Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Zweifel an diesem »Auftrag«?
Ich persönlich stehe hinter dem Einsatz. Und es wird ja nicht besser dadurch, dass man fragt: »Was machen wir da unten?« Es bringt auch nichts, wenn ich der Gruppe sage, ich weiß nicht, was wir in Afghanistan tun, oder ich sehe keinen Grund dafür. Man muss ja motiviert sein.
◆ Glaubst du, dass ihr dort etwas bewirken könnt?
Als Einzelner sehr schwierig. Aber im Ganzen – im Zusammenwirken mit den anderen Nationen – glaube ich das schon. Auch wenn es vielleicht noch sehr viel Zeit und Blut kosten wird. Wenn wir die Afghanische Polizei (ANP) und die Afghanische Armee (ANA) so weit haben, dass sie auf eigenen Füßen stehen – dann macht das Sinn.
◆ Du hast »Blut« gesagt. Wie sprecht ihr über die Gefahr einer schweren Verwundung oder gar zu sterben?
Ich meine, wenn man sein Testament ausfüllt (Anmerkung: ein Testament muss – ebenso wie eine Patientenverfügung – von jedem Soldaten vor dem Einsatz aufgesetzt werden), sollte man darüber schon mal gesprochen haben. Aber tiefer hineingehen in diese Ebene will man dann doch nicht. Es bringt nichts, sich den Kopf darüber komplett zu zerbrechen. Ich kann auch in Deutschland vom Auto überfahren werden.
◆ Warum bist du Soldat geworden?
Das war sozusagen mein Kindheitstraum. Ich bin schon, da war ich höchstens sechs, mit dem Holzgewehr durch den Wald gelaufen und hab Soldat gespielt.
◆ Du hast mal erzählt, dass auch dein Vater Soldat war …
Ja, der war vier Jahre bei der Bundeswehr. Er hat der Zeit sehr nachgetrauert und manchmal sogar bereut, dass er weggegangen ist. Ich bin in einem 150-Einwohner-Dorf aufgewachsen, direkt am Truppenübungsplatz. Und, das muss ich sagen, in einer rosaroten heilen Welt.
◆ Was haben deine Eltern dir fürs Leben mitgegeben?
Keine halben Sachen machen, sondern wenn, dann richtig und zu hundert Prozent. Sonst hätte ich tagelang ein schlechtes Gewissen. Ordnung zu halten, habe ich dagegen weniger mitbekommen. Meine Mutter hat immer alles für mich gemacht, vom Wäschewaschen bis zum –zusammenlegen.
◆ Du hast fünf Männerunter dir, der Jüngste 22 Jahre alt. Wie gehst du mit dieser Verantwortung um?
Die ist sehr groß. Was ich versuche, ist, so viel wie möglich an Disziplin und Sicherheit hochzuhalten. So dass nicht einem meiner Soldaten oder einem aus dem Zug durch irgendeinen Fehler etwas passieren könnte. Meine Priorität ist, alles Menschenmögliche daran zu setzen, dass meine Gruppe gesund – körperlich und geistig – aus dem Einsatz wiederkommt.
◆ Gibt es Grundsätze von der militärischen Führung, an denen man sich orientieren kann?
Es gibt viele Erfahrungswerte, zum Beispiel, wenn ein IED (Sprengsatz) hochgeht: Erst mal aus der »Killzone« raus. Erst mal weg vom Fahrzeug, auch wenn da vielleicht Verwundete drin sind. Erst mal Abstand gewinnen. Trotzdem versuchen wir, uns so wenig wie möglich Grundsätze anzueignen, weil – unser Feind ist ja auch nicht doof. Die filmen Hinterhalte. Die ziehen ihre Schlüsse daraus. Und versuchen, beim nächsten Hinterhalt das so zu legen, dass unser Ausweichen genau wieder in ein IED fährt. Also arbeitet man so wenig wie möglich nach Standards. Es gibt sie, aber die muss man variieren.
◆ Was bedeutet Mut für dich?
Mut und Tapferkeit – das ist immer ein sehr schmaler Grat zwischen Dummheit und Wahnsinn. Ich kann in einem Fall mutig sein, wenn ich danach aber drei oder vier Verwundete mehr habe, dann war das nicht mutig, sondern einfach nur dumm. Also muss ich immer den Mittelweg finden.
Der unsichtbare Feind
PRT Kunduz, Feldlager der Bundeswehr
Körner und Chill sitzen auf dem Gang vor ihrer Stube. Mein Zimmer liegt zwei Türen weiter. Ihr Thema: der Einsatz, und ich frage, was Mut für sie als Soldaten bedeutet. Körner guckt, Chill antwortet: »Ich könnte jetzt salopp sagen, wir sind verpflichtet, mutig zu sein. Teilweise vermute ich an mir selber, dass ich gar nicht drüber nachdenke, in welcher Situation das dann wäre. Sobald ’ne Gefahrensituation ist und einer von meinen Leuten ist in Bedrängnis oder muss irgendwo rausgezogen werden, da werde ich nicht überlegen, ob ich, wenn ich jetzt zu dem hinrenne, erwischt werden kann. Ich werde es einfach machen.«
Die Soldaten reinigen ihre Waffen. Körner hat seine P8-Pistole in der Hand, Chill nimmt die Kappe von einem Filzstift: »Wo hast du das hingeschrieben?« Körner: »Außen.« In dem Moment klopft er mit dem Handballen das Magazin in die
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