Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
waren, waren zehn Rechtsabweichler einfach nicht genug.
Aber der Leiter konnte sich nicht entschließen, jemanden grundlos zu beschuldigen. Vielmehr sagte er vor versammelter Mannschaft:
»Das schaffe ich wirklich nicht, ich selbst werde diese Quote vervollständigen. Denn die letzte Instanz im Verlag bin ich, die Verantwortung für etwaige Fehler liegt letztlich bei mir.«
Als Guan Dong das hörte, sagte er aufgebracht:
»Das geht nicht, du hast vier Generationen zu Hause, wenn du dich als Rechtsabweichler zu erkennen gibst und dadurch deine Familie mit hineinziehst, was dann? Lass lieber mich gehen, ich bin ohne Familie und trage für niemanden Verantwortung.«
Der Leiter fragte: »Wird deine Frau damit einverstanden sein?«
Guan Dong darauf:
»Du hast alle meine Behandlungen unterstützt. Dass ich jetzt eine so gute Gelegenheit habe, mich dafür zu revanchieren, darüber können wir beide uns doch gar nicht genug freuen.«
Darauf meinte der Leiter wieder: »Du hast aber nichts gegen die Partei gesagt oder getan.«
Und Guan Dong:
»Ich werde gleich vor all den Leuten etwas gegen die Partei sagen. Wenn das noch nicht reicht, bekenne ich, dass ich, als ich Redaktionsleiter war, viele Manuskripte von rechten Autoren nicht an die letzte Instanz weitergereicht habe, denn ich hätte damals nicht gewusst, dass diese Leute später Rechtsabweichler sein würden.«
LIAO YIWU:
Guan Dong hatte Klasse.
LI YING:
Diese paar Minuten »Klasse« hatten wir zwanzig Jahre lang auszubaden. Kurz nachdem er den Rechtsabweichler auf sich genommen hatte, wurden wir zur Arbeit an der Basis in die Provinz Hebei aufs Land geschickt. Bevor wir uns auf den Weg machten, ging Guan Dong in den Hof seiner alten Arbeitseinheit, um sich von den Kollegen zu verabschieden. Ich hätte nicht erwartet, dass schon nach zwei Monaten alle vergessen hatten, wie er zum Rechtsabweichler geworden war, alle gingen sie ihm aus dem Weg. Eine Genossin, mit der er sich sehr gut verstanden hatte, geriet vor Schreck völlig in Panik, als sie sah, wie dieser Bär von einem Mann auf sie zukam, und stolperte mitten in einen stinkenden Abwassergraben.
Guan Dong gefror sein freundliches Lächeln, er kehrte nach Hause zurück, trank bis spät in die Nacht Schnaps und legte sich hin. Nach einer Weile stand er dann wieder auf und schlafwandelte. Dieses Mal zerschlug er das Fenster und stieg hinaus, im Freien machte er, man glaubt es kaum, Boxübungen. Im Morgengrauen entdeckte ihn jemand unter einem Baum.
Dieses Ereignis deprimierte ihn völlig. Auf dem Land dann schuftete er tagsüber, soviel er konnte, abends vor dem Schlafen verlangte er immer, seine Beine mit einem Seil am Bett festzubinden, mit einem Knoten, der nicht zu öffnen war – diese grausame Gewohnheit behielt er viele Jahre bei, bis wir Ende der siebziger Jahre nach Peking zurückkehrten.
LIAO YIWU:
Haben Sie keine Kinder? Sie haben so große Zuneigung füreinander, und ihre Kinder wären sicher sehr intelligent.
LI YING:
Zu Anfang haben wir wegen der Behandlung der Krankheit keine Rücksicht auf diesen Wunsch genommen. Später war er Rechtsabweichler, ich folgte ihm an die Basis nach Hebei und arbeitete dort in einem Kreiskrankenhaus. Nach den drei katastrophalen Jahren wagten wir es nicht mehr. Guan Dong sagte: »In diesen Zeiten ist es schon für die Erwachsenen nicht leicht zu überleben, wie sollte man da noch Kinder wollen?«
Dann war die Lebensmittelversorgung nicht mehr so angespannt, aber er fürchtete, als Nachkommen eines Rechtsabweichlers würden seine Kinder besonders zu leiden haben.
LIAO YIWU:
In den drei Jahren der Hungersnot wegen der Missernten verhungerten so viele Menschen, wie haben Sie überlebt?
LI YING:
Das Krankenhaus bekam wohl immer ein wenig mehr Getreide als die anderen draußen, und Guan Dong ging gern zum Kreisparteikomitee für eine kostenlose Mahlzeit. Die Leute schüchterte er immer mit den Worten ein: »Wenn ihr einen Rechtsabweichler aus Peking verhungern lasst, diskreditiert das die Kommunistische Partei.«
Unsere Fleischration bestand aus den Plazentas der Frauen, die gerade entbunden hatten, in der Kreisstadt war man damals noch abergläubisch und rückständig, niemand fragte nach solchen Sachen.
LIAO YIWU:
Inzwischen sind die Behandlungsmöglichkeiten recht gut geworden, auch zur Behandlung ins Ausland zu gehen ist einfach. Die Ursache von Dong Guans Krankheit müsste doch zu entfernen sein?
LI YING:
Guan Dong will das Geld dafür nicht mehr
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