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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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wahr, man hat mich ablocken wollen von meinem Wege.
    Es gelang nicht, man erreichte das Gegenteil, meine Aufmerksamkeit
    verschärfte sich. Es stellte sich mir sogar heraus, daß ich es war, der
    die andern verlocken wollte, und daß mir tatsächlich die
    Verlockung bis zu einem gewissen Grade gelang. Erst mit Hilfe der
    Hundeschaft begann ich meine eigenen Fragen zu verstehen. Wenn
    ich zum Beispiel fragte: Woher nimmt die Erde diese Nahrung, –
    kümmerte mich denn dabei, wie es den Anschein haben konnte,
    die Erde, kümmerten mich etwa der Erde Sorgen? Nicht im ge-
    ringsten, das lag mir, wie ich bald erkannte, völlig fern, mich küm-
    merten nur die Hunde, gar nichts sonst. Denn was gibt es außer
    den Hunden? Wen kann man sonst anrufen in der weiten, leeren
    Welt? Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und aller Ant-
    worten ist in den Hunden enthalten. Wenn man nur dieses Wissen
    wirksam, wenn man es nur in den hellen Tag bringen könnte,
    wenn sie nur nicht so unendlich viel mehr wüßten, als sie zugeste-
    hen, als sie sich selbst zugestehen. Noch der redseligste Hund ist
    verschlossener, als es die Orte zu sein pflegen, wo die besten Speisen
    sind. Man umschleicht den Mithund, man schäumt vor Begierde,
    man prügelt sich selbst mit dem eigenen Schwanz, man fragt, man
    bittet, man heult, man beißt und erreicht – und erreicht das, was
    man auch ohne jede Anstrengung erreichen würde: liebevolles
    Anhören, freundliche Berührungen, ehrenvolle Beschnupperungen,
    innige Umarmungen, mein und dein Heulen mischt sich in eines,
    alles ist darauf gerichtet, ein Entzücken, Vergessen und Finden,
    aber das eine, was man vor allem erreichen wollte: Eingeständnis
    des Wissens, das bleibt versagt. Auf diese Bitte, ob stumm, ob laut,
    antworten bestenfalls, wenn man die Verlockung schon aufs äu-
    ßerste getrieben hat, nur stumpfe Mienen, schiefe Blicke, verhäng-
    te, trübe Augen. Es ist nicht viel anders, als es damals war, da ich
    als Kind die Musikerhunde anrief und sie schwiegen.
    Nun könnte man sagen: »Du beschwerst dich über deine
    Mithunde, über ihre Schweigsamkeit hinsichtlich der entschei-
    denden Dinge, du behauptest, sie wüßten mehr, als sie einge-
    stehen, mehr, als sie im Leben gelten lassen wollen, und dieses
    Verschweigen, dessen Grund und Geheimnis sie natürlich auch
    noch mitverschweigen, vergifte das Leben, mache es dir unerträg-
    lich, du müßtest es ändern oder es verlassen, mag sein, aber du
    bist doch selbst ein Hund, hast auch das Hundewissen, nun sprich
    es aus, nicht nur in Form der Frage, sondern als Antwort. Wenn
    du es aussprichst, wer wird dir widerstehen? Der große Chor der
    Hundeschaft wird einfallen, als hätte er darauf gewartet. Dann hast
    du Wahrheit, Klarheit, Eingeständnis, soviel du nur willst. Das
    Dach dieses niedrigen Lebens, dem du so Schlimmes nachsagst,
    wird sich öffnen und wir werden alle, Hund bei Hund, aufsteigen
    in die hohe Freiheit. Und sollte das Letzte nicht gelingen, sollte es
    schlimmer werden als bisher, sollte die ganze Wahrheit unerträgli-
    cher sein als die halbe, sollte sich bestätigen, daß die Schweigenden
    als Erhalter des Lebens im Rechte sind, sollte aus der leisen
    Hoffnung, die wir jetzt noch haben, völlige Hoffnungslosigkeit
    werden, des Versuches ist das Wort doch wert, da du so, wie du
    leben darfst, nicht leben willst. Nun also, warum machst du den
    anderen ihre Schweigsamkeit zum Vorwurf und schweigst selbst?«
    Leichte Antwort: Weil ich ein Hund bin. Im Wesentlichen genau
    so wie die anderen fest verschlossen, Widerstand leistend den ei-
    genen Fragen, hart aus Angst. Frage ich denn, genau genommen,
    zumindest seit ich erwachsen bin, die Hundeschaft deshalb, damit
    sie mir antwortet? Habe ich so törichte Hoffnungen? Sehe ich die
    Fundamente unseres Lebens, ahne ihre Tiefe, sehe die Arbeiter
    beim Bau, bei ihrem finstern Werk, und erwarte noch immer, daß
    auf meine Fragen hin alles dies beendigt, zerstört, verlassen wird?
    Nein, das erwarte ich wahrhaftig nicht mehr. Ich verstehe sie, ich
    bin Blut von ihrem Blut, von ihrem armen, immer wieder jungen,
    immer wieder verlangenden Blut. Aber nicht nur das Blut haben
    wir gemeinsam, sondern auch das Wissen und nicht nur das Wissen,
    sondern auch den Schlüssel zu ihm. Ich besitze es nicht ohne die
    anderen, ich kann es nicht haben ohne ihre Hilfe. – Eisernen
    Knochen, enthaltend das edelste Mark, kann man nur beikommen
    durch ein gemeinsames Beißen aller Zähne aller

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