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Fraeulein Stark

Titel: Fraeulein Stark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Huerlimann
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blond; der Uniformmantel, elegant in die Taille geschnitten, stand ihm tip-top. Eigentlich war er zu einem Ball verabredet, der Krieg ging allmählich zu Ende, eine Festivität jagte die andere, aber verdammtnochmal, das Mädchen am Grillrost gefiel ihm, es gefiel ihm sehr. Na, Fräulein, immer viel zu tun?
    Sie sah erschrocken auf. Gab es das wirklich: Liebe auf den ersten Blick? Ja, sagte sie. Vorgestern haben sie Ulm bombardiert. Gestern und heute ist wieder Friedrichshafen an der Reihe.
    Die Zahnradfabrik, erklärte der Leutnant. Friert es Sie nicht;
    Neinnein, sagte sie und lächelte scheu, halt immer ein bißchen. Noch eine Bratwurst, Herr Professor?
    Jawoll, rief Tasso Birri, jawoll! Er hatte sich heftig schnaufend an die Seite des Leutnants gedrängt. Das war die Zahnradfabrik!, jubelte er, sic transit gloria mundi, gestern die Zeppelinwerke, heute die Zahnradfabrik, danken wir Schweizer unserem Herrgott, daß es mit dem Hitler-Reich zu Ende geht!
    Hastig biß er den Zipfel einer Wurst ab, ließ sich gleich eine weitere reservieren, dann lud er den Leutnant kauend und schmatzend ein, gemeinsam mit ihm auf den Damm zu steigen. Es ist heute nacht wieder so hell, verkündete er, daß man die Zeitung ohne Lampe lesenkann! Übrigens, Birri ist mein werter, Tasso Birri, Gymnasialprofessor, ich war von Anfang an dagegen.
    Der Leutnant legte die flache Rechte an den Mützenschirm. Sehen wir uns noch?, fragte er leise.
    Vielleicht, sagte Theres. Wenn die Nacht wieder dunkel ist.
    Der Leutnant sollte später mein Vater werden und die schöne Theres, die Tochter des Bademeisters Dr. jur. Joseph Katz, meine Mutter.

47
    Billiges Parfüm der Hurenhäuser! Diesen Ausdruck hatte ich in einem der Bücher aus den ersten Bibliothekswochen entdeckt, und ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß es die Hilfsbibliothekare waren, die mir das Buch empfohlen hatten. Es handelte von einem jungen Mann, der einer Chansonette immer weiter nach Osten folgt, von Batavia über Hongkong nach Shanghai, von einer Hafenstadt zur nächsten, vom Tingeltangel in die Bordelle, schließlich ins Fieber, in den Wahnsinn, in den Tod. Kein Zweifel, in der Küche der Stiftsbibliothek roch es nach dem billigen Parfüm der Hurenhäuser.
    Umkehren; Zurück in die Kammer, ins Bett, unter die Decke; Ausgeschlossen. Die Nase hatte mich geweckt, ich mußte ihr folgen, ob ich wollte oder nicht. Ich schluckte. Zählte bis drei, dann klopfte ich, stieß die Tür zur Küche auf und spielte, nicht mal ungeschickt, den Verschlafenen, der, vom Licht geblendet, blinzelnd um ein Glas Wasser bittet.
    Das Fräulein saß allein am Tisch.
    Sie trug eine Bluse, Krausen am Hals, Krausen am Ärmel, und auf dem Kopf, keck vor den Apfel gesetzt, das Hütchen mit der Feder. Eine Weile sagten wir kein Wort. Ich trank einen Schluck. Dann sagte
    das Fräulein: Ich gehe.
    Wie bitte?!
    Trotziges Nicken, ein kurzer Schniefer, offenbar hatte sie vorher geheult.
    Sie verströmte den billigen Parfümduft, vermutlich das Geschenk eines Altherrn, und wie ein prall gepackter Rucksack und ihr Täschchen aus Krokoleder zeigten, schien sie wirklich und wahrhaftig entschlossen zu sein, die Bibliothek bei Nacht und Nebel zu verlassen.
    Mein Gott, durchfuhr es mich, hatte sie etwa meine Kniestrümpfe untersucht? Gut, zugegeben, besonders intelligent war es nicht, mich Abend für Abend aus dem Koffer zu bedienen, aber der Weg zum Abort führte durch das nachtdunkle Labyrinth des Katalogsaals, wo ich mich immer ein wenig fürchtete, und das Laken durfte ich nicht
    mehr beflecken. Ein kaum lösbares Problem, denn was raus muß, muß raus, und leider verlor der Klosterschüler, kaum war er eingeschlafen, die Kontrolle über den Katzenschwanz. Was tun? Er konnte höchstens versuchen, den nächtlichen Erguß vorwegzunehmen, und da er zu den Kniesocken ein besseres Verhältnis hatte als der kleine Katz, fischte der Klosterschüler vor dem Einschlafen noch geschwind einen Kniestrumpf aus dem Koffer, zog ihn über den Katzenschwanz und rieb daran, bis die Spermatikoi in die Wolle schossen.
    Sie schniefte wieder. War ich tatsächlich aufgeflogen? Hatte sie meine Kammer durchsucht und aus dem Koffer einen spermatikoiverklebten Kniestrumpf gezogen;

48
    Plötzlich sagte das Fräulein: Katz hat ein Mäuschen.
    Hatte ich richtig gehört?
    Vize Storchenbein hat es mir gesteckt. Sie heißt Nares.
    Donnerwetter! Ich schluckte. Glotzte blöd. Was für eine Nachricht mein braver, angeblich über alles Niedere

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