Fortunas Odyssee (German Edition)
empfing ihn Papa mit zynischen Worten.
»Wollen Sie mich heilen, Padre?«
Der Pfarrer erblasste und drückte die Bibel fest an seinen Körper.
»Ich bringe Erleichterung für Ihre Seele, Senhor Gregório.«
»Danke, aber ich brauche Erleichterung für meinen Körper.«
Der Pfarrer setzte einen frommen Blick auf.
»Unser Körper kommt aus dem Staub und kehrt auch wieder dorthin zurück, aber unsere Seele besteht weiter, zum Ruhme des Vaters…«
»Sparen Sie sich Ihre Metaphern.«
Ich gebe zu, dass ich trotz allem meinen Spaß an diesem Dialog hatte.
»Das sind keine Metaphern, sondern Realitäten, denn unser Gott ist real.«
»Wo ist er jetzt, und warum schickt er einen Stellvertreter hierher? Wo war er, als ich ihn am meisten gebraucht habe? Ihr Gott hat mir niemals weitergeholfen.«
»Er hilft uns, wenn wir es verdienen, in den Stunden, in denen er es für richtig hält und nicht, wenn wir es wollen.«
»Ich helfe meinen Kindern, wenn sie mich brauchen und nicht, wann ich will…«
»Unser Herr weiß genau, was er tut.«
»Nein, er muss blind, taub und stumm sein…«
Papa konnte vor lauter Schmerzen nicht mehr weitersprechen. In seiner Agonie drückte er Mamas Hand.
Der Priester wartete einen Augenblick, dann bat er um Erlaubnis für die Salbung.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber denken Sie daran, dass ich Sie nicht um diesen Unsinn gebeten habe.«
Papa wollte den Pfarrer loswerden. Ich glaube sogar, dass er ihn, wenn er etwas besser bei Kräften gewesen wäre, aus dem Haus geworfen hätte. Mein Vater ist immer ehrlich, höflich und liebevoll mit anderen Menschen umgegangen, aber Unver-schämtheit und Aufdringlichkeit hat er sich nicht gefallen lassen, erst recht nicht im eigenen Haus. Und jetzt musste er ausgerechnet hier Dinge anhören, die er nicht hören wollte.
Der Kirchenmann gab ihm die letzte Salbung, machte einige Handbewegungen, betete und fragte obendrein noch, ob Papa beichten wolle.
»Beichten? Wozu? Sie sagen doch selbst, dass Ihr Gott sowieso alles weiß«, schnaubte er und schüttelte den Kopf. Der Padre machte eine unklare Geste und verließ schweigend das Zimmer.
»Er will mir etwas aufzwingen, woran ich nicht glaube«, sagte er zu Mama.
»Lass ihn. Er tut ja niemandem etwas zuleide.«
Tim zog die Schuhe aus und watete durch den Sumpf, wobei seine Hosenbeine nass wurden. Die Frösche hüpften verschreckt aus dem Weg, und er näherte sich den Seerosen.
»Was hast du zu den Kindern gesagt, dass sie so schnell weggegangen sind und gesagt haben, dass sie bald wieder zurück wären?«
»Ich will, dass die Kinder beschäftigt sind, mehr nicht.«
»Oh Greg!«, sagte sie und küsste ihn.
»Ich werde dich für immer lieben, Tyanna. Ich danke dir für unsere Kinder und die schöne Zeit, die ich mit euch verbracht habe. Du warst wunderbar!«
Sie begann zu schluchzen und drückte ihn fest an sich.
»Du bist meine einzige große Liebe.«
»Du auch, mein Greg…«
Plötzlich wurde alles besser. Die Schmerzen schwanden und das Atmen erschien ihm nicht mehr so schwer.
Ah! Es geht besser… Es ist immer so: Vor dem letzten Atemzug geht es besser.«
Tim näherte sich einer schönen Seerose. Er ließ seine Hand an ihrem Stängel hinuntergleiten und zog mit aller Kraft. Die Pflanze leistete Widerstand, aber er ließ nicht locker und konnte sie schließlich ausreißen. Papa lächelte. Mama legte ihren Kopf auf seine Brust und konnte seinen Herzschlag nicht mehr wahrnehmen. Er schloss seine Augen, und sie riss ihre auf. Tim hielt die Seerose in die Luft und rief: »Ich hab’s geschafft, Papa!«
Der Tod ist trügerisch und verräterisch. Er wirkt in unserem Umfeld und ist für uns scheinbar akzeptabel. Scheinbar. Denn wenn er sein Gesicht zeigt, erschreckt er uns. Wir können ihn nicht akzeptieren.
Ich blieb im Zimmer und sah zu, wie Mama seinen Körper in Ihren Armen hielt. Mein Blick glitt zu den Schlappen, die von seinen Füßen geformt waren; ich sah die Armbanduhr auf dem Nachttisch und erinnerte mich, wie sie im Licht des Werkzeugzimmers geblinkt hatte, wenn er meine Autos zusammenflickte; ich roch an den Kleidern im Schrank, und sein Geruch war noch in ihnen.
Wie ist das möglich? Wofür hält der Tod sich eigentlich, dass er denen das Leben nimmt, die wir nicht verlieren wollen? Wie ist es möglich, dass wir von einem Augenblick zum anderen aufhören, zu existieren? Und unsere Freunde und Ehepartner, die wir so lieben, unsere Arbeit, die Musik und unsere
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