Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
vorbei. In den Luken die Soldaten an ihren Waffen. Die waffenstarrende Kolonne von Militärfahrzeugen wirkt fehl am Platz in der friedlichen Landschaft. Andererseits: Landschaften sind meistens friedlich.
Stacheldraht wird beiseite geräumt. Der Dingo, der den Eingang blockiert, setzt zurück. Der Foxtrott-Zug fährt ins Safe House ein.
Großes Hallo zur Begrüßung. Und natürlich muss ich mir ein paar Sprüche anhören. Besonders zum Thema »Du und deine Freundin…«. Schröder fragt mich nur kopfschüttelnd: »Junge, warum bist du nicht einfach zu Hause geblieben?«
Wild und Körner stehen etwas unschlüssig mit Zigarette in der Hand neben ihrem Dingo. Wild: »Jetzt stehen wir hier. Jetzt wird es doch wieder dunkel vor dem Aufbauen.« Wenn die Soldaten die Nacht nicht auf dem Wagendach verbringen wollen, müssen sie sich jetzt beeilen.
Schröder erklärt: »Wenn wir eine TAA (Tactical Assembly Area) , also einen Sammelplatz, beziehen, wie jetzt hier, bauen wir uns als Erstes mit einem TARP (Plastikplane als Regen- oder Sonnenschutz) ein Dach über den Kopf.«
Um ihn herum befestigen Chill und Wild die Plane am Dingo und rammen Haken in den Boden. Körner baut derweil die sperrigen Feldbetten zusammen – laut vor sich hin fluchend.
Schröder weiter: »Das ist eigentlich das Wichtigste, dass man die Klamotten wenigstens im Trockenen hat und im Trockenen schlafen kann. Je länger man da bleibt, desto mehr baut man drum herum, damit es noch windgeschützter wird. Das Wetter ist nur noch nass und kalt. Und überall nur Schlamm. Der Lehmboden hier saugt das Wasser relativ gut auf, so dass nicht viele Pfützen entstehen. Aber es ist halt alles nur noch matschig.« Nun weiß ich ja Bescheid. Derzeit sind es etwa 10 Grad, die Luft ist feucht.
Nachdem auch ich mein Feldbett aufgebaut und meine Siebensachen unter der Plane verstaut habe, frage ich Wild, wo es hier zu den Toiletten geht. »Also, das letzte Mal, als wir in Nawabad waren, hatten wir die Lösung, dass wir uns einfach ein Loch in den Boden graben und uns dann sportlich befreien …« Er zeigt auf eine mit einem Plastik-Paravent umstellte Ecke. »Jetzt haben wir Papp-Klos. Im Prinzip ein Karton mit Loch drin. Hier hast du ’nen Müllbeutel. Müllbeutel rein und dann viel Erfolg.«
Und tschüss. Das Örtchen ist gewöhnungsbedürftig, aber funktional. Und durch den Trick mit dem »persönlichen« Müllbeutel auch sauber. Die Soldaten nennen das »Kack und Pack«.
Die erste Nacht unter der Plastikplane schlafe ich überraschend gut. Wir alle haben zusätzlich Gore-Tex-Hüllen zum Überziehen unserer Schlafsäcke bekommen. Die sind wasserdicht, werden bis zur Nasenspitze hochgezogen, und man fühlt sich darin wie die Wurst im Schlafrock. Der Wind schüttelt die Plastikplane in der Nacht ordentlich durch, aber sie hält. Zum Glück regnet es nicht.
Morgens 5:00 Uhr
Schröder ist schon wach und hängt über einer Karte, die er auf seinem Feldbett ausgebreitet hat. Zwei Fahrzeuge weiter steht Hauptmann Schellenberger und putzt sich die Zähne.
In der anderen Ecke des Safe House kniet jemand zum Gebet am Boden. Ein Soldat der afghanischen Armee. Er und seine Kameraden haben neben den Bundeswehrsoldaten Stellung bezogen. Ich kann mir nicht helfen, ich finde: Ganz schön nah dran.
In zuckersüßer Tonlage holt Juwe Schröder seine Soldaten aus dem Schlaf: »Wach werden, meine Häschen!«
Körner, Chill und Wild kriechen aus ihren Schlafsäcken. Chill hat schon eine Kippe im Mund, als hätte er so geschlafen. Die Soldaten sehen platt und ausgelaugt aus. Ich frage Chill nach den vergangenen Wochen: »Eigentlich waren wir andauernd im Einsatz. Wir leben halt in der Lage. Draußen essen. Draußen schlafen. Draußen in der Kälte Patrouille laufen. Zurzeit haben wir kaum Erholungsphasen …«
Er zündet seine Kippe an. Im Hintergrund rasselt ein Schützenpanzer vorbei.
»… wo wir mal wirklich einen Tag für uns haben. Wo wir uns einfach nur regenerieren können. Durch das Wetter, das draußen herrscht, und auch durch den Auftragsstress, der zurzeit herrscht – das lutscht einen langsam, aber sicher aus …«
Jetzt schält sich auch Wild aus seinem Schlafsack. Kippe an.
»… wir sind alle krank und halten uns seit zwei Wochen nur noch mit Tabletten über Wasser.«
Körner setzt Wasser für den Instant-Cappuccino auf den kleinen Campingkocher.
Zugführer Andi Isensee zeichnet mit bunter Kreide eine Operationsskizze an seinen Dingo. Von weitem: moderne
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