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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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doch auf irgendeine andere Art für ihre Lebensweise Verzeihung
    zu erlangen suchen oder wenigstens von ihr ablenken, sie vergessen
    machen – sie tun das, wie man mir erzählt, durch eine fast uner-
    trägliche Geschwätzigkeit. Immerfort haben sie zu erzählen, teils
    von ihren philosophischen Überlegungen, mit denen sie sich, da sie
    auf körperliche Anstrengung völlig verzichtet haben, fortwährend
    beschäftigen können, teils von den Beobachtungen, die sie von ih-
    rem erhöhten Standort aus machen. Und obwohl sie sich, was bei
    einem solchen Lotterleben selbstverständlich ist, durch Geisteskraft
    nicht sehr auszeichnen, und ihre Philosophie so wertlos ist wie ihre
    Beobachtungen, und die Wissenschaft kaum etwas davon verwen-
    den kann und überhaupt auf so jämmerliche Hilfsquellen nicht
    angewiesen ist, trotzdem wird man, wenn man fragt, was die
    Lufthunde überhaupt wollen, immer wieder zur Antwort bekom-
    men, daß sie zur Wissenschaft viel beitragen. »Das ist richtig«, sagt
    man darauf, »aber ihre Beiträge sind wertlos und lästig.« Die weite-
    re Antwort ist Achselzucken, Ablenkung, Ärger oder Lachen, und
    in einem Weilchen, wenn man wieder fragt, erfährt man doch
    wiederum, daß sie zur Wissenschaft beitragen, und schließlich,
    wenn man nächstens gefragt wird und sich nicht sehr beherrscht,
    antwortet man das Gleiche. Und vielleicht ist es auch gut, nicht
    allzu hartnäckig zu sein und sich zu fügen, die schon bestehenden
    Lufthunde nicht in ihrer Lebensberechtigung anzuerkennen, was
    unmöglich ist, aber doch zu dulden. Aber mehr darf man nicht
    verlangen, das ginge zu weit, und man verlangt es doch. Man ver-
    langt die Duldung immer neuer Lufthunde, die heraufkommen.
    Man weiß gar nicht genau, woher sie kommen. Vermehren sie sich
    durch Fortpflanzung? Haben sie denn noch die Kraft dazu, sie
    sind ja nicht viel mehr als ein schönes Fell, was soll sich hier fort-
    pflanzen? Auch wenn das Unwahrscheinliche möglich wäre, wann
    sollte es geschehen? Immer sieht man sie doch allein, selbstgenüg-
    sam oben in der Luft, und wenn sie einmal zu laufen sich herablas-
    sen, geschieht es nur ein kleines Weilchen lang, ein paar gezierte
    Schritte und immer wieder nur streng allein und in angeblichen
    Gedanken, von denen sie sich, selbst wenn sie sich anstrengen,
    nicht losreißen können, wenigstens behaupten sie das. Wenn sie
    sich aber nicht fortpflanzen, wäre es denkbar, daß sich Hunde fin-
    den, welche freiwillig das ebenerdige Leben aufgeben, freiwillig
    Lufthunde werden und um den Preis der Bequemlichkeit und einer
    gewissen Kunstfertigkeit dieses öde Leben dort auf den Kissen
    wählen? Das ist nicht denkbar, weder Fortpflanzung, noch freiwil-
    liger Anschluß ist denkbar. Die Wirklichkeit aber zeigt, daß es
    doch immer wieder neue Lufthunde gibt; daraus ist zu schließen,
    daß, mögen auch die Hindernisse unserem Verstande unüber-
    windbar scheinen, eine einmal vorhandene Hundeart, sei sie auch
    noch so sonderbar, nicht ausstirbt, zumindest nicht leicht, zumin-
    dest nicht ohne daß in jeder Art etwas wäre, das sich erfolgreich
    wehrt.
    Muß ich das, wenn es für eine so abseitige, sinnlose, äußerlich
    allersonderbarste, lebensunfähige Art wie die der Lufthunde gilt,
    nicht auch für meine Art annehmen? Dabei bin ich äußerlich gar
    nicht sonderbar, gewöhnlicher Mittelstand, der wenigstens hier in
    der Gegend sehr häufig ist, durch nichts besonders hervorragend,
    durch nichts besonders verächtlich, in meiner Jugend und noch
    teilweise im Mannesalter, solange ich mich nicht vernachlässigte
    und viel Bewegung hatte, war ich sogar ein recht hübscher Hund.
    Besonders meine Vorderansicht wurde gelobt, die schlanken Beine,
    die schöne Kopfhaltung, aber auch mein grau-weiß-gelbes, nur
    in den Haarspitzen sich ringelndes Fell war sehr gefällig, das al-
    les ist nicht sonderbar, sonderbar ist nur mein Wesen, aber auch
    dieses ist, wie ich niemals außer acht lassen darf, im allgemeinen
    Hundewesen wohl begründet. Wenn nun sogar der Lufthund
    nicht allein bleibt, hier und dort in der großen Hundewelt immer
    wieder sich einer findet und sie sogar aus dem Nichts immer wieder
    neuen Nachwuchs holen, dann kann auch ich der Zuversicht leben,
    daß ich nicht verloren bin. Freilich ein besonderes Schicksal müs-
    sen meine Artgenossen haben, und ihr Dasein wird mir niemals
    sichtbar helfen, schon deshalb nicht, weil ich sie kaum je erkennen
    werde. Wir sind die, welche das Schweigen

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