Forschungen eines Hundes
hierbei unstrittig auch meine ungenügende wissenschaftliche
Vorbereitung in die Quere. Wo hatte ich die Bürgschaft, daß zum
Beispiel das Ausbleiben des Essens nicht durch mein Experiment,
sondern durch unwissenschaftliche Bodenbearbeitung bewirkt war,
und traf das zu, dann waren alle meine Schlußfolgerungen halt-
los. Unter gewissen Bedingungen hätte ich ein fast ganz präzises
Experiment erreichen können, wenn es mir nämlich gelungen wäre,
ganz ohne Bodenbearbeitung – einmal nur durch aufwärts gerich-
tete Zeremonie das Herabkommen des Essens und dann durch
ausschließliche Boden-Zeremonie das Ausbleiben des Essens zu
erreichen. Ich versuchte auch derartiges, aber ohne festen Glauben
und nicht mit vollkommenen Versuchsbedingungen, denn, mei-
ner unerschütterlichen Meinung nach, ist wenigstens eine gewisse
Bodenbearbeitung immer nötig und, selbst wenn die Ketzer, die es
nicht glauben, recht hätten, ließe es sich doch nicht beweisen, da
die Bodenbesprengung unter einem Drang geschieht und sich in
gewissen Grenzen gar nicht vermeiden läßt. Ein anderes, allerdings
etwas abseitiges Experiment glückte mir besser und machte einiges
Aufsehen. Anschließend an das übliche Abfangen der Nahrung aus
der Luft beschloß ich, die Nahrung zwar niederfallen zu lassen,
sie aber auch nicht abzufangen. Zu diesem Zwecke machte ich
immer, wenn die Nahrung kam, einen kleinen Luftsprung, der
aber immer so berechnet war, daß er nicht ausreichte; meistens fiel
sie dann doch stumpf-gleichgültig zu Boden und ich warf mich
wütend auf sie, in der Wut nicht nur des Hungers, sondern auch
der Enttäuschung. Aber in vereinzelten Fällen geschah doch etwas
anderes, etwas eigentlich Wunderbares, die Speise fiel nicht, son-
dern folgte mir in der Luft, die Nahrung verfolgte den Hungrigen.
Es geschah nicht lange, eine kurze Strecke nur, dann fiel sie doch
oder verschwand gänzlich oder – der häufigste Fall – meine Gier
beendete vorzeitig das Experiment und ich fraß die Sache auf.
Immerhin, ich war damals glücklich, durch meine Umgebung ging
ein Raunen, man war unruhig und aufmerksam geworden, ich fand
meine Bekannten zugänglicher meinen Fragen, in ihren Augen sah
ich irgendein Hilfe suchendes Leuchten, mochte es auch nur der
Widerschein meiner eigenen Blicke sein, ich wollte nichts anderes,
ich war zufrieden. Bis ich dann freilich erfuhr – und die anderen
erfuhren es mit mir – daß dieses Experiment in der Wissenschaft
längst beschrieben ist, viel großartiger schon gelungen als mir, zwar
schon lange nicht gemacht werden konnte wegen der Schwierigkeit
der Selbstbeherrschung, die es verlangt, aber wegen seiner angeb-
lichen wissenschaftlichen Bedeutungslosigkeit auch nicht wieder-
holt werden muß. Es beweise nur, was man schon wußte, daß
der Boden die Nahrung nicht nur gerade abwärts von oben holt,
sondern auch schräg, ja sogar in Spiralen. Da stand ich nun, aber
entmutigt war ich nicht, dazu war ich noch zu jung, im Gegenteil,
ich wurde dadurch aufgemuntert zu der vielleicht größten Leistung
meines Lebens. Ich glaubte der wissenschaftlichen Entwertung
meines Experimentes nicht, aber hier hilft kein Glauben, sondern
nur der Beweis, und den wollte ich antreten und wollte damit auch
dieses ursprünglich etwas abseitige Experiment ins volle Licht, in
den Mittelpunkt der Forschung stehen. Ich wollte beweisen, daß,
wenn ich vor der Nahrung zurückwich, nicht der Boden sie schräg
zu sich herabzog, sondern ich es war, der sie hinter mir her lockte.
Dieses Experiment konnte ich allerdings nicht weiter ausbauen,
den Fraß vor sich zu sehen und dabei wissenschaftlich zu experi-
mentieren, das hielt man für die Dauer nicht aus. Aber ich wollte
etwas anderes tun, ich wollte, solange ichs aushielt, völlig fasten,
allerdings dabei auch jeden Anblick der Nahrung, jede Verlockung
vermeiden. Wenn ich mich so zurückzog, mit geschlossenen Augen
liegenblieb, Tag und Nacht, weder um das Aufheben, noch um das
Abfangen der Nahrung mich kümmerte und, wie ich nicht zu be-
haupten wagte, aber leise hoffte, ohne alle sonstigen Maßnahmen,
nur auf die unvermeidliche unrationelle Bodenbesprengung und
stilles Aufsagen der Sprüche und Lieder hin (den Tanz wollte ich
unterlassen, um mich nicht zu schwächen) die Nahrung von oben
selbst herabkäme und, ohne sich um den Boden zu kümmern, an
mein Gebiß klopfen würde, um eingelassen zu werden, – wenn
dies geschah, dann
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