Forschungen eines Hundes
eigentümlichen, oft
schon dem Nebenhund unverständlichen Berufen, festhaltend an
Vorschriften, die nicht die der Hundeschaft sind; ja, eher gegen sie
gerichtet. Was für schwierige Dinge das sind, Dinge, an die man
lieber nicht rührt – ich verstehe auch diesen Standpunkt, verstehe
ihn besser als den meinen –, und doch Dinge, denen ich ganz und
gar verfallen bin. Warum tue ich es nicht wie die anderen, lebe ein-
trächtig mit meinem Volke und nehme das, was die Eintracht stört,
stillschweigend hin, vernachlässige es als kleinen Fehler in der gro-
ßen Rechnung, und bleibe immer zugekehrt dem, was glücklich
bindet, nicht dem, was, freilich immer wieder unwiderstehlich, uns
aus dem Volkskreis zerrt.
Ich erinnere mich an einen Vorfall aus meiner Jugend, ich war
damals in einer jener seligen, unerklärlichen Aufregungen, wie sie
wohl jeder als Kind erlebt, ich war noch ein ganz junger Hund,
alles gefiel mir, alles hatte Bezug zu mir, ich glaubte, daß große
Dinge um mich vorgehen, deren Anführer ich sei, denen ich
meine Stimme leihen müsse, Dinge, die elend am Boden liegen-
bleiben müßten, wenn ich nicht für sie lief, für sie meinen Körper
schwenkte, nun, Phantasien der Kinder, die mit den Jahren sich
verflüchtigen. Aber damals waren sie stark, ich war ganz in ihrem
Bann, und es geschah dann auch freilich etwas Außerordentliches,
was den wilden Erwartungen Recht zu geben schien. An sich war
es nichts Außerordentliches, später habe ich solche und noch
merkwürdigere Dinge oft genug gesehen, aber damals traf es
mich mit dem starken, ersten, unverwischbaren, für viele folgende
richtunggebenden Eindruck. Ich begegnete nämlich einer kleinen
Hundegesellschaft, vielmehr, ich begegnete ihr nicht, sie kam auf
mich zu. Ich war damals lange durch die Finsternis gelaufen, in
Vorahnung großer Dinge – eine Vorahnung, die freilich leicht
täuschte, denn ich hatte sie immer –, war lange durch die Finsternis
gelaufen, kreuz und quer, blind und taub für alles, geführt von
nichts als dem unbestimmten Verlangen, machte plötzlich halt in
dem Gefühl, hier sei ich am rechten Ort, sah auf und es war über-
heller Tag, nur ein wenig dunstig, alles voll durcheinander wogen-
der, berauschender Gerüche, ich begrüßte den Morgen mit wirren
Lauten, da – als hätte ich sie heraufbeschworen – traten aus irgend-
welcher Finsternis unter Hervorbringung eines entsetzlichen
Lärms, wie ich ihn noch nie gehört hatte, sieben Hunde ans Licht.
Hätte ich nicht deutlich gesehen, daß es Hunde waren und daß sie
selbst diesen Lärm mitbrachten, obwohl ich nicht erkennen konn-
te, wie sie ihn erzeugten – ich wäre sofort weggelaufen, so aber
blieb ich. Damals wußte ich noch fast nichts von der nur dem
Hundegeschlecht verliehenen schöpferischen Musikalität, sie war
meiner sich erst langsam entwickelnden Beobachtungskraft bisher
natürlicherweise entgangen, hatte mich doch die Musik schon seit
meiner Säuglingszeit umgeben als ein mir selbstverständliches, un-
entbehrliches Lebenselement, welches von meinem sonstigen
Leben zu sondern nichts mich zwang, nur in Andeutungen, dem
kindlichen Verstand entsprechend, hatte man mich darauf hinzu-
weisen versucht, um so überraschender, geradezu niederwerfend
waren jene sieben großen Musikkünstler für mich. Sie redeten
nicht, sie sangen nicht, sie schwiegen im allgemeinen fast mit einer
großen Verbissenheit, aber aus dem leeren Raum zauberten sie die
Musik empor. Alles war Musik, das Heben und Niedersetzen ihrer
Füße, bestimmte Wendungen des Kopfes, ihr Laufen und ihr
Ruhen, die Stellungen, die sie zueinander einnahmen, die reigen-
mäßigen Verbindungen, die sie miteinander eingingen, indem
etwa einer die Vorderpfoten auf des anderen Rücken stützte und
sie sich dann so ordneten, daß der erste aufrecht die Last aller an-
dern trug, oder indem sie mit ihren nah am Boden hinschleichen-
den Körpern verschlungene Figuren bildeten und niemals sich irr-
ten; nicht einmal der letzte, der noch ein wenig unsicher war, nicht
immer gleich den Anschluß an die andern fand, gewissermaßen im
Anschlagen der Melodie manchmal schwankte, aber doch unsicher
war nur im Vergleich mit der großartigen Sicherheit der anderen
und selbst bei viel größerer, ja bei vollkommener Unsicherheit
nichts hätte verderben können, wo die anderen, große Meister, den
Takt unerschütterlich hielten. Aber man sah sie ja kaum, man sah
sie
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