Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
Vom Netzwerk:
Abenteuern am Wasserfall erzählen, wo er die ersten Schwimmzüge gelernt hatte. Und heute sei er einer der Sieger der Jugendspiele. Er würde erzählen, dass Roger immer sein großes Vorbild gewesen sei und dass er ihn mehrfach im Fernsehen bei seinem »besten Freund« Gil gesehen hätte, was natürlich Unsinn war. Er würde ihm seine Modellautokollektion zeigen, und Roger würde von den vielen Fotos und Zeitungsausschnitten begeistert sein, die überall an den Zimmerwänden hingen und ihn entweder mit breitem Lächeln vor verschiedenen Schwimmbecken zeigten oder zusammen mit irgendwelchen Sportfunktionären.
    Roger würde seine Autogramme überall hinterlassen, auf Papier, Kleidung, Blumenvasen, Betttüchern, Tischdecken, auf Terezas Schürze, auf Schulheften, auf dem Spiegel über der Kommode und auf allen Autos seiner Sammlung. Er würde versprechen, bald wiederzukommen, und Tim würde von allen in der Schule bewundert werden. João würde nie mehr seine Früchte und Kuchen klauen, um sie anschließend auf dem Boden zu zertreten. Im Gegenteil, er würde alles tun, um seine Freundschaft zu gewinnen.
    Tim stand weiter mit geschlossenen Augen da, während der Mann seine Hand ausstreckte, um ihm zu gratulieren. Mama stieß ihn mit dem Finger an.
    »Hallo Tim«, sagte der Abgeordnete.
    »Noch einmal, herzlichen Glückwunsch«, wiederholte der Mann, »wir sind sehr stolz auf dich.«
    Tim zwang sich zu einem Lächeln, und Mama bemerkte in diesem Moment seine exorbitante Enttäuschung.
    Sie umarmte ihn, nachdem sie ihm die Goldmedaille umgehängt hatte.
    Die anderen Wettbewerbe begannen und Tim posierte für verschiedene Fotos.
    Der Fotograf korrigierte Hüte und Kragen, berührte die Leute am Kinn und brachte sie in Positur. Dann ging er zu seinem seinen Apparat und schoss mehrere Aufnahmen – alle in schwarz-weiß.
    »Wo sind Papa und Fred?«
    »Fred ist in der Kirche und dein Papa… Er hat sich nicht gut gefühlt und ist im Bett geblieben.«
    Ihre Stimme kam mir seltsam vor und ich ging nach Hause. Papa lag im Bett, sein Bart war etwas gewachsen, er hatte ein bleiches Gesicht und einen leeren Blick. Es war ein herrlicher Tag, der Vorhang war teilweise geöffnet und gab den Blick auf den höchsten Berggipfel frei den man von hier aus sehen konnte. Er starrte lange Zeit aus dem Fenster. Dann fasste er sich an seinen Unterleib, stöhnte und schaute wieder aus dem Fenster. Ich ging um sein Bett herum, hob sein Hemd an und sah, dass sein Bauch angeschwollen war. Mein armer Papa!
    Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich zur Schule zurückkehrte. Ich sah, wie Tereza in der Küche Gemüse für das Abendessen kleinschnitt. Ich gab auch ihr einen Kuss und einen kräftigen Klaps auf den Hintern.
    »Tim, ich muss nach Hause. Deinem Vater geht es nicht gut, er braucht mich sicherlich.« Mama hielt seine Hand und lächelte ihn an. »Aber ich habe gehört, dass Roger Ray mit allen Siegern schwimmen wird, alle werden im Schwimmbecken feiern.«
    »Er wird schwimmen?«
    »Ja. Aber Junge, ich kann leider nicht länger hier bleiben. Erzähl’ uns hinterher, wie es war, okay? Und was die Fotos betrifft – ich habe mit dem Fotografen gesprochen, und er hat mir gesagt, dass sie in nur einem Monat fertig sein werden und dass er uns zwei davon schicken wird.«
    »Ja, Mama, danke.«
    Sie ging eilig weg, und er überlegte sich, wie er in die Nähe seines Idols gelangen könnte.
    Tim stellte sich in eine endlose Schlange von Kindern, die ein Autogramm ergattern wollten, aber im Gegensatz zu ihm waren alle in Begleitung ihrer Eltern. Er hatte sich kaum in die Schlange gestellt, als João und seine Vater ankamen und ihn einfach zur Seite stießen. Er wollte aufgeben, aber dann drängelte er sich wieder vor die beiden, um zu zeigen, dass er sich nicht einschüchtern ließ.
    An der Tür regelte ein großer Mann mit schweren Händen den Eintritt der Menschen. Als Tim an der Reihe war, legte das Kraftpaket die Hand auf seinen Kopf.
    »Moment mal, Junge. Wo ist dein Vater?«
    »Zu Hause.«
    Von der Stelle aus, an der er stand, konnte er den Eingang des Zimmers der Direktorin nicht sehen. Er erinnerte sich an die Momente, die er dort verbracht hatte. Einmal hatte er eine Papierkugel zurückgeworfen, die João gegen ihn abgefeuert hatte. Die Lehrerin hatte aber nur ihn erwischt und ihn zu einer sehr unangenehmen Unterhaltung zur Direktorin geschleppt. Ein anderes Mal musste er dort einen Bleistiftstummel gegen einen neuen umtauschen. Die

Weitere Kostenlose Bücher