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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Gesprächspartner.
    »Ich glaube nicht.«
    »Mr. Herb Clemente ist der Direktor des
Sunrise-Blindenzentrums. Miss Sharon McCone, sie wohnt in dem Haus, in dem sich
das Unglück ereignet hat. Miss McCone arbeitet als Privatdetektiv.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Der
Mann, der Clemente hieß, machte eine Verbeugung. Ich rechnete schon damit, daß
er im nächsten Augenblick die Hacken zusammenschlagen würde.
    »Ganz meinerseits«, entgegnete ich.
»Und — ich möchte Ihnen danken dafür, daß Sie Gus Antonio geholfen haben.«
    Er machte eine wegwerfende Geste. »De
nada. Der arme kleine Kerl stand auf der Straße, er war hilfloser als die
meisten Insassen unseres Zentrums. Außerdem — ich habe eigentlich nur ein
einziges Mal telefoniert, um ihm zu helfen.« Er brach ab und zog die Stirn in
Falten. »Aber natürlich muß man sich auch in Zukunft um ihn kümmern. Denn das
jetzt war nur eine vorübergehende Hilfe. Wenn Sie irgendwelche Vorschläge
machen können, Miss McCone, würde ich mich freuen, darüber zu hören.«
    »Wenn mir etwas einfällt, lasse ich es
Sie wissen.«
    Ich durchquerte den Gang zu den
Kühlschränken und wählte eine Flasche Grey Riesling aus. Auf dem Rückweg zur
Ladentheke blieb ich kurz vor der Tiefkühltruhe stehen. Frühlingsrollen,
Kohlrouladen, Blumenkohl, Artischockenherzen, weiße Bohnen... Ich bückte mich,
fischte eine Packung heraus und nahm sie samt dem Wein mit zur Kasse.
    Draußen auf dem Gehsteig warf ich einen
Blick auf meine Armbanduhr. Es war kurz vor sechs, aber ich fühlte wenig Lust,
zurückzukehren in mein verdrecktes, deprimierendes Apartment. Ein paar Türen
weiter lockten die freundlichen Lichter von Ellens Kneipe. Ich entschied mich,
dort erst einmal einzukehren und einen Schluck zu trinken.
     
     
     

Kapitel
7
     
    Ich kletterte auf einen Barhocker am
Tresen und ließ mir von Stanley, Ellens hagerem Mann, ein Glas vom weißen
Hauswein einschenken, wie üblich.
    »Wie geht’s?« fragte er.
    »Gut. Und selbst?«
    »Ich lebe. Warum haben Sie sich Ihre
Flasche selbst mitgebracht?« Er deutete auf meine braune Papiertüte.
    »Ich komme vom Einkaufen, das ist
alles. Könnte ich ein Roastbeef-Sandwich bekommen?«
    Stanley zog die Stirn in Falten. »Soll
das etwa Ihr Abendessen sein?«
    »Vermutlich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sharon, wie
oft soll ich Ihnen noch sagen, daß Sie vernünftig essen müssen? Sie brauchen
Obst und Gemüse, grünen Salat und... Übrigens, ich kann Ihnen zum Roastbeef
einen Salat machen, zum gleichen Preis.«
    Ich seufzte. »Okay, Stanley, geben Sie
mir einen Salat. Aber ich möchte dafür bezahlen, bitte.«
    Dabei wurde mir wieder einmal bewußt,
wie sehr ich mich in dieser Kneipe zu Hause fühlte. Die große, beleibte,
mütterliche Ellen bereitete die besten Sandwiches der Welt, und der kleine
Stanley gab seine überlegten, väterlichen Ratschläge dazu. Zusammen waren sie
ein Stück jener immer seltener werdenden Tradition gemütlicher Kneipen, wie sie
in San Francisco früher an jeder Straßenecke den Gast angelockt hatten.
    Während ich aß, ließ ich meinen Blick
im Spiegel hinter der Bar in der kleinen Kneipe umherwandern. Es war noch früh
am Abend und an der Theke saßen nur zwei andere Gäste, Männer, die ich nicht
kannte. Eine Frau, die in meinem Haus wohnte, saß an einem der Tische und las
eine Illustrierte, und ein Mann, den ich aus dem Waschsalon kannte, hatte sich
allein neben dem großen Fenster zur Straße niedergelassen und studierte
einzelne Züge auf einem Schachbrett.
    Ich hatte mein Sandwich verzehrt und
mir noch ein zweites Glas Wein bestellt, als mich jemand von hinten ansprach.
»Sharon McCone! Wie schön, daß wir uns schon wieder begegnen.«
    Ich drehte mich herum und erblickte Herb
Clemente. »Da Sie nur ein paar Blocks von hier wohnen, ist das nicht so
ungewöhnlich. Sie wohnen doch im Zentrum, oder täusche ich mich?«
    »Ja, im ehemaligen Pfarrhaus. Seitdem
ich dort hause, komme ich mir richtig heilig vor. Trinken Sie einen Schluck mit
mir?«
    »Mit Vergnügen.« Ich nahm mein Weinglas
und die Einkaufstüte und folgte Clemente zu einem Ecktisch. Stanley folgte uns
und brachte Clemente ein Glas Bier.
    »Auf die neuen Freundschaften.«
Clemente hob sein Glas zum Toast. »Ich hoffe, sie sind alle so hübsch wie Sie.«
Er beugte sich vor, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und in seinen dunklen
Augen waren Humor und Klugheit zu erkennen.
    »Sie schmeicheln«, erwiderte ich, »und
ich muß zugeben, es

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