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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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»Machen Sie schnell die Tür zu!« * —
    Er runzelte die Stirn, tat aber, was
ich sagte. »Sie stecken ganz schön im Schlamassel«, erklärte er vorwurfsvoll.
    »Ich weiß. Wo ist der Polizist?«
    »In der Vorhalle. Mein Gott, dieses
Haus kommt mir bald vor wie eine Zweigstelle des Leichenhauses. Haben Sie sie
wirklich umgebracht?«
    »Natürlich nicht. Man will mir nur ein
paar Fragen stellen.«
    Tim schaute mich skeptisch an. »Wissen
Sie denn etwas?«
    »Die Polizei glaubt es zumindest.«
    »Und warum setzt sich Ihr Freund nicht
für Sie ein? Er ist schließlich bei der Polizei.«
    Greg würde sich nicht für mich
einsetzen, nicht nach dem, was ich getan hatte. Viel wahrscheinlicher war es,
daß er versuchte, mir die Lizenz entziehen zu lassen. Ich ignorierte Tims Frage
und schaute mich in seiner Wohnung um. Sie war kleiner als die meine, mit
hellgrün gestrichenen Rauhputzwänden. Er hatte sie mit Stierkampfplakaten
dekoriert und mit jenen schrecklichen Samtbildern, wie sie in den Städten an
der Grenze nach Mexiko verkauft wurden. Und auf sämtlichen ebenen Oberflächen
standen Souvenirs von seinen alljährlichen Anglerferien in Mexiko — überwiegend
Aschenbecher, die er in billigen Motels geklaut hatte.
    Tim breitete resignierend die Hände
aus. »Da Sie schon einmal hier sind, möchten Sie einen Schluck Bier?«
    »Nein, danke, nicht so früh am Tag.
Haben Sie Kaffee?«
    »Das Zeug kann ich nicht trinken, aber
es kann sein, daß etwas Pulverkaffee da ist. Ich trinke lieber ein Bier — dann
fängt der Tag wenigstens richtig an.«
    Nach seiner Fahne zu urteilen, hatte er
für ihn bereits goldrichtig begonnen.
    Ich setzte mich auf einen Korbstuhl.
Als Tim wieder auftauchte, fragte ich: »Glauben Sie, Sie könnten hinauf gehen
in meine Wohnung und mir frische Sachen zum Anziehen holen?«
    »Ausgeschlossen. Der Bulle würde es
sofort merken, wenn ich mit einem Arm voll Weiberzeug durch das Haus
schleiche.«
    »Sie haben recht.« Ich rührte den
Kaffee um. »Haben Sie Linnea heute schon gesehen?«
    »Nee. Wahrscheinlich schläft sie ihren
Rausch aus. Sie war richtig voll gestern abend, als Ihr Freund sich mit ihr
unterhalten hat. Übrigens ist sie ziemlich eklig gewesen zu ihm.«
    »Sie hat allen Grund dazu.« Ich
erinnerte mich an das, was mir Linnea von ihrer vorherigen Begegnung mit Greg
berichtet hatte.
    »Na ja, dann fürchte ich, muß ich das
Zeug hier anlassen. Könnte ich mich wenigstens ein bißchen frischmachen?«
    Es klopfte an der Tür.
    Tim und ich starrten mit aufgerissenen
Augen hinaus in die Diele.
    »In den Schrank«, flüsterte er, zerrte
mich hoch und schubste mich in einen Alkoven, der durch einen Vorhang
abgetrennt wurde. Ich blieb dahinter stehen und versuchte, mich mit Tims
einzigem Anzug zu tarnen.
    »Ja? Wer ist da?« Ich hörte, wie Tim
die Tür entriegelte.
    »Ich bin’s, Gus.«
    »Komm rein. Hier ist ganz schön was
los, wie?«
    »Kann man wohl sagen.«
    »Was gibt’s?«
    »Ich möchte etwas auf die nächste
Monatsmiete anzahlen.«
    »Die Miete? Ich dachte, du gibst die
Wohnung auf?«
    »Nein.« In seiner Stimme war Stolz zu
erkennen. »Ich bleibe.
    Ich habe nämlich jemanden gefunden, der
zu mir zieht.«
    »Und wer ist das?«
    »Sebastian. Er hat sich entschlossen,
das Blindenzentrum zu „ verlassen und zu mir zu ziehen.«
    Tim knurrte: »Und du glaubst, daß du
dir die Wohnung leisten kannst?«
    »Na klar«, erwiderte Gus etwas
verärgert. »Ich habe genug Geld.«
    »Okay, dann gib her.«
    »Reichen fünfzig, bis ich den Rest
beisammen habe?«
    »Sicher. Warte, ich gebe dir eine
Quittung.«
    Ich riskierte einen Blick durch einen
Schlitz im Vorhang. Tim kramte auf dem Resopaltisch nach dem Quittungsblock.
Gus ging im Zimmer auf und ab und las die Inschriften auf den Aschenbechern.
    »Draußen regnet es in Strömen«,
bemerkte er. »Das ist der miserabelste Juni, den es hier je gegeben hat. Ich
mußte rüber in den Laden, um mir Fertigmenüs zu kaufen, damit sie bis zum
Mittagessen aufgetaut sind.«
    Ich unterdrückte das Bedürfnis zu
lachen. Sebastian hatte recht: Jemand mußte Gus das Kochen beibringen.
    Aber Tim war offenbar auch kein großer
Koch vor dem Herrn. Er erwiderte lediglich: »Ihr macht es euch dort oben wohl
schon gemütlich, wie?«
    »Klar. Es ist eine hübsche Wohnung. Das
ist mir gar nicht bewußt gewesen, als ich mit Molly dort wohnte. Übrigens, morgen
ist die Beerdigung. Kommst du?«
    »Darauf kannst du dich verlassen.«
    »Hoffentlich hört es bis dahin

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