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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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nach
    Darlegung alles dessen, Einsicht zu üben und sich selbst das
    Hungern zu verbieten. Also ein dreifaches Verbot statt des üblichen
    einen, und ich hatte es verletzt. Nun hätte ich ja wenigstens jetzt
    verspätet gehorchen und zu hungern aufhören können, aber mitten
    durch den Schmerz ging auch eine Verlockung weiter zu hungern,
    und ich folgte ihr lüstern, wie einem unbekannten Hund. Ich
    konnte nicht aufhören, vielleicht war ich auch schon zu schwach,
    um aufzustehen und in bewohnte Gegenden mich zu retten. Ich
    wälzte mich hin und her auf der Waldstreu, schlafen konnte ich
    nicht mehr, ich hörte überall Lärm, die während meines bisherigen
    Lebens schlafende Welt schien durch mein Hungern erwacht zu
    sein, ich bekam die Vorstellung, daß ich nie mehr werde fressen
    können, denn dadurch müßte ich die freigelassen lärmende Welt
    wieder zum Schweigen bringen, und das würde ich nicht imstande
    sein, den größten Lärm allerdings hörte ich in meinem Bauche, ich
    legte oft das Ohr an ihn und mußte entsetzte Augen gemacht ha-
    ben, denn ich konnte kaum glauben, was ich hörte. Und da es nun
    zu arg wurde, schien der Taumel auch meine Natur zu ergreifen,
    sie machte sinnlose Rettungsversuche, ich begann Speisen zu rie-
    chen, auserlesene Speisen, die ich längst nicht mehr gegessen hatte,
    Freuden meiner Kindheit –, ja, ich roch den Duft der Brüste mei-
    ner Mutter –, ich vergaß meinen Entschluß, Gerüchen Widerstand
    leisten zu wollen, oder richtiger, ich vergaß ihn nicht; mit dem
    Entschluß, so als sei es ein Entschluß, der dazu gehöre, schleppte
    ich mich nach allen Seiten, immer nur ein paar Schritte und
    schnupperte, so als möchte ich die Speise nur, um mich vor ihr zu
    hüten. Daß ich nichts fand, enttäuschte mich nicht, die Speisen
    waren da, nur waren sie immer ein paar Schritte zu weit, die Beine
    knickten mir vorher ein. Gleichzeitig allerdings wußte ich, daß gar
    nichts da war, daß ich die kleinen Bewegungen nur machte aus
    Angst vor dem endgültigen Zusammenbrechen auf einem Platz,
    den ich nicht mehr verlassen würde. Die letzten Hoffnungen
    schwanden, die letzten Verlockungen, elend würde ich hier zu-
    grunde gehen, was sollten meine Forschungen, kindliche Versuche
    aus kindlich glücklicher Zeit, hier und jetzt war Ernst, hier hätte
    die Forschung ihren Wert beweisen können, aber wo war sie? Hier
    war nur ein hilflos ins Leere schnappender Hund, der zwar noch
    krampfhaft eilig, ohne es zu wissen, immerfort den Boden be-
    sprengte, aber in seinem Gedächtnis aus dem ganzen Wust der
    Zaubersprüche nicht das Geringste mehr auftreiben konnte, nicht
    einmal das Verschen, mit dem sich die Neugeborenen unter ihre
    Mutter ducken. Es war mir, als sei ich hier nicht durch einen kur-
    zen Lauf von den Brüdern getrennt, sondern unendlich weit fort
    von allen, und als stürbe ich eigentlich gar nicht durch Hunger,
    sondern infolge meiner Verlassenheit. Es war doch ersichtlich, daß
    sich niemand um mich kümmerte, niemand unter der Erde, nie-
    mand auf ihr, niemand in der Höhe, ich ging an ihrer Gleich-
    gültigkeit zugrunde, ihre Gleichgültigkeit sagte: er stirbt, und so
    würde es geschehen. Und stimmte ich nicht bei? Sagte ich nicht
    das Gleiche? Hatte ich nicht diese Verlassenheit gewollt? Wohl, ihr
    Hunde, aber nicht um hier so zu enden, sondern um zur Wahrheit
    hinüber zu kommen, aus dieser Welt der Lüge, wo sich niemand
    findet, von dem man Wahrheit erfahren kann, auch von mir nicht,
    eingeborenem Bürger der Lüge. Vielleicht war die Wahrheit nicht
    allzuweit, und ich also nicht so verlassen, wie ich dachte, nicht von
    den anderen verlassen, nur von mir, der ich versagte und starb.
    Doch man stirbt nicht so eilig, wie ein nervöser Hund glaubt. Ich
    fiel nur in Ohnmacht, und als ich aufwachte und die Augen erhob,
    stand ein fremder Hund vor mir. Ich fühlte keinen Hunger, ich
    war sehr kräftig, in den Gelenken federte es meiner Meinung nach,
    wenn ich auch keinen Versuch machte, es durch Aufstehen zu er-
    proben. Ich sah an und für sich nicht mehr als sonst, ein schöner,
    aber nicht allzu ungewöhnlicher Hund stand vor mir, das sah ich,
    nichts anderes, und doch glaubte ich, mehr an ihm zu sehen als
    sonst. Unter mir lag Blut, im ersten Augenblick dachte ich, es sei
    Speise, ich merkte aber gleich, daß es Blut war, das ich ausgebro-
    chen hatte. Ich wandte mich davon ab und dem fremden Hunde
    zu. Er war mager, hochbeinig, braun, hie und da weiß gefleckt
    und

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