigen Ergebnissen
    versunken und vergessen ist und zu dem ich auf keine Weise mehr
    gelangen kann durch das Dunkel der Zeiten oder das Gedränge
    der Gegenwart, daß ich vielmehr in allem seit jeher Genossen
    habe, die sich alle bemühen nach ihrer Art, alle erfolglos nach ih-
    rer Art, alle schweigend oder listig plappernd nach ihrer Art, wie
    es die hoffnungslose Forschung mit sich bringt. Dann hätte ich
    mich aber auch gar nicht absondern müssen, hätte ruhig unter den
    anderen bleiben können, hätte nicht wie ein unartiges Kind durch
    die Reihen der Erwachsenen mich hinausdrängen müssen, die ja
    ebenso hinauswollen wie ich, und an denen mich nur ihr Verstand
    beirrt, der ihnen sagt, daß niemand hinauskommt und daß alles
    Drängen töricht ist.
    Solche Gedanken sind allerdings deutlich die Wirkung meines
    Nachbarn, er verwirrt mich, er macht mich melancholisch; und
    ist für sich fröhlich genug, wenigstens höre ich ihn, wenn er in
    seinem Bereich ist, schreien und singen, daß es mir lästig ist. Es
    wäre gut, auch auf diesen letzten Verkehr zu verzichten, nicht
    vagen Träumereien nachzugehen, wie sie jeder Hundeverkehr, so
    abgehärtet man zu sein glaubt, unvermeidlich erzeugt, und die
    kleine Zeit, die mir bleibt, ausschließlich für meine Forschungen
    zu verwenden. Ich werde, wenn er nächstens kommt, mich ver-
    kriechen und schlafend stellen, und das so lange wiederholen, bis
    er ausbleibt.
    Auch ist in meine Forschungen Unordnung gekommen, ich lasse
    nach, ich ermüde, ich trotte nur noch mechanisch, wo ich begeistert
    lief. Ich denke zurück an die Zeit, als ich die Frage: »Woher nimmt
    die Erde unsere Nahrung?« zu untersuchen begann. Freilich lebte
    ich damals mitten im Volk, drängte mich dorthin, wo es am dich-
    testen war, wollte alle zu Zeugen meiner Arbeiten machen, diese
    Zeugenschaft war mir sogar wichtiger als meine Arbeit; da ich ja
    noch irgendeine allgemeine Wirkung erwartete, erhielt ich natür-
    lich eine große Anfeuerung, die nun für mich Einsamen vorbei ist.
    Damals aber war ich so stark, daß ich etwas tat, was unerhört ist,
    allen unsern Grundsätzen widerspricht und an das sich gewiß jeder
    Augenzeuge von damals als an etwas Unheimliches erinnert. Ich
    fand in der Wissenschaft, die sonst zu grenzenloser Spezialisierung
    strebt, in einer Hinsicht eine merkwürdige Vereinfachung. Sie
    lehrt, daß in der Hauptsache die Erde unsere Nahrung hervor-
    bringt, und gibt dann, nachdem sie diese Voraussetzung gemacht
    hat, die Methoden an, mit welchen sich die verschiedenen Speisen
    in bester Art und größter Fülle erreichen lassen. Nun ist es freilich
    richtig, daß die Erde die Nahrung hervorbringt, daran kann kein
    Zweifel sein, aber so einfach, wie es gewöhnlich dargestellt wird,
    jede weitere Untersuchung ausschließend, ist es nicht. Man nehme
    doch nur die primitivsten Vorfälle her, die sich täglich

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