Foundation 08: Foundation
welches »reich, frei, ehrgeizig, gebildet, in
Handel und Wandel erfahren und geschickt ist, aber auf den Lebensraum
anderer Länder für den Wohlstand und die Freiheit einer
großen Bevölkerung angewiesen ist«. Die
ökologische Geschichte deutet darauf hin, daß Länder
wie Athen, Karthago, Venedig, England, Japan oder Singapur am ersten
und eindringlichsten solche Ressourcen-Beengung empfinden
werden. *
Keines der heutigen ›Insel‹-Länder leidet unter
beunruhigenden Beengungen, wenn Japan auch eine recht aggressive
Handelspolitik betreibt. Aber die Zukunft kann da ganz andere Dinge
bringen. Bevölkerungen fahren fort zu wachsen. (Langsam oder
schnell, das besagt nichts, das Wachstum selbst ist das
Entscheidende.) Colinvaux vermutet, daß wir im nächsten
Jahrhundert einen atomaren Überfall kleineren Ausmaßes
seitens einer reichen ›Insel‹-Nation auf eine schwache
›Opfer‹-Nation erleben werden, wobei der Aggressor sich auf
die Tatsache verlassen wird, daß die Supermächte es
vorziehen werden, das fait accompli hinzunehmen, anstatt einen
weltweiten Brand zu riskieren.
»Die nächtlichen Sterne sind nicht deshalb
weniger schön, weil wir jetzt ihre Entfernung und
Größe messen und ihre Ausmaße und ihr Alter
berechnen können.«
frei nach Colin Renfrew
Dieser Artikel ist zu kurz, um der ganzen Breite
der Psychohistorik gerecht zu werden. Welche Rolle spielen Seuchen
oder Naturkatastrophen? Erstere waren mit Sicherheit ein bedeutender
Faktor bei der Ausrottung der Indianerstämme in Amerika und beim
Triumph der europäischen Städte über das feudale
Land. * Auf so wesentliche Themen wie operationale
Begriffsbestimmungen oder die Verläßlichkeit von
Maßangaben sind wir überhaupt nicht eingegangen. (Wie
groß ist die Bevölkerung der Sowjetunion wirklich? Woher
wissen Sie das?) Diese Themen sind wichtig. Die Katastrophentheorie
(und die neu aufkommende ›Chaostheorie‹) demonstriert,
daß winzige Unterschiede in den Eingabevariablen große
Unterschiede im Systemverhalten hervorrufen können. Und doch
sind zu viele Begriffe in den Zivilisationswissenschaften
jämmerlich schlecht definiert. (Ist die UdSSR ein Reich des
Bösen? Sind Nuklearkraftwerke sicher? Und was
bedeuten solche Worte?) Was ist ein Krieg? Singer und Small haben
Listen von Kriegen verglichen, die von unterschiedlichen Forschern
zusammengestellt worden waren. Keine zwei Listen waren gleich!
Aber irgendwo müssen wir ein Ende machen.
Ich habe versucht, die verschiedenen Theorien und Methoden der
Psychohistorik so klar und genau vorzustellen, wie mir das
möglich war, mußte aber notwendigerweise viele
Einzelheiten und weiterführende Informationen weglassen. Ich
hoffe, damit nicht die Theorie irgendeines Fachmannes verzerrt oder
falsch wiedergegeben zu haben. Interessierte Leser verweise ich auf
die Memographie am Ende des Artikels.
Nach meiner Kenntnis ist dies das erste Mal, daß all diese
Ideen zusammengefügt worden sind: Techniken aus der
Qualitätskontrolle, der Topologie, der Systemanalyse; Ideen aus
der Biologie und der Ökologie, aus der Verhaltenspsychologie und
der Betriebswirtschaft. Wie alle zusammenpassen, ist keineswegs klar,
nicht einmal, ob sie überhaupt zusammenpassen! Einige werden
ohne Zweifel unter den Tisch fallen. Vielleicht sollte man eine
Konferenz einberufen – sagen wir eine Foundation-Konferenz
–, wo Colinvaux, Renfrew, Rashevsky, Harris und die anderen sich
zusammensetzen und diese Themen besprechen können!
Wir haben gesehen, daß eine wissenschaftliche Geschichte
möglich ist. ›Empiriker‹ wie Hamblin haben die
zugrundeliegende Gesetzmäßigkeit des sozialen Verhaltens
entdeckt. ›Modellbauer‹ wie Rashevsky und Renfrew haben
mathematische Faksimile der zivilisatorischen Prozesse konstruiert.
›Ökologen‹ wie Harris und Cilinvaux haben plausible
Theorien materieller Kausalität dazu skizziert.
Psychohistorik ist möglich – aber ist sie
wünschenswert? – Welche Implikationen für die
Menschenwürde bringt sie mit sich? Ist es möglich,
daß sich in diesem Augenblick so etwas wie eine
›Babbage-Gesellschaft‹ trifft?
Das Mem, wonach die Wissenschaft irgendwie entmenschlichend sei,
ist stark in unserer Gesellschaft verwurzelt. Oder, wie ein
Intellektueller kürzlich schrieb, »es wächst das
Gefühl, daß die ehrwürdigen Methoden der Geschichte,
die im wesentlichen auf denen der Naturwissenschaften basieren,
konzeptionell und moralisch bankrott sind«.Die
Aussage,
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