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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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und sie fragt, worauf ich warte. Ich könnte doch schon mal sehen, ob ich mich anmelden kann, obwohl das doch völlig sinnlos ist, weil ich doch erst den ganzen Highschool-Kram hinter mich bringen muss, und das weiß sie auch ganz genau. Aber sie sagt, wenn ich mich frühzeitig bewerbe, dann sehen die, dass mir wirklich was daran liegt, und ich sage, Mensch, jetzt mach halt nicht so einen Stress. In ein paar Wochen krieg ich ein Baby, und ich muss an so vieles denken, und vielleicht mach ich mir ja Gedanken um meine Zukunft, aber muss ich deswegen sofort was unternehmen, jetzt gleich in dieser Sekunde? Und sie sagt, dafür brauchst du keine fünf Minuten, mach’s jetzt gleich, und ich schneide dir deinen Sellerie und deine Karotten, ich schneide sie sowieso viel zu groß, und sie will mir das Messer wegnehmen, und ich weiß nicht, was passiert ist, aber irgendwie bin ich wohl ausgerastet, verstehen Sie?«
    »Klar«, sagte Rona Wedmore mit einem teilnahmsvollen Nicken.
    »Ja, und auf einmal, keine Ahnung, wie das passiert ist, aber irgendwie steckt das Messer in ihr drinnen, und dann hab ich’s ihr wahrscheinlich noch ein zweites Mal reingestoßen, und dann guckt sie mich an, so wie ›Was hast du getan?‹, und dann fällt sie um. Und rührt sich nicht mehr.«
    »Was haben Sie dann gemacht? Haben Sie daran gedacht, die Rettung zu verständigen?«
    »Ich glaube, ich habe erst mal völlig durchgedreht. Aber irgendwie hab ich’s geschafft, meinen Dad anzurufen.«
    »Verstehe.«
    »Ich hab gesagt, es ist was mit Mom, du musst sofort kommen, und er hat gefragt, hat sie einen Herzanfall oder so, und ich sage, nein, und er sagt, ich soll den Notruf wählen, und dann hab ich gesagt, ich hab auf sie eingestochen, und sie atmet nicht und rührt sich nicht, und er ›Was?‹. Und er sagt, ich soll gar nichts tun, und er ist gleich da.«
    »Um Ihnen zu helfen.«
    Melissa nickte. »Und er war wirklich schnell da und hat voll Panik geschoben und hat einen Blick auf Mom geworfen und gesehen, dass sie tot war, und dann hat er gesagt, er muss nachdenken. Ich hab ihn gefragt: ›Muss ich jetzt ins Gefängnis? Muss ich mein Baby im Gefängnis kriegen?‹, und er hat nur gesagt, ich soll still sein, er muss nachdenken. Und dann ist ihm diese Idee gekommen. Er hat Mom über den Hinterausgang aus dem Haus gebracht und in ihr Auto gesetzt, und dann hat er gesagt, ich soll in seinem Wagen hinter ihm herfahren. Und ich bin ihm bis zu diesem See nachgefahren, und er ist mit dem Auto aufs Eis hinausgefahren, und es ist eingebrochen, und ich glaube, den Teil habe ich Ihnen schon erzählt.«
    »Und was geschah dann?«
    »Dad ist mit zu mir gefahren und hat alles sauber gemacht. Alles war voller Blut. Es war grauenhaft. Es hat Stunden gedauert, alles sauber zu kriegen. Ein Glück, dass meine Mitbewohnerin nicht da war, sonst hätte sie alles gesehen, und das wäre schlimm gewesen. Ich konnte meinem Dad nicht helfen beim Saubermachen. Ich war völlig mit den Nerven runter und todmüde. Nach allem, was passiert ist, und dann die Fahrt zum See. Ich hab mich ins Bett gelegt und mir die Decke über den Kopf gezogen. Als er fertig war, hat er gesagt, alles wird gut. Er hat gesagt, ich muss nicht ins Gefängnis.« Sie lächelte traurig. »Er hat gesagt, er hat mich sehr lieb und er will, dass alles gut ausgeht für mich. Er hat gesagt, ich hab was Schlimmes getan, aber Menschen machen eben Fehler, und er will nicht, dass ich mir mein ganzes Leben kaputt mache, wissen Sie? Er ist wirklich ein guter Dad. Er hat gesagt, die Polizei würde denken, Mom sei einfach weggelaufen oder der Typ, der Autoräuber, hat sie umgebracht, aber sie würden nie rauskriegen, was wirklich passiert ist, weil sie Mom nicht finden würden, und ihr Auto auch nicht. Und wenn die Polizei nicht rauskriegt, was passiert ist, dann können sie auch niemanden verhaften.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er wird toben. Er hat das alles ja nur getan, um mich zu schützen, und jetzt … tja, habe ich alles verraten. Aber ich … ich kann’s einfach nicht. Ich hab so ein schlechtes Gewissen wegen dem, was ich getan habe. Ich hatte meine Mom wirklich lieb.«
    Wedmore berührte ihre Hand. »Ganz bestimmt.«
    »Kriegt mein Dad jetzt großen Ärger?«
    »Eigentlich schon. Aber mit dem richtigen Anwalt und einer verständnisvollen Jury … Viele von ihnen werden verstehen, wozu ein Vater imstande ist, um seine Tochter zu schützen. Vielleicht muss er ins Gefängnis, aber nicht sehr

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