Forschungen eines Hundes
doch auf irgendeine andere Art für ihre Lebensweise Verzeihung
zu erlangen suchen oder wenigstens von ihr ablenken, sie vergessen
machen – sie tun das, wie man mir erzählt, durch eine fast uner-
trägliche Geschwätzigkeit. Immerfort haben sie zu erzählen, teils
von ihren philosophischen Überlegungen, mit denen sie sich, da sie
auf körperliche Anstrengung völlig verzichtet haben, fortwährend
beschäftigen können, teils von den Beobachtungen, die sie von ih-
rem erhöhten Standort aus machen. Und obwohl sie sich, was bei
einem solchen Lotterleben selbstverständlich ist, durch Geisteskraft
nicht sehr auszeichnen, und ihre Philosophie so wertlos ist wie ihre
Beobachtungen, und die Wissenschaft kaum etwas davon verwen-
den kann und überhaupt auf so jämmerliche Hilfsquellen nicht
angewiesen ist, trotzdem wird man, wenn man fragt, was die
Lufthunde überhaupt wollen, immer wieder zur Antwort bekom-
men, daß sie zur Wissenschaft viel beitragen. »Das ist richtig«, sagt
man darauf, »aber ihre Beiträge sind wertlos und lästig.« Die weite-
re Antwort ist Achselzucken, Ablenkung, Ärger oder Lachen, und
in einem Weilchen, wenn man wieder fragt, erfährt man doch
wiederum, daß sie zur Wissenschaft beitragen, und schließlich,
wenn man nächstens gefragt wird und sich nicht sehr beherrscht,
antwortet man das Gleiche. Und vielleicht ist es auch gut, nicht
allzu hartnäckig zu sein und sich zu fügen, die schon bestehenden
Lufthunde nicht in ihrer Lebensberechtigung anzuerkennen, was
unmöglich ist, aber doch zu dulden. Aber mehr darf man nicht
verlangen, das ginge zu weit, und man verlangt es doch. Man ver-
langt die Duldung immer neuer Lufthunde, die heraufkommen.
Man weiß gar nicht genau, woher sie kommen. Vermehren sie sich
durch Fortpflanzung? Haben sie denn noch die Kraft dazu, sie
sind ja nicht viel mehr als ein schönes Fell, was soll sich hier fort-
pflanzen? Auch wenn das Unwahrscheinliche möglich wäre, wann
sollte es geschehen? Immer sieht man sie doch allein, selbstgenüg-
sam oben in der Luft, und wenn sie einmal zu laufen sich herablas-
sen, geschieht es nur ein kleines Weilchen lang, ein paar gezierte
Schritte und immer wieder nur streng allein und in angeblichen
Gedanken, von denen sie sich, selbst wenn sie sich anstrengen,
nicht losreißen können, wenigstens behaupten sie das. Wenn sie
sich aber nicht fortpflanzen, wäre es denkbar, daß sich Hunde fin-
den, welche freiwillig das ebenerdige Leben aufgeben, freiwillig
Lufthunde werden und um den Preis der Bequemlichkeit und einer
gewissen Kunstfertigkeit dieses öde Leben dort auf den Kissen
wählen? Das ist nicht denkbar, weder Fortpflanzung, noch freiwil-
liger Anschluß ist denkbar. Die Wirklichkeit aber zeigt, daß es
doch immer wieder neue Lufthunde gibt; daraus ist zu schließen,
daß, mögen auch die Hindernisse unserem Verstande unüber-
windbar scheinen, eine einmal vorhandene Hundeart, sei sie auch
noch so sonderbar, nicht ausstirbt, zumindest nicht leicht, zumin-
dest nicht ohne daß in jeder Art etwas wäre, das sich erfolgreich
wehrt.
Muß ich das, wenn es für eine so abseitige, sinnlose, äußerlich
allersonderbarste, lebensunfähige Art wie die der Lufthunde gilt,
nicht auch für meine Art annehmen? Dabei bin ich äußerlich gar
nicht sonderbar, gewöhnlicher Mittelstand, der wenigstens hier in
der Gegend sehr häufig ist, durch nichts besonders hervorragend,
durch nichts besonders verächtlich, in meiner Jugend und noch
teilweise im Mannesalter, solange ich mich nicht vernachlässigte
und viel Bewegung hatte, war ich sogar ein recht hübscher Hund.
Besonders meine Vorderansicht wurde gelobt, die schlanken Beine,
die schöne Kopfhaltung, aber auch mein grau-weiß-gelbes, nur
in den Haarspitzen sich ringelndes Fell war sehr gefällig, das al-
les ist nicht sonderbar, sonderbar ist nur mein Wesen, aber auch
dieses ist, wie ich niemals außer acht lassen darf, im allgemeinen
Hundewesen wohl begründet. Wenn nun sogar der Lufthund
nicht allein bleibt, hier und dort in der großen Hundewelt immer
wieder sich einer findet und sie sogar aus dem Nichts immer wieder
neuen Nachwuchs holen, dann kann auch ich der Zuversicht leben,
daß ich nicht verloren bin. Freilich ein besonderes Schicksal müs-
sen meine Artgenossen haben, und ihr Dasein wird mir niemals
sichtbar helfen, schon deshalb nicht, weil ich sie kaum je erkennen
werde. Wir sind die, welche das Schweigen
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