Forstchen, William
Rus geholt haben könnte, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Es könnte ein Irrläufer gewesen sein, der sich nur einmal geöffnet hat. Ich habe mir sogar überlegt, dass womöglich nur ein Tor existiert, irgendwo im Weltraum über der Erde. Während sich diese um ihre Achse dreht, zielt das Tor darüber ständig auf neue Stellen.«
Pat sah ihn aus großen Augen an. »Im Weltraum, sagst du? Na, wie bleibt es dann an einer Stelle offen?«
»Gar nicht. Es bewegt sich um die Erde.«
»Sei nicht albern! Da oben gibt es nichts außer den Sternen. Wie könnte irgendjemand etwas da hochkriegen? Du bist doof.«
Andrew hörte gar nicht richtig zu, als Emil und Pat eine Auseinandersetzung über die Tunnel begannen, während sie zugleich den restlichen Wodka verdrückten.
Verdammt, wie sehr ich die alten Tage vermisse, Hans!, dachte Andrew traurig. Du saßest in der Ecke und hieltest mit jedem Drink mit, den Pat hinunterkippte, sagtest gewöhnlich nichts, sahst nur zu, lächeltest zuzeiten, dachtest aber immer nach.
Die alten Tage … Komisch, die alten Tage sammelten sich zu Jahren voller erbarmungsloser Angst, in denen man der Katastrophe ins Gesicht blickte und wusste, dass man im Grunde keine Chance hatte zu überleben. Von den über fünfhundert Mann, die diesen Planeten durch den Tunnel betreten hatten – Angehörige des alten Fünfunddreißigsten Maine, der Vierundvierzigsten New Yorker Artillerie und der Mannschaft der Ogunquit-, waren weniger als zweihundert noch am Leben. Und von den Rus, die den Aufstand der Menschen auf diesem Planeten begonnen hatten, waren ebenfalls mehr als die Hälfte tot.
»Seltsam«, flüsterte Andrew.
»Was?«, fragte Emil und unterbrach so das Streitgespräch mit Pat, das mit einer zunehmend erlesenen Auswahl von Obszönitäten gewürzt wurde.
»Oh, es ist nur so, dass wir heute auf die Kriege zurückblicken und sie irgendwie vermissen.«
Emil nickte weise. »Ich schätze, wir werden älter. Verdammt, sogar unser Pat hier verliert allmählich seine blöden roten Haare und bekommt dafür graue.«
Pat streichelte sich den dichten Bart, der inzwischen mit langen weißen Strähnen durchsetzt war, und lachte. »Ah, aber die Mädels lieben ihn immer noch!«
»Wann wirst du dich jemals häuslich niederlassen und respektabel werden?«, fragte Emil.
»Niemals! Soll ich mich vielleicht mit drei kreischenden Bälgern rumschlagen wie Andrew hier? Kein Wunder, dass er diese Inspektionsreise machen wollte.«
Andrew lächelte. Jede Minute, die er ohne Kathleen und die drei Kleinen verbrachte, war eine Folter für ihn. Nein, er tat es nicht, um zu fliehen … Diese Fahrt diente der Aufgabe, etwas wiederzufinden.
»Vermisst du die alten Zeiten, Pat?«
Pat hielt sich die umgedrehte Flasche über den Mund, nachdem er sie Emil entrissen hatte, und bedachte den Doktor mit einem Ausdruck gespielten Zorns. Er verzog sich in seine Schlafkabine und kehrte eine Minute später mit einer vollen Wodkaflasche zurück. Er öffnete sie, nahm einen tiefen Schluck und gab sie an Emil weiter.
»Ah, das waren vielleicht Zeiten! Wie wir die Nordflanke mit dem Vierten Korps abgeschirmt haben, um den Rückzug zu decken. Und dieser erste Tag bei Hispania, das war vielleicht ein Kampf, auf den wir stolz sein können!«
»Aber vermisst du das?«
»Schätze, es ist der irische Einschlag, kein Vertun! Ich vermisse es, Himmel, wie ich diese Zeit vermisse! Ich vermisse den ewig kauenden Hans und meine Schönheiten, meine napoleonischen Zwölfpfünder. Sie batterieweise abzufeuern und diesen Heiden Doppelkartätschen in die Hälse zu rammen, das war vielleicht ein denkwürdiger Augenblick!«
Andrew blickte den alten Freund an und lächelte.
»Und du, Andrew?«, fragte Emil leise, und die Worte klangen nach einem weiteren Schluck aus Pats Flasche gleich weniger deutlich.
»Ich weiß es nicht mehr«, antwortete Andrew. »In jener ganzen Zeit habe ich mir nur ein Ende der Kämpfe gewünscht. Gott weiß – und jetzt kann ich es aussprechen, egal was ich damals sagte oder tat –, wie ich gefürchtet habe, dass wir am Ende besiegt würden. Mehr als alles andere habe ich dafür gekämpft, meinen Freunden und Kathleen etwas mehr Zeit zum Leben au geben; meine Tochter und jetzt meine beiden Jungs sollten eine Chance haben.
Aber was mich selbst angeht …« Er zögerte. »Ich kam mir vor wie ein Opfer, fühlte mich wie jemand, der für andere verzehrt wurde. Ich habe mich nie so begeistert wie du, Pat.«
»Aber jetzt
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