Frag die Toten
zu duschen und sich herzurichten, damit sie sich aus dem Haus wagen konnte. Dann bestellte sie ein Taxi, das sie in einer Stunde abholen sollte. Sie blieb unter der Dusche, bis das heiße Wasser alle war.
Sie zog sich langsam an. Wollte hübsch aussehen. Ihre Garderobe war nicht sehr umfangreich, doch sie fand etwas, das ihren Körper locker umspielte und den Zweck erfüllte. Als der gelbe Wagen um die Ecke kam, stand sie schon vor dem Haus. Der Fahrer fragte sie, wo er sie hinbringen solle.
»Zur Polizei«, sagte sie.
»Wird gemacht«, sagte er. Dann lachte er. »Ich dachte schon, Sie sagen vielleicht: ins Krankenhaus.«
»Ich hab noch zwei Monate«, sagte Melissa. »Ich kriege mein Baby schon nicht in Ihrem Wagen.«
»Gut zu wissen«, sagte er und legte den Gang ein. »In meinem Wagen hat noch nie jemand ein Kind gekriegt, und ich kann gut damit leben, wenn’s nie passiert.«
Den Rest der Fahrt schwieg sie. Es gab zu vieles, über das sie nachdenken musste.
Zum Beispiel darüber, wie wütend ihr Vater auf sie sein würde.
[home]
Zwölf
G arfield ließ sich Zeit in der Küche. Doch als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte er ein Bündel Geldscheine in der Hand und sein Scheckheft.
»Ich habe sogar noch vierhundertzwanzig Dollar im Haus, die können Sie haben, und den Scheck habe ich auf fünfhundertachtzig ausgestellt«, sagte er und reichte ihr beides. »Das Feld, wo Ihr Name reinkommt, habe ich frei gelassen. Ich wusste nicht, wie man den schreibt. Ist ja auch ein seltsamer Name, den Sie da haben.«
Offensichtlich hatte er vergessen, dass ihre Karte in seiner Hemdtasche steckte, aber das machte nichts, sie konnte den Namen später selbst einsetzen. Mit einem schnellen Blick vergewisserte sie sich, dass der Scheck sonst vollständig ausgefüllt war. Man sollte es nicht für möglich halten, was die Leute sich einfallen ließen, damit die Bank den Scheck nicht anerkannte. Ein Fehler beim Datum, keine Unterschrift. Keisha kannte alle Tricks. Hatte sie selbst angewendet. Bei ihrem Vermieter, zum Beispiel. Doch der Scheck sah gut aus. Sie fächerte die Geldscheine auf, überzeugte sich, dass der Betrag stimmte, steckte den Scheck zu den Scheinen und alles zusammen in eine Innentasche ihrer Handtasche, die sie schließlich offen neben sich auf den Teppich stellte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie. »Sie waren ziemlich lange weg.« Sie hatte sich schon gefragt, ob er womöglich die Polizei rief.
»Alles bestens«, sagte er, »hab nur nicht gleich was zum Schreiben gefunden.«
»Sie hätten mich fragen sollen. Ich habe immer den einen oder anderen Stift dabei.« Sie nahm ihre Tasche.
»Ich habe einen in der Schublade gefunden.«
»Gut, wollen wir dann weitermachen?« Sie stellte die Handtasche wieder auf den Boden.
»Möchten Sie Kaffee?«, fragte er.
»Nein, machen Sie sich keine Umstände.«
»Ich war gerade dabei, einen Tee zu kochen, als Sie klingelten. Tee?«
»Nein, vielen Dank.«
Garfield setzte sich auf die Couch. »Wohnen Sie hier? In Milford?«
Was war jetzt los? Sie hatte Garfield schon fast so weit gehabt, mit dieser Geschichte über das Auto seiner Frau. Dass es sich nicht auf der Straße befand. Er war neugierig gewesen, daran bestand kein Zweifel.
Der ideale Moment, ihn um das Geld anzugehen.
Und er war auch gleich in die Küche marschiert, um es zu holen und ihr den Scheck auszustellen. Jetzt war er wieder da, sie konnte loslegen, und was machte er? Fragte, ob sie Kaffee wollte. Oder lieber Tee. Wo sie wohnte.
Wollte er Zeit schinden? Vielleicht hatte er ja wirklich die Polizei gerufen, als sie ihn nicht sehen konnte, und gesagt, bei ihm sei eine Verrückte, die versuche, aus seiner Notlage Profit zu schlagen. Aber hätte sie das nicht gehört? Dass er die ganze Zeit in der Küche war, hatte sie ja auch gehört.
»Verzeihung, wie war die Frage?«
»Wohnen Sie in Milford?«
»Ja, gar nicht weit von hier. Kurz vor der Brücke nach Stratford. Wir wohnen da schon länger.«
»Kinder?«
»Ich habe einen Sohn. Er ist zehn.«
»Einen Sohn«, sagte er beinahe sehnsuchtsvoll. »Es wäre schön gewesen, einen Jungen zu haben. Nicht, dass ich bedaure, dass wir Melissa haben. Aber ein Junge, zusätzlich zu Melissa, das wäre toll gewesen.« Er lächelte. »Leben Sie das ganze Jahr über in der Stadt, Keisha? Oder haben Sie ein Ferienhäuschen?«
Keisha fand sein Verhalten immer merkwürdiger.
»Ich habe nur diese eine Wohnung, Mr. Garfield, da lebe ich das ganze Jahr. Wollen
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