Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
ich
noch ein paar Stunden auf der Couch schlafen kann.«
    Er grinste. »Entschuldige. Bei mir ist
es schon Gewohnheit bis in die frühen Morgenstunden herumzusitzen. Ich besorge
dir eine Decke.«
    Ich spülte noch die Kaffeetassen und
machte es mir, nachdem Hank die Decke gebracht hatte, auf dem Ledersofa in
unserem Wartezimmer bequem. In meinem Kopf drehte sich immer noch alles. Es ist
bestimmt der Brandy, sagte ich mir noch, dann war ich schnell und tief
eingeschlafen.
     
     
     

Kapitel
18
     
    Als ich am nächsten Morgen erwachte,
schaute ein großes, unbewegliches braunes Auge auf mich herunter. Ich fühlte
leise, schwache Atemzüge an meinem Gesicht.
    Eine Stimme sprach ein paar Worte
Chinesisch, dann verschwand das Auge. Ich fuhr hoch und sah, wie ein kleines
Mädchen hinüberlief zu seiner Mutter, die in einem der Sessel saß und strickte.
Sie schimpfte das Kind aus und zog es in den Sessel neben dem ihren.
    Ich legte mich wieder zurück und
schaute auf meine Armbanduhr. Fast zehn! Warum ließ man mich verschlafen, hier
im Wartezimmer, in Gegenwart unserer Klienten?
    Eilends stand ich auf und legte die
Decke zusammen. »Ich habe eine lange Nacht hinter mir, war bis in die
Morgenstunden mit einem Prozeß beschäftigt«, murmelte ich und zog mich auf den
Korridor zurück.
    Weiter unten stieß ich beinahe mit Hank
zusammen. Er hatte meine Handtasche und meine Jacke bei sich. »Hier, nimm«,
meinte er knapp, »und gib mir die Decke.«
    »Was — was ist...«
    »Greg ist vorne. Ted versucht, ihn
hinzuhalten. Aber dir empfehle ich, von hier abzuhauen, wenn du nicht willst,
daß deine Untersuchungen für dich in einer Zelle enden.«
    »O mein Gott! Danke, Hank. Ich — «
    »Mach schon!«
    Ich rannte durch das Wartezimmer und
durch die Küche zum Lieferanteneingang. Als ich durch das Gartentor auf die
schmale Straße kam, die sich hügelaufwärts wand, fragte ich mich, was sich wohl
die Klientin mit dem kleinen Mädchen gedacht haben mochte. Aber wenn sie schon
öfters bei uns gewesen war, mußte sie an die meisten Spielarten sonderbaren
Verhaltens gewöhnt sein.
    Die Steintreppe am Ende der Straße war
schlüpfrig vom leichten Regen, eine Seltenheit im Juni. Als ich meinen MG
erreicht hatte und eingestiegen war, ließ ich ein paar Minuten lang die Heizung
laufen. Ich sah blaß aus im Rückspiegel, und mein Haar war klebrig und
zerzaust. Ich bürstete es, was ein wenig half. Aber ich hätte dringend eine
Zahnbürste gebraucht, ein Bad und frische Kleidung. Außerdem hätten mir ein
oder zwei Aspirin nicht geschadet.
    Greg war also hinter mir her. Das
bedeutete, daß er höchst wahrscheinlich meine Wohnung überwachen ließ. Und Greg
über meine äußerst komplizierten Entdeckungen zu informieren, war so ziemlich
das Letzte, was ich mir an diesem Vormittag wünschen konnte. Ich würde nur Zeit
vergeuden bei der Erklärung, warum ich den Tatort eines Mordes verlassen hatte,
und obendrein meine Lizenz als Privatdetektiv aufs Spiel setzte. Es gab nur
einen Ausweg für mich: Ich mußte den Mörder finden und ihn Greg wie eine
Bonbonniere präsentieren.
    Also fuhr ich in die Guerrero Street
und verfluchte meine Wischerblätter, die nicht imstande waren, den Nässefilm
auf der Windschutzscheibe zu beseitigen. Natürlich stand ein neutrales Fahrzeug,
das meilenweit nach Polizei roch, vor meinem Haus. Ich wandte beim Vorbeifahren
den Kopf ab und fuhr weiter zur nächsten Kreuzung.
    Vor dem Lebensmittelgeschäft herrschte
Hochbetrieb. Lieferwagen der Großmarkthalle, der Bäckerei und des Getränkelieferanten
standen in zweiter Reihe davor und wurden ausgeladen. Mr. Moe wieselte durch
die Stapel von Kisten auf dem nassen Gehsteig und schleppte eine nach der
anderen hinein in den Laden. Angesichts seiner nächtlichen Unternehmungen sah
er erstaunlich frisch und adrett aus.
    Als die Ampel auf Grün zeigte, bog ich
nach links ab in Richtung auf die kleine Gasse hinter meinem Haus. Ich hielt
vor der Garage und schaute hinauf zu meinem Fenster. Die Vorhänge waren
zugezogen. Und niemand, der an einen Polizisten erinnerte, lungerte in der
Gasse herum.
    Ich parkte den MG hinter den Mülltonnen
und ging dann über einen schmalen Weg zu Tim O’Rileys Wohnung im Souterrain
neben dem Heizungskeller. Dann klopfte ich an seine Tür und schaute mich
zugleich besorgt um. Tim kam und öffnete.
    »Sie!« rief er und betrachtete mich aus
prüfenden, blutunterlaufenen Augen.
    »Psst!« Ich drängte an ihm vorbei
hinein in die Wohnung.

Weitere Kostenlose Bücher