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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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Waffe. Es klackt. Chill schreibt »A+« außen auf seinen sandfarbenen Stiefel – seine Blutgruppe, als Beschriftung für die Sanitäter bei Blutverlust.
    Die Stimmung in der 3. Kompanie wird wie das Land um sie herum: irgendwie trockener, staubiger. Gedanken an die Familie werden beiseite geschoben. Häufiger hört man: »Ist halt so.« Ähnlich gehen die Soldaten mit der konstanten Bedrohung um. Durchatmen, nicht drüber nachdenken, Gefühle wegstecken. Diese Haltung werden sie beibehalten, jedes Mal, wenn wir von jetzt an das Feldlager verlassen. Ist halt so. Auch mir scheint das gesünder als Grübelei, die nichts bringt.
    Übergabeappell der Task Force Kunduz, Ehrenhain
    Am nächsten Morgen: Der Himmel ist vernebelt vom Staub, der in der Luft liegt. Die Sonne scheint unnatürlich gelb – fast giftig – durch den Sand. Auf dem Ehrenhain, auf dem normalerweise die Fahrzeuge auffahren, bevor sie das Feldlager verlassen, sammeln sich die Soldaten der neuen und der alten Task Force Kunduz.
    Heute soll das Kommando vom alten Bataillons-Kommandeur auf den neuen übergeben. Von nun an führt Oberstleutnant Lutz Kuhn – Kommandeur meiner Soldaten aus Munster – die Task Force Kunduz und ihre Operationen. Damit beginnt auch für Dominic Schellenberger, 31, als Kompanie-Chef und für Jan-Uwe Schröder, 26, als Gruppenführer offiziell ihr Einsatz in Afghanistan.
    Schröder steht neben Sebastian Bachert. Die beiden sehen ungewohnt ernst aus. Bachert, weil er sich an seinen Einsatz in Kunduz 2010 erinnert. Was er damals erlebt hat, wird er mir erst viel später erzählen. Schröder ist angespannt, weil er noch nicht einschätzen kann, was ihn erwartet.
    »Dieses Ungewisse. Das macht mir Sorgen. Einer, der da war, weiß in etwa, was ihn erwartet … aber für die meisten ist es ja eine völlig neue Erfahrung, überhaupt in den Einsatz zu gehen … dass man nicht weiß, was auf einen zukommt.«
    Gleich werden sie zum Übergabeappell antreten. Die wenigsten Soldaten, mit denen ich gesprochen habe, gehen der Frage aus dem Weg, ob sie einen Sinn darin sehen, in Afghanistan zu sein. Schröder: »Jeder, den ich anspreche oder der mit mir spricht, der fragt mich: Was machen wir in Afghanistan? Dann sag ich immer: Ihr seid wählen gegangen oder auch nicht, und ihr seid dafür verantwortlich, dass wir da unten sind. Und schließlich ist es ja auch ein Bündnisfall …«
    Er überlegt spürbar und fügt nach der Pause hinzu: »… unsere verbündeten NATO-Partner sind nun mal auch dort, und wir können nicht immer sagen, wir bauen im Nachhinein alles auf, und die Dreckarbeit müssen die anderen machen.«
    »3. Kompanie: Antreten!«, schreit jemand über den Platz. Die Soldaten nehmen Haltung an. Hunderte Uniformierte stehen in Reih und Glied in sandfarbenen Uniformen auf dem Ehrenhain. Im Hintergrund weht die deutsche neben der afghanischen Flagge.
    »Ich begrüße Sie beim Übergabeappell des Ausbildungs-Schutzbataillons Task Force Kunduz.« Es spricht Generalleutnant Rainer Glatz, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos.
    »Jeder von uns weiß, Kunduz ist einer der Brennpunkte. Nicht nur im Blickpunkt in Nord-Afghanistan. So werde ich, wenn Sie mir das Bild erlauben, den Staffelstab von Oberstleutnant Steinhaus an Oberstleutnant Kuhn übergeben.«
    Die Soldaten salutieren. Aus den Lautsprechern tönt blechern die Nationalhymne. Die meisten Soldaten singen mit. Auch Hauptmann Schellenberger. Als ich ihn einmal nach der Bedeutung von Mut in diesem Einsatz gefragt habe, antwortete er: »Mut ist grundsätzlich mit unserem Auftrag verbunden.« Und dann fügte er hinzu: »Mut beginnt für meine Soldaten, glaube ich, schon damit, nach Hause zu gehen und ihren Angehörigen zu sagen: Ich gehe nach Afghanistan.«
    Und wirklich treffe ich während meiner Zeit in Kunduz einen Soldaten, der mir erzählt, er sei in den Einsatz geflogen – das sei sein Job –, aber seinen Eltern habe er erst kurz vor seiner Rückkehr in einem Telefongespräch gesagt, dass er im Einsatz gewesen sei.

Erste »Raumverantwortung«
    Ein paar Stunden nach der Übergabe-Zeremonie sitze ich mit Schröder, seinen Soldaten vom Foxtrott 4 und den zirka 35 anderen Soldaten des Foxtrott-Zuges in einem Zelt im Feldlager Kunduz. Es ist 12 Uhr – die Klimaanlage dröhnt.
    Zugführer Andi Isensee bereitet seine Leute auf die erste »Raumverantwortung« vor. In der Raumverantwortung gehen die Soldaten über Tage und Wochen in Stellung, um aus den Combat Outposts

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