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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
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auf, mein Junge.«
    Als er die Zahlen sah, berührte mein Vater den Zettel mit seinem Finger.
    »Diese Zahl hier ist der Tag meines Geburtstags. Die zweite Zahl ist der Monat. Die dritte ist der Tag des Geburtstags von deiner Mutter und die vierte…« »Der Monat«, ergänzte Tim.
    »Richtig, sehr gut«, sagte er, und deutete auf die nächste Zahl. »Und das hier?«
    »Das ist mein Geburtstag.«
    »Und die andere?«
    »Freds Geburtstag.«
    »So ist es. Diese Zahlenfolge hat mich zum Lottogewinner gemacht.«
    Er zog seine Hand brüsk zurück und schaute zum Fenster. Tim betrachtete das hagere und bleiche Gesicht und sah die Tränen in seinen Augen.
    »Es kann sein, dass dieselbe Zahlenfolge wieder ausgelost wird. Wenn du erwachsen bist, kannst du damit dein Glück versuchen. Ich bitte dich nur wähle dieselben Nummern, ohne dabei anderen zu vertrauen.«
    Tim steckte sich sofort den Zettel in die Tasche seines Hemdes und legte die Hände auf die Brust seines Vaters, der wie jemand, der sich korrigieren will, das Schweigen brach.
    »Aber baue nie auf das Glück. Lerne und arbeite viel, nur so kannst du sicher sein, dass du es zu etwas bringst.«
    Der Junge nickte mit dem Kopf und versetzte sich in Gedanken in das Dorf Maloah, wo er sah, wie sich Terezas Großmutter von ihrem Ehemann verabschiedete. Er stellte sich vor, wie der alte Mann antwortete, dass auch er sie liebe, und dass sie die beste Ehefrau sei, die ein Mann haben könne. Kurz darauf wurden sie vom Stamm der Hagelah für immer getrennt.
    »Papa…« begann er und verdrehte den Zipfel des Betttuchs, »ich liebe dich und du bist der beste Papa, den jemand haben kann.«
    Der Hexer applaudierte.
    Papa zog ihn an sich und schlang seine Arme um seinen Rücken, dass er wie gefangen war. Er fühlte sich wie ein glücklicher Gefangener und wünschte sich, die Umarmung würde für immer währen. Dasselbe Gefühl befiel auch mich, wie damals, als ich die Augen geschlossen hatte. Sein Atem strich durch meine Haare und bewegte sie sanft. Ich konnte es fühlen und mit Haut und Haaren daran teilnehmen. Ich wollte diesen Augenblick nicht verderben und wagte nicht, die Augen zu öffnen.
    Tim war von der Vorstellung begeistert, etwas zu verwirklichen, was Terezas Großmutter vorenthalten gewesen war. Kein Stamm der Welt würde ihm diese Gelegenheit nehmen. Und wenn er auch nicht an eine wirkliche Verabschiedung glaubte, öffnete er trotzdem sein Herz, und das war der Treibstoff,
    durch den er sich in dieser Wüste des Lebens, inmitten der Schwierigkeiten und Ängste stark fühlen konnte. Denn das Bild seines Vaters würde immer bei ihm bleiben, das Bild eines starken, sensiblen, intelligenten, tapferen und ehrlichen Mannes. Tim wünschte sich, dass die Zeit in diesem Moment stehen blieben könnte. Er wünschte sich, für immer in den Armen seines Vaters liegen zu können.
    Sie sprachen über viele Dinge. Papa gab Ratschläge, lobte ihn und bat ihn um viele Dinge, besonders, dass er sich um Fred und Mama kümmerte.
    Die Zeit rückte unerbittlich vor, wie damals der Stamm der Hagelah. Papa hatte wieder Schmerzen und Atembeschwerden und bat Tim klugerweise um einen letzten Gefallen.
    »Mein Sohn, ich möchte, dass du und dein Bruder mir eine Seerose bringt. Eine weiße Seerose, okay?«
    Tim nickte zustimmend, aber er dachte:
    
    Ich sprang vom Bett auf, denn ich verstand plötzlich diesen Wunsch. Papa wollte nicht, dass Tim zusah, wie er starb. Tim zog los, um eine weiße Seerose aufzutreiben, während Fred an der Ecke hielt und die Schachpartie mit Bitu fortsetzte, der unter dem Flamboyant auf ihn gewartet hatte. Tim fuhr auf seinem kleinen Fahrrad, das schon so oft zerlegt und wieder zusammenmontiert worden war. Er durchquerte die ganze Stadt und näherte sich dem Sumpf, im den er einmal gefallen war. Er sah nur zwei Seerosen am anderen Ufer und konnte nur zu ihnen gelangen, indem er den Sumpf durchquerte.
    Mama versuchte erfolglos, ihre Tränen zurückzuhalten, als Papa sagte, er wolle den besten Anzug anziehen, denn er wolle gut aussehen.
    Sie erwähnte die Anwesenheit des Pfarrers, und er reagierte barsch.
    »Ich brauche keinen Pfarrer, meine Liebe. Er wird mich nicht heilen.«
    »Er ist schon die ganze Zeit hier. Tereza hat ihn gerufen. Bitte, mein Lieber, lass ihn wenigstens eintreten.«
    Als der Kirchenmann eintrat,

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