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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Hervorkommen man allerdings, dies ist auch nicht zu ver-
    gessen, durch bestimmte Sprüche, Gesänge, Bewegungen be-
    schleunigen kann. Das ist aber meiner Meinung nach alles; von
    dieser Seite her ist über diese Sache grundsätzlich nicht mehr zu
    sagen. Hierin bin ich auch einig mit der ganzen Mehrzahl der
    Hundeschaft und von allen in dieser Hinsicht ketzerischen
    Ansichten wende ich mich streng ab. Wahrhaftig, es geht mir nicht
    um Besonderheiten, um Rechthaberei, ich bin glücklich, wenn ich
    mit den Volksgenossen übereinstimmen kann, und in diesem Falle
    geschieht es. Meine eigenen Unternehmungen gehen aber in ande-
    rer Richtung. Der Augenschein lehrt mich, daß die Erde, wenn sie
    nach den Regeln der Wissenschaft besprengt und bearbeitet wird,
    die Nahrung hergibt, und zwar in solcher Qualität, in solcher
    Menge, auf solche Art, an solchen Orten, zu solchen Stunden, wie
    es die gleichfalls von der Wissenschaft ganz oder teilweise festge-
    stellten Gesetze verlangen. Das nehme ich hin, meine Frage aber
    ist: »Woher nimmt die Erde diese Nahrung?« Eine Frage, die man
    im allgemeinen nicht zu verstehen vorgibt und auf die man mir
    bestenfalls antwortet: »Hast du nicht genug zu essen, werden wir
    dir von dem unseren geben.« Man beachte diese Antwort. Ich
    weiß: Es gehört nicht zu den Vorzügen der Hundeschaft, daß wir
    Speisen, die wir einmal erlangt haben, zur Verteilung bringen. Das
    Leben ist schwer, die Erde spröde, die Wissenschaft reich an
    Erkenntnissen, aber arm genug an praktischen Erfolgen; wer Speise
    hat, behält sie; das ist nicht Eigennutz, sondern das Gegenteil, ist
    Hundegesetz, ist einstimmiger Volksbeschluß, hervorgegangen aus
    Überwindung der Eigensucht, denn die Besitzenden sind ja immer
    in der Minderzahl. Und darum ist jene Antwort: »Hast du nicht
    genug zu essen, werden wir dir von dem unseren geben« eine stän-
    dige Redensart, ein Scherzwort, eine Neckerei. Ich habe das nicht
    vergessen. Aber eine um so größere Bedeutung hatte es für mich,
    daß man mir gegenüber, damals als ich mich mit meinen Fragen in
    der Welt umhertrieb, den Spott beiseiteließ – man gab mir zwar
    noch immer nichts zu essen – woher hätte man es gleich nehmen
    sollen –, und wenn man es gerade zufällig hatte, vergaß man na-
    türlich in der Raserei des Hungers jede andere Rücksicht, aber das
    Angebot meinte man ernst, und hie und da bekam ich dann wirk-
    lich eine Kleinigkeit, wenn ich schnell genug dabei war, sie an
    mich zu reißen. Wie kam es, daß man sich zu mir so besonders
    verhielt, mich schonte, mich bevorzugte? Weil ich ein magerer,
    schwacher Hund war, schlecht genährt und zu wenig um Nahrung
    besorgt? Aber es laufen viele schlecht genährte Hunde herum und
    man nimmt ihnen selbst die elendste Nahrung vor dem Mund weg,
    wenn man es kann, oft nicht aus Gier, sondern meist aus Grundsatz.
    Nein, man bevorzugte mich, ich konnte es nicht so sehr mit
    Einzelheiten belegen, als daß ich vielmehr den bestimmten
    Eindruck dessen hatte. Waren es also meine Fragen, über die man
    sich freute, die man für besonders klug ansah? Nein, man freute
    sich nicht und hielt sie alle für dumm. Und doch konnten es nur
    die Fragen sein, die mir die Aufmerksamkeit erwarben. Es war, als
    wolle man lieber das Ungeheuerliche tun, mir den Mund mit Essen
    zustopfen – man tat es nicht, aber man wollte es –, als meine
    Fragen dulden. Aber dann hätte man mich doch besser verjagen
    können und meine Fragen sich verbitten. Nein, das wollte man
    nicht, man wollte zwar meine Fragen nicht hören, aber gerade we-
    gen dieser meiner Fragen wollte man mich nicht verjagen. Es war,
    so sehr ich ausgelacht, als dummes, kleines Tier behandelt, hin-
    und hergeschoben wurde, eigentlich die Zeit meines größten
    Ansehens, niemals hat sich später etwas derartiges wiederholt,
    überall hatte ich Zutritt, nichts wurde mir verwehrt, unter dem
    Vorwand rauher Behandlung wurde mir eigentlich geschmeichelt.
    Und alles also doch nur wegen meiner Fragen, wegen meiner
    Ungeduld, wegen meiner Forschungsbegierde. Wollte man mich
    damit einlullen, ohne Gewalt, fast liebend mich von einem fal-
    schen Wege abbringen, von einem Wege, dessen Falschheit doch
    nicht so über allem Zweifel stand, daß sie erlaubt hätte, Gewalt
    anzuwenden? – Auch hielt eine gewisse Achtung und Furcht von
    Gewaltanwendung ab. Ich ahnte schon damals etwas derartiges,
    heute weiß ich es genau, viel genauer als die, welche es damals ta-
    ten, es ist

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