Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Ärmel so hochkrempeln entfällt im Ansatz …«
Fragende Blicke in der Runde. Dann wieder Isi, gestikulierend: »… macht die Ärmel hier ein bisschen weiter, damit ein bisschen Luft reinkommt. Und macht euch den Hosenstall auf, damit auch da ein bisschen Luft reinkommt …«
Kleiderordnung wird im Feldlager Kunduz großgeschrieben.
Am nächsten Morgen bekommen Chill, Körner, Wild und Schröder ihr Fahrzeug zugewiesen: »unseren« Foxtrott 4, ein Dingo-Radpanzer vom Typ 2. Sieht aus wie ein besonders großer, kompakter Jeep, hat vier Räder und einen Innenraum, in dem – je nach Ausstattung – fünf oder sechs Personen Platz haben, und einen Gepäckraum. Die Hauptaufgaben des Dingos sind Konvoi- und Patrouillenfahrten. Er ist insbesondere für minengefährdete Gebiete konzipiert. In diesem Wagen werden wir für die nächsten sechs Monate unterwegs sein.
Chill, Spitzname »Asterix«, erklärt mir: »Der Dingo 2 ist aus Kosovo-Zeiten, weil da vermehrt Sprengsätze gelegt wurden. Damals hat die Bundeswehr entschieden, wir brauchen ein Fahrzeug, das minensicher ist – sollte man auf eine IED auffahren … Wenn so eine unter dem Fahrzeug detoniert, zerspringt es. Beim Dingo 2 sind die Schutzteile aber so konzipiert, dass der Druck, der von unten kommt, aufgefangen und nicht auf den Menschen übertragen wird.«
Klingt beruhigend. Und weshalb heißen die Dingos in unserem Zug Foxtrott 1 bis 5? Und weshalb sind wir die 4? Körner erklärt es mir: »Also, die Züge – ungefähr 35 Mann – sind nach dem NATO-Alphabet gekennzeichnet. Bei uns zum Beispiel Echo, Golf und unser Zug Foxtrott. Im Zug sind dann halt die ganzen Fahrzeuge durchnummeriert von 1 bis … so viel Fahrzeuge halt da sind …«
Körners Spitzname ist Totti. Er ist 22 und damit nicht nur der Jüngste in unserem Trupp, sondern einer der Jüngsten in der Kompanie. Seit einem halben Jahr hat er eine eigene Wohnung, aber keine Waschmaschine. Seine Mutter freut sich, wenn er am Wochenende seine Wäsche vorbeibringt. Für die nächsten sechs Monate hier wird seine Wäsche von der Firma »Ecolog« im Feldlager Kunduz gewaschen. Oder, wenn wir auf einem Außenposten sind, eben gar nicht.
Im Lager herrscht ständig ein hoher Lärmpegel. Tagsüber sind es die Motoren der Fahrzeuge und die Generatoren, konstant surren dazu die Klimanlagen. Die US-Armee zahlt für den Betrieb der Klimaanlagen im Irak und in Afghanistan jedes Jahr mehr als 20 Milliarden Dollar. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kostet der Krieg Deutschland rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Das Bundesverteidigungsministerium bezifferte die Einsatzkosten in Afghanistan für das Jahr 2011 dagegen auf gut eine Milliarde Euro. Wie viel davon die Klimaanlagen ausmachen, wird nicht aufgeführt.
Erst in der Nacht wird es ein wenig ruhiger, aber auch dann hört man Fahrzeuge, die rund um die Uhr aus dem Lager fahren oder hinein, das tiefe Brummen von Flugzeugen, manchmal auch das aggressive Schlagen der Rotoren von Apache-Kampfhubschraubern, die von der nahe gelegenen US-Basis starten. Für die Luftunterstützung sind die Amerikaner zuständig. In der Nacht höre ich in der Nähe des Lagers die 30-mm-Bordkanone eines Apache. Der Hubschrauber selbst ist nicht zu sehen. Nur kurz blitzt das Mündungsfeuer am Himmel auf. Danach sind wieder nur die Rotoren zu hören.
Am nächsten Morgen mache ich einen Rundgang durch das Feldlager. Auf geschütztem Terrain.
Ab 7 Uhr ist das Licht gleißend, die Sonne ist spürbar. Ab 10 Uhr fängt der Planet an zu brennen. Zwischen 12 Uhr und 16 Uhr wird die Hitze fast unerträglich. Von High Noon an röhren die Klimaanlagen in den Zelten, wo die Besprechungen stattfinden, geradezu verzweifelt. Spätestens um 13 Uhr, wenn das Thermometer 45 Grad erreicht hat, gehen sie in die Knie. Dann ist es besser, draußen zu sein. Die Wege sind so trocken, dass jeder Schritt eine kleine Staubwolke aufwirbelt. Der Staub ist überall, am Ende des Tages klebt er am ganzen Körper. Bei jedem Mal Händewaschen, bei jeder Dusche fließt eine braune Suppe in den Abfluss. Am Abend spüle ich meine Augen mit Salzwasser-Augentropfen aus. Ein Tipp von einem befreundeten Journalisten, der Afghanistan kennt. So entgehe ich der Augen-Entzündung, die einige Soldaten am Anfang ihres Einsatzes plagt. Die Luft in der Region ist voll mit Fäkalien, weil die Bauern mit menschlichen und tierischen Exkrementen ihre Felder düngen. Interessant ist, dass der Körper sich nach ein
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