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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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völlig allein mit dem in den Eingeweiden brennen-
    den Hunger. »Das ist der Hunger«, sagte ich mir damals unzähli-
    gemal, so als wollte ich mich glauben machen, Hunger und ich
    seien noch immer zweierlei und ich könnte ihn abschütteln wie
    einen lästigen Liebhaber, aber in Wirklichkeit waren wir höchst
    schmerzlich Eines, und wenn ich mir erklärte: »Das ist der
    Hunger«, so war es eigentlich der Hunger, der sprach und sich da-
    mit über mich lustig machte. Eine böse, böse Zeit! Mich schauert,
    wenn ich an sie denke, freilich nicht nur wegen des Leides, das ich
    damals durchlebt habe, sondern vor allem deshalb, weil ich damals
    nicht fertig geworden bin, weil ich dieses Leiden noch einmal wer-
    de durchkosten müssen, wenn ich etwas erreichen will, denn das
    Hungern halte ich noch heute für das letzte und stärkste Mittel
    meiner Forschung. Durch das Hungern geht der Weg, das Höchste
    ist nur der höchsten Leistung erreichbar, wenn es erreichbar ist,
    und diese höchste Leistung ist bei uns freiwilliges Hungern. Wenn
    ich also jene Zeiten durchdenke – und für mein Leben gern wühle
    ich in ihnen – durchdenke ich auch die Zeiten, die mir drohen. Es
    scheint, daß man fast ein Leben verstreichen lassen muß, ehe man
    sich von einem solchen Versuch erholt, meine ganzen Mannesjahre
    trennen mich von jenem Hungern, aber erholt bin ich noch nicht.
    Ich werde, wenn ich nächstens das Hungern beginne, vielleicht
    mehr Entschlossenheit haben als früher, infolge meiner größeren
    Erfahrung und besseren Einsicht in die Notwendigkeit des
    Versuches, aber meine Kräfte sind geringer, noch von damals her,
    zumindest werde ich schon ermatten in der bloßen Erwartung der
    bekannten Schrecken. Mein schwächerer Appetit wird mir nicht
    helfen, er entwertet nur ein wenig den Versuch und wird mich
    wahrscheinlich noch zwingen, länger zu hungern, als es damals
    nötig gewesen wäre. Über diese und andere Voraussetzungen glau-
    be ich mir klar zu sein, an Vorversuchen hat es ja nicht gefehlt in
    dieser langen Zwischenzeit, oft genug habe ich das Hungern förm-
    lich angebissen, war aber noch nicht stark zum Äußersten, und die
    unbefangene Angriffslust der Jugend ist natürlich für immer dahin.
    Sie schwand schon damals inmitten des Hungerns. Mancherlei
    Überlegungen quälten mich. Drohend erschienen mir unsere
    Urväter. Ich halte sie zwar, wenn ich es auch öffentlich nicht zu
    sagen wage, für schuld an allem, sie haben das Hundeleben ver-
    schuldet, und ich konnte also ihren Drohungen leicht mit
    Gegendrohungen antworten, aber vor ihrem Wissen beuge ich
    mich, es kam aus Quellen, die wir nicht mehr kennen, deshalb
    würde ich auch, so sehr es mich gegen sie anzukämpfen drängt,
    niemals ihre Gesetze geradezu überschreiten, nur durch die
    Gesetzeslücken, für die ich eine besondere Witterung habe, schwär-
    me ich aus. Hinsichtlich des Hungerns berufe ich mich auf das
    berühmte Gespräch, im Laufe dessen einer unserer Weisen die
    Absicht aussprach, das Hungern zu verbieten, worauf ein Zweiter
    davon abriet mit der Frage: »Wer wird denn jemals hungern?« und
    der Erste sich überzeugen ließ und das Verbot zurückhielt. Nun
    entsteht aber wieder die Frage: »Ist nun das Hungern nicht eigent-
    lich doch verboten?« Die große Mehrzahl der Kommentatoren
    verneint sie, sieht das Hungern für freigegeben an, hält es mit dem
    zweiten Weisen und befürchtet deshalb auch von einer irrtümli-
    chen Kommentierung keine schlimmen Folgen. Dessen hatte ich
    mich wohl vergewissert, ehe ich mit dem Hungern begann. Nun
    aber, als ich mich im Hunger krümmte, schon in einiger Geistes-
    verwirrung immerfort bei meinen Hinterbeinen Rettung suchte
    und sie verzweifelt leckte, kaute, aussaugte, bis zum After hinauf,
    erschien mir die allgemeine Deutung jenes Gespräches ganz und
    gar falsch, ich verfluchte die kommentatorische Wissenschaft, ich
    verfluchte mich, der ich mich von ihr hatte irreführen lassen, das
    Gespräch enthielt ja, wie ein Kind erkennen mußte, freilich mehr
    als nur ein einziges Verbot des Hungerns, der erste Weise wollte
    das Hungern verbieten, was ein Weiser will, ist schon geschehen,
    das Hungern war also verboten, der zweite Weise stimmte ihm
    nicht nur zu, sondern hielt das Hungern sogar für unmöglich,
    wälzte also auf das erste Verbot noch ein zweites, das Verbot der
    Hundenatur selbst, der Erste erkannte dies an und hielt das aus-
    drückliche Verbot zurück, das heißt, er gebot den Hunden

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