Fortunas Odyssee (German Edition)
völlig verändert hatte.
»Ich will nichts beschönigen und Ihnen sagen, dass es nichts Schlimmes ist. Es ist besser, Sie bringen ihn in die Hauptstadt.«
Ihr Gesicht wurde blass, ihr Hals war trocken und ihre Augen waren weit aufgerissen.
Aristeu schaute auf die Treppe, die nach oben führte, und fuhr fort:
»Geben Sie ihm die Medikamente, wie ich es erklärt habe, aber ich kann Ihnen keine Besserung versprechen. Es tut mir Leid.«
»Wollen Sie einen Kaffee?«, versuchte sie ihn noch etwas länger dazubehalten und seinen erfahrenen Augen weitere Informationen zu entlocken. Doch er lehnte ab.
Zu seiner Überraschung ergriff sie seinen Arm und drückte fest zu.
»Seien Sie offen zu mir, ich bin seine Frau.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich das ist, was ich glaube, …«
»Und was glauben Sie?«
»Die schlechte Krankheit«, stieß er hervor.
Dieser Ausdruck wurde benutzt, um das Wort Krebs nicht auszusprechen. Die Leute nahmen damals dieses Wort nicht in den Mund, die Ärzte ausgenommen. Aristeu schloss sich dem Volksglauben an, dass ein Fluch auf dem Wort Krebs lag, und benutzte den Begriff, den alle Leute benutzten. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er mit seinen Diagnosen fast immer richtig lag.
Mama ließ seinen Arm los und hätte beinahe den Halt verloren.
»Ich bin in der Apotheke, falls Sie noch etwas brauchen. Auf Wiedersehen, meine Damen.«
Sie hielt ihre Hand an den Mund und weinte. Tereza führte sie zum Sofa. Ich hockte mich davor und bemerkte den Hexer an meiner Seite.
»Glauben Sie, dass er Recht hat?«, fragte ich.
Er streichelte das Haar meiner Mutter und gab keine Antwort.
Ich ging nach oben; Papa lag im Bett und schaute zum Fenster. Ich legte mich zu ihm und weinte. Ich hatte Angst vor dem, was geschehen könnte, Angst vor dem, was bereits geschehen war.
In ihrer Verzweiflung suchte Mama den Bürgermeister auf. Als sie wieder fortging, fühlte sie sich etwas besser, und begrüßte auf dem Nachhauseweg sogar einige Bekannte mit einem Lächeln. Der Stadtverwalter hatte ihr angeboten, Papa in die Hauptstadt zu fahren, ohne etwas dafür zu verlangen. Sie erzählte es Tereza, und beide lachten erleichtert. Aber die Heiterkeit war vorbei, als sie in sein Zimmer trat.
»Ich gehe nirgendwo hin.«
»Bitte, Greg! Ich bitte dich!«, flehte sie ihn an und kniete sich neben sein Bett. »Der Bürgermeister ist ein guter Mensch und hat klargestellt, dass wir nichts zahlen müssen.«
»Aber ich will nicht. Ich will nirgendwo hin. Das ist mein Zuhause und was immer auf mich zukommt, es soll hier geschehen.«
In diesem Augenblick fing sie an, herzzerreißend zu weinen. Tereza betrat das Zimmer und kam ihr zu Hilfe.
Ich hatte sie nie vorher mit solch funkelnden Augen gesehen.
»Ich erledige das, Tyanna. Du hast ein Kleid zu besticken. Geh‘ schon.«
Mama ging hinaus.
»Sollen wir dich mit Gewalt wegbringen, Gregório?« Sie nannte ihn nur ganz selten bei seinem vollen Namen, nur dann, wenn etwas nicht stimmte.
»Tereza, du behandelst mich wie einen kleinen Jungen.«
»Genauso benimmst du dich!«
»Sei nicht so streng, ich will hier nicht weg. Wenn ich schon sterben muss, will ich hier sterben.«
»Wer redet vom Sterben?«
»Ich habe gehört, was Aristeu gesagt hat. Ich glaube auch, dass ich eine schwere Krankheit habe. Ich fühle mich innerlich vollkommen leer, wie ein hohler Baum, von dem nur noch die Rinde erhalten ist.«
»In der Stadt kann ein Arzt sagen, was dir tatsächlich fehlt. Denke an deine Frau, lass Sie nicht unnötig leiden.« Sie drehte sich um wie jemand, der die Schlacht schon gewonnen hatte und sagte, bevor sie die Tür hinter sich schloss: »Sag’ Bescheid, wenn du fertig bist.«
Der Arzt in der Hauptstadt untersuchte Papa viel schneller als Aristeu, überreichte ihm anschließend eine Schachtel mit Tabletten und sagte, er habe eine starke Entzündung und müsse dieses Medikament nehmen, um geheilt zu werden.
Der Bürgermeister, seine Frau, Papa und Mama lächelten erleichtert. Die Rückfahrt war recht angenehm. Sie hielten unterwegs an, um Wasser aus einer Quelle am Straßenrand zu trinken. Die Frauen setzten sich auf einen riesigen Stein, der bei den Sprengarbeiten für diese neue Straße freigelegt worden war. Die Frau des Bürgermeisters rauchte ununterbrochen, und Mama musste einige Male niesen. Papa lief langsam mit dem Bürgermeister, der eine Menge Mandarinen von einem Baum am Straßenrand gepflückt hatte, zum Auto. Dort saßen sie
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