Fortunas Odyssee (German Edition)
auf dem die Zahlen standen, mit denen er im Lotto gewonnen hatte.
»Dieser Zettel dürfte längst nicht mehr existieren. Was bringt es, ihn anzustarren, Greg?«, fragte meine Mutter, als sie sich neben ihn setzte.
Aber er schüttelte nur den Kopf, während er stumm die Zahlen betrachtete, die ihm gleichzeitig Glück und Pech beschieden hatten.
»Wach auf, mein Lieber! Warum bist du immer noch traurig über etwas, das du verloren hast, ohne es je besessen zu haben? Was du nie hattest, hast du auch nicht verloren! Kriegst du das nicht in deinen Kopf?«
Er saß weiterhin stumm auf dem Bett und starrte auf den Zettel.
Nach einigen Sekunden brach sie wieder das Schweigen.
»Warum arbeitest du nicht?«
»Ich habe keine Arbeit mehr.«
Sie tat so, als sei sie nicht überrascht, und stand auf, um die Vorhänge zu öffnen und auf die Straße zu schauen.
»Es ist so ein wunderbarer Tag. Das Leben ist schön, warum sollen wir also traurig sein? Bald hast du wieder neue Arbeit.«
Ich trat ans Fenster und sah, dass der Tag nicht so wunderbar war, wie sie meinte. Die Sonne war hinter den Wolken verborgen und es sah aus, als würde es bald regnen. Aber so ist das Universum der Frauen, sie erkennen in allem die gute Seite. Und nichts beeindruckt uns mehr als die Erhabenheit einer Frau.
Mein Vater schüttelte leicht seinen Kopf und steckte den Zettel in dieselbe Tasche wie immer. Er verzog das Gesicht und verließ das Zimmer.
Der neue Pfarrer der Stadtkirche kam in die Schule und weckte die Aufmerksamkeit der Kinder, indem er alle Klassen besuchte. Er trug einen schwarzen Talar und einen ebenso schwarzen großen Hut, den er auf dem Tisch der Direktorin ablegte. Er war ziemlich hoch gewachsen, korpulent und lief mit gewichtigen Schritten herum.
Nachdem sich Padre Benedito den Schülern vorgestellt hatte, schrieb die Lehrerin die Namen der katholischen Schüler auf, die noch nicht die erste Kommunion erhalten hatten. Wer einer anderen Religion angehörte, kam nicht auf die Liste. Wenn die Eltern eines Kindes keine Religion angegeben hatten, wurden sie vom Pastor, der uneingeladen ihre Häuser aufsuchte dafür zur Rede gestellt. Da mein Bruder und ich keiner Religion angehörten, standen wir auf seiner schwarzen Liste. Eine Woche später besuchte er unser Haus und klatschte in die Hände, um sich bemerkbar zu machen. Beim Eintreten fuhr er mit seiner Hand über das Holz der Standuhr und betrachtete Möbel und Fotos, während meine Mutter Kaffee und ein Stück Kuchen für ihn holte.
Der Pastor aß, während er das Zimmer mit einem Blick musterte, als wolle er nicht glauben, dass es in diesem Städtchen ein so gut ausgestattetes Haus gab. Papa verdiente nicht schlecht, er mochte den Komfort und war immer um das Wohlergehen seiner Familie bemüht. Unser Haus war wirklich wohnlich eingerichtet und es roch nicht unangenehm wie in so vielen Häusern, die noch von Kerosinlampen erleuchtet wurden.
»Wir haben keine Religion, Pastor, weil wir dafür keine Notwendigkeit sehen.«
»Aber meine Dame, Sie können nicht als Heidin sterben. Sie müssen sich zum Glauben in Christus bekennen.«
Meine Mutter war nachdenklich und ich fühlte, dass sie nicht mit ihm einer Meinung war.
»Ich stimme einigen Dingen nicht zu, die von der Religion gepredigt werden und kann sie deswegen meinen Kindern nicht aufzwingen. Wenn ich mit etwas nicht übereinstimme, kann ich es nicht für meine Kinder wollen.«
»Das stimmt, aber Kriminalität, fehlende Nächstenliebe und andere, noch schlimmere Dinge existieren nur, weil Gott nicht gegenwärtig ist.«
»Mein Mann und ich sind nicht kriminell und waren es nie. Wir erziehen unsere Kinder gut und legen Wert auf Nächstenliebe, Respekt und Ehrlichkeit. Dass sie nicht getauft sind, heißt das nicht, dass sie später Verbrecher werden.« Sie machte eine Pause, schaute zur Decke und fuhr fort: »Ich möchte nicht unhöflich zu Ihnen sein, ich respektiere Ihren Standpunkt, aber…«
»Lassen Sie die Kinder in die Kirche gehen. Wenn es ihnen nicht gefällt, brauchen sie nicht zu bleiben!«, schlug ihr dieser ungefähr fünfzigjährige Mann vor.
Als Mama in die Küche ging, um mehr Kaffee zu holen, spähte er den Flur und Papas Arbeitszimmer aus. Er zog sich erst wieder schnell ins Wohnzimmer zurück, als er Mamas Schritte vernahm.
Ich mochte nicht, was ich da gesehen hatte und war empört über diese Szene.
Ich nehme vorweg, dass Fred und Tim von der nächsten Woche an regelmäßig in die Kirche gingen
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