Forschungen eines Hundes
können, die zu sehen mir oft mit Entzücken, übertriebe-
nem Entzücken allerdings, vergönnt war, und hätte ich denn, wenn
es sich mit mir nicht so verhielte, nicht viel mehr erreichen müssen.
Und daß ich den Drang zu schweigen habe, bedarf leider keines
besonderen Beweises. Ich bin also grundsätzlich nicht anders als
jeder andere Hund, darum wird mich trotz allen Meinungsverschie-
denheiten und Abneigungen im Grunde jeder anerkennen und ich
werde es mit jedem Hund nicht anders tun. Nur die Mischung der
Elemente ist verschieden, ein persönlich sehr großer, volklich be-
deutungsloser Unterschied. Und nun sollte die Mischung dieser
immer vorhandenen Elemente innerhalb der Vergangenheit und
Gegenwart niemals ähnlich der meinen ausgefallen sein und, wenn
man meine Mischung unglücklich nennen will, nicht auch noch
viel unglücklicher? Das wäre gegen alle übrige Erfahrung. In den
wunderbarsten Berufen sind wir Hunde beschäftigt. Berufe, an die
man gar nicht glauben würde, wenn man nicht die vertrauenswür-
digsten Nachrichten darüber hätte. Ich denke hier am liebsten an
das Beispiel der Lufthunde. Als ich zum erstenmal von einem hör-
te, lachte ich, ließ es mir auf keine Weise einreden. Wie? Es sollte
einen Hund von allerkleinster Art geben, nicht viel größer als mein
Kopf, auch im hohen Alter nicht größer, und dieser Hund, natür-
lich schwächlich, dem Anschein nach ein künstliches, unreifes,
übersorgfältig frisiertes Gebilde, unfähig, einen ehrlichen Sprung
zu tun, dieser Hund sollte, wie man erzählte, meistens hoch in der
Luft sich fortbewegen, dabei aber keine sichtbare Arbeit machen,
sondern ruhen. Nein, solche Dinge mir einreden wollen, das hieß
doch die Unbefangenheit eines jungen Hundes gar zu sehr ausnüt-
zen, glaubte ich. Aber kurz darauf hörte ich von anderer Seite von
einem anderen Lufthund erzählen. Hatte man sich vereinigt, mich
zum besten zu halten? Dann aber sah ich die Musikerhunde, und
von der Zeit an hielt ich es für möglich, kein Vorurteil beschränkte
meine Fassungskraft, den unsinnigsten Gerüchten ging ich nach,
verfolgte sie, soweit ich konnte, das Unsinnigste erschien mir in
diesem unsinnigen Leben wahrscheinlicher als das Sinnvolle und
für meine Forschung besonders ergiebig. So auch die Lufthunde.
Ich erfuhr vielerlei über sie, es gelang mir zwar bis heute nicht, ei-
nen zu sehen, aber von ihrem Dasein bin ich schon längst fest
überzeugt und in meinem Weltbild haben sie ihren wichtigen Platz.
Wie meistens so auch hier ist es natürlich nicht die Kunst, die mich
vor allem nachdenklich macht. Es ist wunderbar, wer kann das
leugnen, daß diese Hunde in der Luft zu schweben imstande sind,
im Staunen darüber bin ich mit der Hundeschaft einig. Aber viel
wunderbarer ist für mein Gefühl die Unsinnigkeit, die schweigen-
de Unsinnigkeit dieser Existenzen. Im allgemeinen wird sie gar
nicht begründet, sie schweben in der Luft, und dabei bleibt es, das
Leben geht weiter seinen Gang, hie und da spricht man von Kunst
und Künstlern, das ist alles. Aber warum, grundgütige Hunde-
schaft, warum nur schweben die Hunde? Welchen Sinn hat ihr
Beruf? Warum ist kein Wort der Erklärung von ihnen zu bekom-
men? Warum schweben sie dort oben, lassen die Beine, den Stolz
des Hundes verkümmern, sind getrennt von der nährenden Erde,
säen nicht und ernten doch, werden angeblich sogar auf Kosten der
Hundeschaft besonders gut genährt. Ich kann mir schmeicheln,
daß ich durch meine Fragen in diese Dinge doch ein wenig
Bewegung gebracht habe. Man beginnt zu begründen, eine Art
Begründung zusammenzuhaspeln, man beginnt, und wird aller-
dings auch über diesen Beginn nicht hinausgehen. Aber etwas ist
es doch. Und es zeigt sich dabei zwar nicht die Wahrheit – niemals
wird man soweit kommen –, aber doch etwas von der tiefen
Verwirrung der Lüge. Alle unsinnigen Erscheinungen unseres
Lebens und die unsinnigsten ganz besonders lassen sich nämlich
begründen. Nicht vollständig natürlich – das ist der teuflische
Witz –, aber um sich gegen peinliche Fragen zu schützen, reicht es
hin. Die Lufthunde wieder als Beispiel genommen: sie sind nicht
hochmütig, wie man zunächst glauben könnte, sie sind vielmehr
der Mithunde besonders bedürftig, versucht man sich in ihre Lage
zu versetzen, versteht man es. Sie müssen ja, wenn sie es schon
nicht offen tun können – das wäre Verletzung der Schweigepflicht – ,
so
Weitere Kostenlose Bücher