Foundation 03: Der Aufbruch zu den Sternen
sah Baley grimmig an. »Ich
bitte um Entschuldigung, Mr. Baley. Wenn ich mit der Antwort
gezögert habe, dann nur, weil ich im Rückblick den Eindruck
habe, daß es keinen besonders dramatischen Grund dafür
gibt. Gladia Delmarre – nein, sie will nicht, daß man
ihren Familiennamen benutzt –, Gladia ist eine Fremde auf diesem
Planeten; sie hat auf ihrer Heimatwelt traumatische Erlebnisse
durchgemacht, wie Sie wissen, und auf dieser Welt ebenfalls
traumatische Erlebnisse, die Sie vielleicht nicht
wissen…«
»Ich weiß. Bitte werden Sie deutlicher.«
»Nun denn, sie hat mir leid getan. Sie war allein, und ich
dachte, Jander würde dazu beitragen, daß sie sich weniger
allein fühlt.«
»Leid hat sie Ihnen getan? Einfach so? Lieben Sie sich? Haben
Sie sich einmal geliebt?«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich habe mich nie angeboten. Und
sie auch nicht. Warum? Hat sie Ihnen gesagt, daß wir uns
geliebt haben?«
»Nein, das hat sie nicht. Aber ich brauche in jedem Fall eine
unabhängige Bestätigung. Wenn es einen Widerspruch gibt,
werde ich Sie das wissen lassen; darüber brauchen Sie sich keine
Sorgen zu machen. Wie kommt es denn, wo Sie doch mit Ihr
Mitgefühl hatten – und nach allem, was ich von Gladia
erfuhr, sie Ihnen so dankbar war –, wie kommt es, daß
keiner von Ihnen beiden sich angeboten hat? Soweit ich bisher
erfahren habe, bietet man auf Aurora Sex etwa ebenso beiläufig
an, wie man über das Wetter spricht.«
Fastolfe runzelte die Stirn. »Sie wissen gar nichts davon,
Mr. Baley. Sie sollten uns nicht nach den Maßstäben Ihrer
eigenen Welt beurteilen. Sex ist für uns keine Sache von
großer Wichtigkeit, aber wir denken uns schon etwas dabei.
Ihnen mag das nicht so vorkommen, aber von uns macht keiner
beiläufig ein solches Angebot. Gladia, die unsere Art zu leben,
nicht gewöhnt war und die auf Solaria sexuell frustriert wurde,
hat sich vielleicht beiläufig angeboten – vielleicht
wäre das bessere Wort ›verzweifelt‹ –, und daher
überrascht es vielleicht nicht, daß sie an dem, was dabei
herauskam, kein Vergnügen hatte.«
»Haben Sie denn nicht versucht, da Besserung zu
schaffen?«
»Indem ich mich selbst angeboten habe? Ich bin nicht das, was
sie braucht, und – was das betrifft – sie ist auch nicht,
was ich brauche. Sie hat mir einfach leid getan. Ich mag sie. Ich
bewundere ihr künstlerisches Talent, und ich möchte,
daß sie glücklich ist. Schließlich werden Sie doch
ganz sicher zugeben, Mr. Baley, daß die Sympathie eines
menschlichen Wesens für ein anderes nicht auf sexuellem Begehren
beruhen muß oder auf irgend etwas anderem als menschlichem
Anstand und Gefühlen der Zuneigung. Haben Sie nie Sympathie
für jemanden empfunden? Haben Sie nie den Wunsch empfunden,
jemandem zu helfen, einfach nur, weil es Ihnen guttat, das Leid eines
anderen zu lindern? Von was für einem Planeten kommen Sie
denn?«
»Was Sie sagen, ist berechtigt, Dr. Fastolfe«, sagte
Baley. »Ich stelle keineswegs in Zweifel, daß Sie ein
anständiges menschliches Wesen sind. Trotzdem haben Sie bitte
Nachsicht mit mir. Als ich Sie das erste Mal fragte, weshalb Sie
Jander Gladia gegeben hatten, haben Sie mir das nicht gesagt, was Sie
jetzt eben gesagt haben – und einigermaßen erregt, wie ich
vielleicht hinzufügen darf. Ihr erster Impuls war, Zeit zu
gewinnen, zu zögern, eine Gegenfrage zu stellen.
Wenn ich einmal einräume, daß das, was Sie mir zuletzt
gesagt haben, zutrifft, was war Ihnen dann an meiner
ursprünglichen Frage so peinlich? Welcher Grund – den Sie nicht zugeben wollten – kam Ihnen denn in den Sinn, ehe
Sie den Grund nannten, den Sie zugeben wollten? Verzeihen Sie
mir meine Hartnäckigkeit, aber ich muß es wissen –
und zwar nicht aus persönlicher Neugierde, das kann ich Ihnen
versichern. Wenn das, was Sie mir sagen, in dieser traurigen
Geschichte keinen Nutzen bringt, dann können Sie es so
betrachten, als hätten Sie es in ein Schwarzes Loch
geworfen.«
Fastolfe antwortete darauf mit leiser Stimme: »Um es ganz
ehrlich zu sagen, ich bin nicht sicher, warum ich Ihrer Frage
ausgewichen bin. Sie haben mich überrascht und mich dabei in
etwas hineingetrieben, dem ich vielleicht nicht in die Augen sehen
will. Lassen Sie mich nachdenken, Mr. Baley.«
Sie saßen einander stumm gegenüber. Der Roboter
räumte den Tisch ab und verließ den Raum. Daneel und
Giskard waren irgendwo anders (wahrscheinlich damit beschäftigt,
das Haus zu bewachen). Endlich waren Baley und Fastolfe
Weitere Kostenlose Bücher