Forschungen eines Hundes
wiederho-
len. Wenn wir gänzlich untätig wären, wie ich es nun schon fast
bin, nach flüchtiger Bodenbearbeitung uns zusammenrollten und
warteten, was kommt, so würden wir allerdings, vorausgesetzt,
daß sich überhaupt etwas ergeben würde, die Nahrung auf der
Erde finden. Aber das ist doch nicht der Regelfall. Wer sich nur
ein wenig Unbefangenheit gegenüber der Wissenschaft bewahrt
hat – und deren sind freilich wenige, denn die Kreise, welche die
Wissenschaft zieht, werden immer größer – wird, auch wenn er gar
nicht auf besondere Beobachtungen ausgeht, leicht erkennen, daß
der Hauptteil der Nahrung, die dann auf der Erde liegt, von oben
herabkommt, wir fangen ja je nach unserer Geschicklichkeit und
Gier das meiste sogar ab, ehe es die Erde berührt. Damit sage ich
noch nichts gegen die Wissenschaft, die Erde bringt ja auch diese
Nahrung natürlich hervor. Ob sie die eine aus sich herauszieht oder
die andere aus der Höhe herabruft, ist ja vielleicht kein wesentlicher
Unterschied, und die Wissenschaft, welche festgestellt hat, daß in
beiden Fällen Bodenbearbeitung nötig ist, muß sich vielleicht
mit jenen Unterscheidungen nicht beschäftigen, heißt es doch:
»Hast du den Fraß im Maul, so hast du für diesmal alle Fragen
gelöst.« Nur scheint es mir, daß die Wissenschaft sich in verhüllter
Form doch wenigstens teilweise mit diesen Dingen beschäftigt,
da sie ja doch zwei Hauptmethoden der Nahrungsbeschaffung
kennt, nämlich die eigentliche Bodenbearbeitung und dann die
Ergänzungs-Verfeinerungs-Arbeit in Form von Spruch, Tanz und
Gesang. Ich finde darin eine zwar nicht vollständige, aber doch ge-
nug deutliche, meiner Unterscheidung entsprechende Zweiteilung.
Die Bodenbearbeitung dient meiner Meinung nach zur Erzielung
von beiderlei Nahrung und bleibt immer unentbehrlich, Spruch,
Tanz und Gesang aber betreffen weniger die Bodennahrung im
engeren Sinn, sondern dienen hauptsächlich dazu, die Nahrung
von oben herabzuziehen. In dieser Auffassung bestärkt mich die
Tradition. Hier scheint das Volk die Wissenschaft richtigzustellen,
ohne es zu wissen und ohne daß die Wissenschaft sich zu weh-
ren wagt. Wenn, wie die Wissenschaft will, jene Zeremonien nur
dem Boden dienen sollten, etwa um ihm die Kraft zu geben, die
Nahrung von oben zu holen, so müßten sie sich doch folgerichtig
völlig am Boden vollziehen, dem Boden müßte alles zugeflüstert,
vorgesprungen, vorgetanzt werden. Die Wissenschaft verlangt wohl
auch meines Wissens nichts anderes. Und nun das Merkwürdige,
das Volk richtet sich mit allen seinen Zeremonien in die Höhe. Es
ist dies keine Verletzung der Wissenschaft, sie verbietet es nicht,
läßt dem Landwirt darin die Freiheit, sie denkt bei ihren Lehren
nur an den Boden, und führt der Landwirt ihre auf den Boden sich
beziehenden Lehren aus, ist sie zufrieden, aber ihr Gedankengang
sollte meiner Meinung nach eigentlich mehr verlangen. Und ich,
der ich niemals tiefer in die Wissenschaft eingeweiht worden bin,
kann mir gar nicht vorstellen, wie die Gelehrten es dulden kön-
nen, daß unser Volk, leidenschaftlich wie es nun einmal ist, die
Zaubersprüche aufwärts ruft, unsere alten Volksgesänge in die
Lüfte klagt und Sprungtänze aufführt, als ob es sich, den Boden
vergessend, für immer emporschwingen wollte. Von der Betonung
dieser Widersprüche ging ich aus, ich beschränkte mich, wann im-
mer nach den Lehren der Wissenschaft die Erntezeit sich näherte,
völlig auf den Boden, ich scharrte ihn im Tanz, ich verdrehte den
Kopf, um nur dem Boden möglichst nahe zu sein. Ich machte mir
später eine Grube für die Schnauze und sang so und deklamierte,
daß nur der Boden es hörte und niemand sonst neben oder über
mir.
Die Forschungsergebnisse waren gering. Manchmal bekam
ich das Essen nicht und schon wollte ich jubeln über meine
Entdeckung, aber dann kam das Essen doch wieder, so als wäre
man zuerst beirrt gewesen durch meine sonderbare Aufführung, er-
kenne aber jetzt den Vorteil, den sie bringt, und verzichte gern auf
meine Schreie und Sprünge. Oft kam das Essen sogar reichlicher
als früher, aber dann blieb es doch auch wieder gänzlich aus. Ich
machte mit einem Fleiß, der an jungen Hunden bisher unbekannt
gewesen war, genaue Aufstellungen aller meiner Versuche, glaubte
schon hie und da eine Spur zu finden, die mich weiter führen könn-
te, aber dann verlief sie sich doch wieder ins Unbestimmte. Es kam
mir
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