Foundation 05: Das Foundation-Projekt
liebevollere
Großmutter wünschen können, aber Wandas Mutter blieb
für Raychs Mutter auch weiterhin ›dieses Weib‹.
6
Hari Seldon hatte schwer gegen seine Melancholie zu kämpfen.
Dors, Raych, Yugo und Manella redeten ihm abwechselnd ins Gewissen.
Der Tenor war immer der gleiche: Sechzig Jahre seien noch kein
Alter.
Sie verstanden ihn einfach nicht. Dreißig war er gewesen,
als ihm die ersten Ideen für die Psychohistorik kamen, und
zweiunddreißig, als er auf dem Zehnjahreskongreß jenes
berühmte Referat hielt und sich im Anschluß daran die
Ereignisse zu überstürzen schienen. Nach der kurzen Audienz
bei Cleon war er quer über Trantor geflüchtet und hatte
dabei Demerzel, Dors, Yugo und Raych kennengelernt, ganz zu schweigen
von den Bewohnern Mykogens, Dahls und Wyes.
Mit vierzig war er Kanzler geworden, und mit fünfzig hatte er
das Amt wieder aufgegeben. Jetzt war er sechzig.
Dreißig Jahre hatte ihn die Psychohistorik bereits gekostet.
Wieviele Jahre würde er noch brauchen? Wieviele Jahre würde
er noch leben? Würde er sterben müssen, ehe das Projekt
Psychohistorik abgeschlossen war?
Nicht der Tod an sich war es, was ihn belastete, das redete er
sich jedenfalls ein. Viel schlimmer wäre es, das gewaltige
Projekt nicht vollenden zu können.
Er suchte Yugo Amaryl auf. Im Lauf des letzten Jahrzehnts, als das
Projekt Psychohistorik an Umfang immer weiter zunahm, hatten sich die
beiden ein wenig auseinandergelebt. In der ersten Zeit in Streeling
hatten nur Seldon und Amaryl daran gearbeitet – niemand sonst.
Heute dagegen…
Amaryl war fast fünfzig – auch nicht mehr der
jüngste – und irgendwie hatte er seinen Elan
eingebüßt. Die ganze Zeit über hatte sein Interesse ausschließlich der Psychohistorik gegolten: keine
Frauen, keine Freunde, kein Hobby, keine Nebenbeschäftigungen
irgendwelcher Art.
Blinzelnd sah Amaryl auf, und Seldon stellte wieder einmal fest,
wie sehr er sich verändert hatte. Zum Teil mochte es daran
liegen, daß Yugo sich einer Augenrestaurierung hatte
unterziehen müssen. Sein Sehvermögen war nun zwar in
Ordnung, aber die Augen hatten etwas Künstliches, und zudem
hatte er sich ein langsames Blinzeln angewöhnt, das ihn
ständig schläfrig wirken ließ.
»Was meinst du, Yugo?« fragte Seldon. »Zeigt sich
Licht am Ende des Tunnels?«
»Licht? Ja, so könnte man sagen«, antwortete
Amaryl. »Da wäre zum Beispiel der Neue, Tamwile Elar. Du
kennst ihn natürlich.«
»O ja. Ich habe ihn schließlich eingestellt. Umwerfend
dynamischer Mensch. Wie macht er sich?«
»Ich könnte nicht behaupten, daß er mir
übermäßig sympathisch wäre, Hari. Sein lautes
Gelächter geht mir auf die Nerven. Aber als Wissenschaftler ist
er brillant. Das neue Gleichungssystem ist genau auf den
Primärradianten zugeschnitten und scheint eine Möglichkeit
zu sein, das Chaosproblem zu umgehen.«
»Scheint? Oder ist?«
»Das muß man abwarten, aber ich bin sehr
zuversichtlich. Ich habe ein paar Dinge ausprobiert. Unter denen die
neuen Gleichungen einfach zusammengebrochen wären, wenn sie
nichts taugten, und sie haben standgehalten. In Gedanken spreche ich
bereits von den ›achaotischen Gleichungen‹.«
»Ich nehme nicht an«, sagte Seldon, »daß wir
die Wirkungsweise dieser Gleichungen mit einer überzeugenden
Demonstration belegen können.«
»Leider nein, obwohl ich ein halbes Dutzend Leute an diese
Aufgabe gesetzt habe, Elar natürlich eingeschlossen.«
Amaryl schaltete seinen Primärradianten ein – das neueste
Modell, auch Seldon hatte kein besseres – und wartete, bis die
leuchtenden Zahlenkolonnen in wellenförmigen Linien vor ihm
schwebten – zu klein, zu dünn, um sie ohne
Vergrößerung lesen zu können. »Wir brauchen die
neuen Gleichungen nur noch einzubauen, dann könnten wir die
ersten Prognosen erstellen.«
»Jedesmal, wenn ich mit dem Primärradianten
arbeite«, sagte Seldon nachdenklich, »muß ich an den
Elektro-Clarifikator denken, der das Material der Zukunft zu so
sauberen Geraden und Kurven komprimiert. Auch das war doch eine
Erfindung von Elar?«
»Ja. Aber die Konstruktion stammt von Cinda Monay.«
»Es befriedigt mich immer wieder, so viele neue und brillante
Köpfe an unserem Projekt arbeiten zu sehen. Irgendwie
versöhnt mich das mit der Zukunft.«
»Du glaubst, jemand wie Elar könnte eines Tages das
Projekt leiten?« fragte Amaryl, ohne den Blick vom
Primärradianten zu wenden.
»Vielleicht. Wenn du und ich uns zur Ruhe gesetzt
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