Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
hierbei unstrittig auch meine ungenügende wissenschaftliche
    Vorbereitung in die Quere. Wo hatte ich die Bürgschaft, daß zum
    Beispiel das Ausbleiben des Essens nicht durch mein Experiment,
    sondern durch unwissenschaftliche Bodenbearbeitung bewirkt war,
    und traf das zu, dann waren alle meine Schlußfolgerungen halt-
    los. Unter gewissen Bedingungen hätte ich ein fast ganz präzises
    Experiment erreichen können, wenn es mir nämlich gelungen wäre,
    ganz ohne Bodenbearbeitung – einmal nur durch aufwärts gerich-
    tete Zeremonie das Herabkommen des Essens und dann durch
    ausschließliche Boden-Zeremonie das Ausbleiben des Essens zu
    erreichen. Ich versuchte auch derartiges, aber ohne festen Glauben
    und nicht mit vollkommenen Versuchsbedingungen, denn, mei-
    ner unerschütterlichen Meinung nach, ist wenigstens eine gewisse
    Bodenbearbeitung immer nötig und, selbst wenn die Ketzer, die es
    nicht glauben, recht hätten, ließe es sich doch nicht beweisen, da
    die Bodenbesprengung unter einem Drang geschieht und sich in
    gewissen Grenzen gar nicht vermeiden läßt. Ein anderes, allerdings
    etwas abseitiges Experiment glückte mir besser und machte einiges
    Aufsehen. Anschließend an das übliche Abfangen der Nahrung aus
    der Luft beschloß ich, die Nahrung zwar niederfallen zu lassen,
    sie aber auch nicht abzufangen. Zu diesem Zwecke machte ich
    immer, wenn die Nahrung kam, einen kleinen Luftsprung, der
    aber immer so berechnet war, daß er nicht ausreichte; meistens fiel
    sie dann doch stumpf-gleichgültig zu Boden und ich warf mich
    wütend auf sie, in der Wut nicht nur des Hungers, sondern auch
    der Enttäuschung. Aber in vereinzelten Fällen geschah doch etwas
    anderes, etwas eigentlich Wunderbares, die Speise fiel nicht, son-
    dern folgte mir in der Luft, die Nahrung verfolgte den Hungrigen.
    Es geschah nicht lange, eine kurze Strecke nur, dann fiel sie doch
    oder verschwand gänzlich oder – der häufigste Fall – meine Gier
    beendete vorzeitig das Experiment und ich fraß die Sache auf.
    Immerhin, ich war damals glücklich, durch meine Umgebung ging
    ein Raunen, man war unruhig und aufmerksam geworden, ich fand
    meine Bekannten zugänglicher meinen Fragen, in ihren Augen sah
    ich irgendein Hilfe suchendes Leuchten, mochte es auch nur der
    Widerschein meiner eigenen Blicke sein, ich wollte nichts anderes,
    ich war zufrieden. Bis ich dann freilich erfuhr – und die anderen
    erfuhren es mit mir – daß dieses Experiment in der Wissenschaft
    längst beschrieben ist, viel großartiger schon gelungen als mir, zwar
    schon lange nicht gemacht werden konnte wegen der Schwierigkeit
    der Selbstbeherrschung, die es verlangt, aber wegen seiner angeb-
    lichen wissenschaftlichen Bedeutungslosigkeit auch nicht wieder-
    holt werden muß. Es beweise nur, was man schon wußte, daß
    der Boden die Nahrung nicht nur gerade abwärts von oben holt,
    sondern auch schräg, ja sogar in Spiralen. Da stand ich nun, aber
    entmutigt war ich nicht, dazu war ich noch zu jung, im Gegenteil,
    ich wurde dadurch aufgemuntert zu der vielleicht größten Leistung
    meines Lebens. Ich glaubte der wissenschaftlichen Entwertung
    meines Experimentes nicht, aber hier hilft kein Glauben, sondern
    nur der Beweis, und den wollte ich antreten und wollte damit auch
    dieses ursprünglich etwas abseitige Experiment ins volle Licht, in
    den Mittelpunkt der Forschung stehen. Ich wollte beweisen, daß,
    wenn ich vor der Nahrung zurückwich, nicht der Boden sie schräg
    zu sich herabzog, sondern ich es war, der sie hinter mir her lockte.
    Dieses Experiment konnte ich allerdings nicht weiter ausbauen,
    den Fraß vor sich zu sehen und dabei wissenschaftlich zu experi-
    mentieren, das hielt man für die Dauer nicht aus. Aber ich wollte
    etwas anderes tun, ich wollte, solange ichs aushielt, völlig fasten,
    allerdings dabei auch jeden Anblick der Nahrung, jede Verlockung
    vermeiden. Wenn ich mich so zurückzog, mit geschlossenen Augen
    liegenblieb, Tag und Nacht, weder um das Aufheben, noch um das
    Abfangen der Nahrung mich kümmerte und, wie ich nicht zu be-
    haupten wagte, aber leise hoffte, ohne alle sonstigen Maßnahmen,
    nur auf die unvermeidliche unrationelle Bodenbesprengung und
    stilles Aufsagen der Sprüche und Lieder hin (den Tanz wollte ich
    unterlassen, um mich nicht zu schwächen) die Nahrung von oben
    selbst herabkäme und, ohne sich um den Boden zu kümmern, an
    mein Gebiß klopfen würde, um eingelassen zu werden, – wenn
    dies geschah, dann

Weitere Kostenlose Bücher