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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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schlau, also kannst
du davon ausgehen, daß er sich abgesichert hat.«
    »Ich frage mich«, meinte Hank nach einer
Weile, »warum er dann aber riskieren will, gestohlene Waren in den Regalen des
Blindenzentrums anzubieten.«
    »Ich bezweifle, daß er das vorhat.
Clemente hat das vermutlich nur so gesagt. Das Zentrum ist wahrscheinlich ein
Umschlagplatz für Hehlerware auf dem Weg zu ihrem Käufer. Und was für ein
Umschlagplatz!« Ich lachte.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Wenn man Ware, die niemand sehen soll,
sicher aufbewahren will, gibt es kaum einen besseren Ort als ein
Blindenzentrum.«
    Jetzt grinste auch Hank.
    »Es würde auch erklären, warum das beim
Brand beschädigte Dach nicht schon längst ausgebessert worden ist«, fügte ich
hinzu. »Clemente hat vermutlich keineswegs die Absicht, die Werkstatt in die
Kirche zu verlegen, denn das würde noch mehr Besucher — solche, die gut sehen
können — bedeuten.«
    Ich stützte mein Kinn auf die Hände und
schaute durch das Küchenfenster hinaus auf die Lichter der Stadt. Die Häuser
waren nach und nach ins Dunkel getaucht — erst jetzt wurde mir bewußt, daß es
nach zwei Uhr morgens war. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen, vor
Aufregung oder vom Brandy.
    Hank dagegen schien noch keineswegs
müde zu sein. »Und die Leute draußen in der ehemaligen Fabrik?« fragte er. »Wer
sind sie?«
    »Wahrscheinlich die Diebe. Es sah so
aus, als wollten Moe und Neverman eine Übergabe vorbereiten.«
    »Ich habe erst letztes Wochenende über
großangelegte Diebstähle gelesen«, sagte Hank. »Mal sehen, ob ich es noch
finde.« Er ging rasch hinüber in sein Büro.
    Ich seufzte erschöpft. Hank gehörte zu
den Leuten, die nach jeder Art von Informationen gierten. In seinem Büro hingen
Landkarten und Stadtpläne aller Arten und Größen an den Wänden. Er hob seine
Hefte von National Geographics jahrelang auf, hatte die New York
Times, die Washington Post und das Wall Street Journal abonniert,
ferner die beiden Tageszeitungen von San Francisco. Nicht selten stapelten sich
die alten Zeitungen und Zeitschriften turmhoch in seinem Büro. Aber mit einem
Gefühl, das genauer war als Radar, entdeckte er immer die Ausschnitte, nach
denen er suchte. Wenn er jetzt damit anfing, würden wir in dieser Nacht ‘.überhaupt
keinen Schlaf finden.
    Er kam zurück in die Küche und hatte
einen Teil des San Francisco Chronicle in der Hand. »Hier ist ein
Artikel über den Diebstahl von zwei Containern mit Tanqueray-Gin, die am
vergangenen Donnerstag aus der Lagerhalle der Circle-Werft in Alameda
verschwunden sind«, verkündete er. »Und es sieht so aus, als hätte sich jemand
mit vier Meter langen und zwei Meter breiten Containern aus dem Staub gemacht.
Der Wert der gestohlenen Ware liegt bei vierhundertsechzigtausend Dollar.«
    Er blätterte in der Zeitung.
»Interessant für uns ist die Statistik über Frachtdiebstähle. In dem Artikel
heißt es, daß die Summe der in den Häfen von San Francisco, Oakland und Alameda
sowie in den beiden Flughäfen abhanden gekommenen Waren allein im letzten Jahr
knapp zweihunderttausend Dollar betrug — und es heißt, daß diese Zahl durchaus
um zwanzig Prozent höher liegen könnte. Dieser neue Diebstahl wird die Zahlen
dieses Jahres ganz schön in die Höhe schnellen lassen!«
    Hellwach und mit leuchtenden Augen
beugte sich Hank über den Artikel und deutete mit dem Zeigefinger auf die
Zeilen. »Hier schau dir das an! Es heißt: ›Jeder, der mit der Arbeit in den
Häfen vertraut ist, wird behaupten, daß er selbst nichts klaut, aber daß viele
seiner Kollegen das Klauen als einen durchaus normalen Nebenverdienst ansehen.«‹
    Ich gähnte. »So ungefähr hat es mir
Neverman auch geschildert.«
    »Es heißt, es sei äußerst schwierig,
das schwache Glied in der Sicherheitskette ausfindig zu machen — es kann bei
der Frachtstation zu suchen sein, nachdem die Fracht durch den Zoll gegangen
ist, bei den Fahrern der Spedition oder im Lagerhaus des Empfängers, nachdem
die Fracht abgenommen worden ist.«
    Wieder mußte ich gähnen.
    »Das Lagerhaus der Circle-Werft hat
außerdem kürzlich einundfünfzig Säcke kolumbianischen Kaffee eingebüßt, im Wert
von zwanzigtausend Dollar. Kein Wunder, daß der Kaffee so teuer geworden ist.
Auch Cornedbeef gehört zu den Waren, die häufig verschwinden. Ich frage mich,
warum...« Er hielt inne und schaute mich mit gefurchter Stirn an. »Langweile
ich dich?«
    »Ehrlich gesagt, ich frage mich, ob

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