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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
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Namen unserer Stadt vergessen.
    »Madrigal«, flüsterte ihm der Bürgermeister ins Ohr.
    »Natürlich! Entschuldigen Sie… Madrigal…«
    Einige Pfiffe waren zu hören.
    »Also, …« Er versuchte weiterzusprechen, aber eine Biene flog um seinen Kopf herum, woraufhin er wie ein Hampelmann auf der Bühne herumzappelte.
    Er hüpfte, schimpfte und schlug mit den Händen um sich. Die anderen Leute auf der Bühne schauten nur regungslos zu, während sich das Publikum vor Lachen bog. Auch der Hexer amüsierte sich königlich.
    Das Ende der Rede wurde dem jungen Mann erspart, der Bürgermeister ergriff wieder das Wort und erklärte die Jugendspiele für eröffnet.
    Roger Ray wurde in das Zimmer der Direktorin gebracht, das eigens für ihn und seinen Anhang umgestaltet worden war. Er trank eine Menge Wasser, um sich zu beruhigen, schimpfte und verfluchte diese Stadt, in der es vor Insekten nur so wimmele.
    »Mich hat keine einzige Biene gestört«, sagte seine Mutter immer wieder.
    Jemand klopfte an die Tür, um ihn zu informieren, dass die Siegerehrung in zwanzig Minuten stattfinden würde, und dass er hier sei, um die Medaillen zu vergeben.
    »Okay, ich komm’ ja schon«, sagte er und verzog das Gesicht.
    Mama hatte sich etwas verspätet und wurde von der Direktorin eilends zum Schwimmbecken gewiesen. Sie hatte sich einen der besten Plätze reservieren lassen, um dem Wettkampf ihres Sohnes zuzuschauen.
    Tim übergab dem Trainer seine Kleidung.
    »Bitte passen Sie auf meine Kleider auf.«
    Der Mann schaute verdutzt auf die verdreckten Stofffetzen.
    Als er ins Wasser sprang, fühlte er sich wie Roger Ray. Die Leute feuerten ihn an.
    »Zeig es ihnen! Hol dir die Medaille!«
    »Tim, wir lieben dich! Du bist der Größte!«
    Als er zu den Startblöcken ging, sah er viele seiner Freunde, die ihn frenetisch anfeuerten: Popel-Gil, Einauge, Kack-Julio, Micaela, Mônica und Mama.
    Zur seiner Überraschung stand auch Pinkel-João auf der Tribüne. Er hatte die Arme verschränkt und warf ihm wütende Blicke zu.
    Tim sah nur João, aber er sah nicht João und den Hexer, Seite an Seite.
    Er siegte mit großem Vorsprung, gewann die Medaille und erfüllte den Bürgermeister vom Madrigal mit Stolz. Viele Wettbewerbe standen noch bevor, aber dieser erste Sieg war etwas Besonderes für Madrigal und er wurde in der Presse gebührend erwähnt. Als die Medaillen vergeben wurden, suchte er mit einem Blick seinen Vater in der Menschenmenge, während der Sprecher ankündigte:
    »Meine Damen und Herren, wir rufen jetzt die Sieger der ersten Kategorie und ihre Angehörigen zur Siegerehrung.«
    Er reckte sich und drehte seinen Kopf nach allen Seiten, aber er konnte weder Papa noch Fred auf der Tribüne ausmachen. Auf der anderen Seite standen die Ehrengäste und unter ihnen ein Mann, den er für Roger Ray hielt. Aber so sehr er sich auch bemühte und sich auf die Zehenspitzen stellte – er konnte ihn nicht richtig sehen, weil immer jemand vor ihm stand und sich alle pausenlos bewegten. Der Junge, der den dritten Platz belegt hatte, erhielt die Medaille aus den Händen seines Vaters, und so war es auch mit dem Zweitplatzierten. Beide wurden vom Bürgermeister umarmt und erhielten frenetischen Applaus.
    Tim versuchte noch einmal, seinen Vater zu entdecken und ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Aber er konnte nur Mama ausmachen, die auf dem Weg zum Podium war. Sie lief an der Seite eines Mannes, den er nicht kannte und dessen Name vom Sprecher genannt wurde. Es war ihm auch einerlei, denn es war jedenfalls nicht Roger Ray.
    Als die beiden am Podium ankamen, rief der Sprecher den Namen des Siegers aus. Tim wollte seinen Augen nicht trauen. Wo war Roger? Wer war dieser Mann in Mamas Begleitung? Und warum waren Papa und Fred nicht gekommen?
    Er stand dort mit hängenden Armen und zusammengepressten Lippen. Er konnte nicht glauben, dass sein Vater, sein Bruder und sein großes Vorbild nicht anwesend waren. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Selbst, wenn sein Idol dort stünde – wie würde er ohne die Hilfe von Papa, der immer die richtigen Worte parat hatte, zum Ausdruck bringen, wie sehr er diesen Augenblick erwartet hatte? Tim ließ seine Gedanken schweifen und stellte sich vor, wie Roger zum Kaffee nach Hause eingeladen wurde und Tereza ihre besten Kuchen und Plätzchen auffuhr. Sie würden sich über das idyllische Leben in diesem Städtchen und über seine einfachen Menschen unterhalten. Er würde von seinen

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