Fortunas Odyssee (German Edition)
Großmutter während dieser drei langen Tage hatte. Meiner Mutter war es wichtig, es mir zu erzählen.«
Tereza stand auf und ging zum Zaun, wo sie auf Tim wartete. Als er näher kam, beugte sie sich zu ihm hinunter und schaute ihm ins Gesicht.
»Tim, meine Großmutter hat drei Tage lang bis zu ihrem Tod darüber geklagt, dass sie keine Zeit hatte, mit meinem Großvater vor seinem Tod einige Worte zu wechseln. Weißt du, worüber sie sprechen wollte? Du denkst bestimmt, …«
Er antwortete schnell:
»Sie wollte ihn bestimmt nach dem Code fragen, den der Fremde hinterlassen hatte.«
Tereza neigte ihren Kopf und schüttelte ihn einige Male.
»Nein, mein Lieber, sie hätte gern die Zeit gehabt, ihm zu sagen, wie innig sie ihn geliebt hat und dass er der beste Ehemann war, den eine Frau sich wünschen kann. Das hatte sie ihm nie gesagt. Sie hatte zu spät erkannt, dass aller Reichtum wertlos sei, aber diese Worte wie ein Schatz waren. Der Reichtum vergeht, aber die Worte bleiben für immer. Eine gut genutzte Zeit oder ein Satz, der im richtigen Moment ausgesprochen wird, sind mehr wert als aller Reichtum.«
Ich sah die Tränen in ihren Augen. Tereza war einer der weisesten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe. Ich blieb bei ihnen stehen und hoffte inständig, dass der Junge verstehen würde, was er gerade gehört hatte.
»Tim, vielleicht hast du heute und jetzt deinem Vater etwas zu sagen.«
Er hatte den Kopf gesenkt und antwortete nichts. Sie schlug leicht mit ihrem Finger gegen seinen Kopf und deutete anschließend auf den Balkon vor Papas Zimmer. Als sie wieder im Flur war, hörte sie, wie Papa nach ihr rief.
»Komm rein, meine Schwarze!«
Sie tat so, als sei alles ganz normal und gab sich ganz locker.
Er streckte die Hand aus und sie kam an sein Bett. Papa drückte die Hand des Menschen, der sich so liebevoll um seine Frau und seine Kinder gesorgt hatte.
»Kein Geld der Welt könnte die Hilfe und Zuneigung bezahlen, die du für meine Familie aufgebracht hast.«
Sie atmete tief durch, als sie das hörte.
»Tereza, ich werde nicht mehr hier sein, wenn meine Söhne heranwachsen, aber ich möchte, dass du bei ihnen bleibst.«
Sein Räuspern klang, als ob ein Traktor einen Stein aus dem Weg räumte.
»Sei beruhigt, Greg, deiner… unserer Familie wird nichts zustoßen.«
»Das ist die Tereza, die ich kenne«, beteuerte er und drückte wieder ihre Hand.
»Wo ist Tim?«
»Er kommt gleich.«
Sie umarmten sich lange, sie lag beinahe mit ihrem ganzen Gewicht auf ihm und raubte ihm fast den Atem. So verabschiedeten sich die beiden. Sie ging hinaus, damit Tim sehen konnte, dass das Zimmer frei war.
Er erschien in der Tür wie ein Soldat vor seinem Vorgesetzten. Er hielt die Arme an seinem Körper stramm nach unten gestreckt, den Rücken aufrecht, aber den Kopf gesenkt. Er ging auf Papas Bett zu, als ob er marschierte.
Der Hexer erschien und setzte sich auf die Bettkante.
»Los, Junge«, sagte er.
Tim blieb stumm, und Papa betrachtete ihn mit bewundernder Liebe. Sekunden verstrichen, und ich sah, wie sich der Hexer am Kopf kratzte. Unten im Wohnzimmer ging der Pfarrer auf und ab; er hatte schon vier Tassen Kaffee getrunken. Er wollte das letzte Sakrament geben und mit der Aura des heiligen Mannes, der die verlorene Seele in ihrer letzten Stunde bekehrt hatte, zur Kirche zurückkehren.
Die Minuten vergingen, und Tereza bat ihn, im Garten etwas frische Luft zu schnappen.
»Mir geht es gut, ich möchte lieber hier warten.«
Mama umarmte Fred, und der Schatten der beiden wirkte, als wäre er von einer einzigen Person.
Tim dachte an die Geschichte von Terezas Großeltern, an die Wüste, den Hunger, den Code und schließlich an die Klage der Frau, die nicht mehr dazu gekommen war, mit ihrem Mann zu sprechen.
Papa wartete geduldig, denn er dachte, dass Tim jeden Moment anfangen würde, zu sprechen. Aber sicher war er sich nicht, denn Tims Verhalten war unvorhersehbar.
»Papa…«
»Ja, mein Junge.«
»Kennst du irgendeinen geheimen Code?«
Der Hexer lachte und machte Zeichen mit den Händen.
»Tim, dich gibt’s nur einmal!«, stellte er fest, während er mich anschaute.
Papa setzte eine Miene auf, als habe er nicht verstanden, aber dann überraschte er uns mit seiner Antwort.
»Ja, ich habe einen Code«, sagte er und zeigte auf den Kleiderschrank. »Nimm ihn, er steckt in der Tasche des schwarzen Anzugs.«
Tim nahm das gefaltete Stück Papier und reichte es ihm.
»Mach’ es selber
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