Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
im Gefängnis und habe keine Beziehungen zur Außenwelt.
Der Klomann
Der fast siebzigjährige Zhou Minggui hatte sein Leben lang mit Exkrementen zu tun gehabt, und nun, wie es das Glück wollte, in seinen späten Jahren mit einem westlichen Vorort von Chengdu einen Vertrag über eine öffentliche Toilette in der Nähe von einigen Teeläden geschlossen: »Auch das ist ein Lebensunterhalt«, sagte er voller Tatendrang.
1997 hatte ich spät in einer Sommernacht den Teeladen meiner Mutter verlassen und auf der öffentlichen Toilette die Bekanntschaft des alten Zhou Minggui gemacht. Allerdings kannten wir uns vom Sehen schon sehr lange.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und streifte das Selbstverständnis eines sogenannten Intellektuellen ab, um dieses Interview zu führen.
Die Geschichte der öffentlichen Toiletten ist Teil der Stadtgeschichte, aber ich habe bis heute noch keinen Gelehrten getroffen, der sich mit der Erforschung der Geschichte der öffentlichen Toiletten einen Namen gemacht hätte. Diese Lücke wird jetzt hiermit geschlossen.
***
LIAO YIWU:
Großvater Zhou, macht Ihr Eure Toilette nicht zu?
ZHOU MINGGUI:
Es ist gleich zwölf, ich sollte zumachen, jede Einheit hat schließlich geregelte Arbeitszeiten.
LIAO YIWU:
Gilt Euer Geschäft auch als Einheit?
ZHOU MINGGUI:
Natürlich ist das eine Einheit. Ich habe einen seriösen Vertrag mit dem Umweltschutzamt, ich muss im Jahr ein paar tausend Yuan [6] abgeben. Das große und kleine Geschäft kostet für jeden einen Jiao [7] , du als Intellektueller kannst ja einmal ausrechnen, wie viel einzelne Jiao es braucht, bis ich die paar tausend Yuan zusammenhabe! Na, willst du nun aufs Klo oder nicht? Es ist schon nach zwölf, nach den Bestimmungen müsste ich eine höhere Gebühr verlangen, aber bei einem so alten Kunden will ich mal nicht so sein!
LIAO YIWU:
Ich will nicht aufs Klo, ich will Euch auf einen Tee einladen.
ZHOU MINGGUI:
Hehe, das ist aber sehr nett! Ah, hat der Teeladen von deiner Mutter noch nicht zu? Heute Abend hat sie sicher kein schlechtes Geschäft gemacht. Deine Mutter ist ein guter Mensch, jedes Mal, wenn ich sie um einen Schluck Wasser gebeten habe, hat sie mir einen Becher gegeben und nie Geld verlangt. Ich träume ständig davon, wie ich für die alte Dame ein Räucherstäbchen anzünde, und sehe hier in der Nachbarschaft drei Kupferkessel am Kochen, und es ist jeden Tag proppenvoll. Denn je mehr Tee verkauft wird, umso mehr wird gepinkelt, und so kommt unser aller Geschäft in die Gänge.
LIAO YIWU:
Wohin soll ich Euch denn einladen, Großvater Zhou?
ZHOU MINGGUI:
Ich bin nur ein einfacher Klomann, vergiss es!
LIAO YIWU:
Wo gibt es denn heute noch einen Unterschied zwischen einfach und vornehm? Geht die Verwandtschaft des Kaisers nicht aufs Klo?
ZHOU MINGGUI:
Ich habe den Kaiser und seine Verwandtschaft noch nicht auf dem Klo gesehen, jedenfalls nicht auf einer öffentlichen Toilette. Es heißt ja, dass so vornehme Leute im Angesicht der Massen gar nicht können. Naja, ein Spaß. Ich weiß, du bist Schriftsteller und sammelst gern dein Material vor Ort. Musst du eigentlich alles deiner Zeitung melden?
LIAO YIWU:
Bin ich ein kleiner Zeitungsreporter? Außerdem ist hier ja kein Mord passiert.
ZHOU MINGGUI:
Na, wer hat dir denn das erzählt. Vor zwei Tagen, da war ein junger Kerl hinter so einer jungen Gans her, er hat sie hier in meine Toilette getrieben, bekam sie aber nicht zu fassen, die Leute hier drin schrien vor Schreck. Ich sagte meinem Sohn, er solle ihn packen, da zog er mir plötzlich ein Messer. Resultat: Niemand wagte, auf ihn zuzugehen. Der Kerl fing sich das Mädchen und wollte ihr das Gesicht zerschneiden, da fiel sie auf die Knie und bettelte um Gnade. Glücklicherweise habe ich ihnen einen Pissbottich übergeschüttet. Dann kam die 110 . Ohne mich zu fragen, was eigentlich los war, haben sie die beiden mitgenommen. Und jetzt rat mal, was dann passierte! Kaum zwei Tage später tauchten die beiden Spaßvögel wieder auf der Straße auf und hielten sich in den Armen. Ich wollte sie nicht sehen, doch sie kamen ausgerechnet auf mich zu, zeigten mit dem Finger auf meine Nase und legten los: »Du alter Idiot, was fällt dir ein, uns mit Pisse zu überschütten!« Ich gab keinen Laut von mir, doch er schimpfte weiter: »Du aufdringlicher Sack, kümmer dich nächstens um deine eigenen Angelegenheiten. Wenn du schlichten willst, dann geh doch einfach dazwischen und fertig! Wir haben gestunken wie die
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