Frag die Toten
gehen?«
»Bleiben wir doch noch einen Moment. Damit Ihre Antennen Gelegenheit haben, etwas zu empfangen. Informationen über den Täter.«
Keisha warf ihr einen Blick zu und wandte sich ab. »So funktioniert das nicht. Ich kann nicht einfach sagen, ah, es war ein Mann, knapp eins neunzig, untersetzt, mit starkem Bartwuchs und dunklem Mantel, und er fährt einen roten Mustang, Kennzeichen 459J87.«
»Ist das eine Vision, die Sie gerade hatten?«
»Nein! Ich versuche Ihnen etwas klarzumachen.«
»Verstehe«, sagte Wedmore. »Vielleicht wäre es aber trotzdem hilfreich, wenn Sie noch mal einen Blick ins Wohnzimmer werfen. Es gibt da ein paar Dinge, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte.«
»Zum Beispiel?«
»Reißen Sie sich zusammen und sehen Sie hin.«
Keisha tat, was von ihr verlangt wurde, wappnete sich und drehte sich um. »Was für Dinge?«
»Sehen Sie den rosa Morgenmantel da drüben?«
»Ja.«
»Und wenn Sie hierher sehen, dann sehen Sie den dazugehörigen Gürtel. Auch rosa.«
»Ah ja.«
»Warum steckt der Gürtel nicht in den Schlaufen des Mantels? Was meinen Sie?«
Keisha unterdrückte den Impuls, sich an die Kehle zu fassen. »Ich weiß es nicht. Wissen Sie’s?«
»Nein. Aber ich habe eine Vermutung. Ich frage mich, ob hier vielleicht ein Strangulationsversuch unternommen wurde.«
»Oh.«
»Ja. Ich habe versucht, mir das Ganze vorzustellen. Wissen Sie, ich glaube, niemand ist ins Haus gekommen in der Absicht, Mr. Garfield zu töten. Ich meine, wenn Sie herkämen, um ihn töten, dann würden Sie schon etwas anderes mitnehmen, nicht gerade eine Stricknadel, meinen Sie nicht?«
»Eine Stricknadel?«, fragte Keisha. »Er wurde mit einer Stricknadel umgebracht?«
Wedmore nickte. »Genau. Wenn Sie hierherkämen in der Absicht, ihn zu töten, dann hätten Sie eine Schusswaffe dabei, oder ein Messer, vielleicht sogar einen Baseballschläger. Glauben Sie nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Dass er mit einer Stricknadel getötet wurde, sagt mir, dass der Täter aus einem Impuls heraus gehandelt hat, dass die Nadel das Erste war, was er zur Hand hatte.«
»Kann sein, dass Sie recht haben, ich habe wirklich nicht die leiseste Ahnung. Muss ich immer noch hinsehen?«
Wedmore ignorierte die Frage. »Aber selbst dann, selbst wenn Sie, wie ich gesagt habe, aus einem Impuls heraus handeln, wäre es nicht viel wahrscheinlicher, dass sie auf ihn einschlagen? Oder etwas nehmen, was hier im Zimmer steht, etwas Schweres, und es ihm über den Schädel ziehen? Eine Lampe, zum Beispiel, oder einen Aschenbecher? Ich glaube allerdings, Mr. Garfield hat gar nicht geraucht.«
»Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Für mich ist das ein Akt der Verzweiflung. Ein letztes Aufbäumen, ein allerletzter Versuch. Eine Stricknadel. Sie war vielleicht das Einzige, was die Person, die das getan hat, zu fassen bekam. Für mich sieht das sogar wie ein Abwehrversuch aus.«
»Abwehr?«, fragte Keisha.
»Da wären wir wieder bei diesem Gürtel. Nehmen wir an, Mr. Garfield hat versucht, jemanden damit zu erdrosseln, und dieser Jemand packt die Nadel, um sich zu wehren.«
»Sie wissen, dass es ein Mann war?«, fragte Keisha.
»War nur so dahingesagt«, antwortete Wedmore. »Ich glaube, es hätte genauso gut eine Frau sein können.«
Keisha schluckte, sagte aber nichts.
»Hat es sich so abgespielt?«, fragte Wedmore.
»Ich weiß es nicht«, sagte Keisha. »Ich spüre nichts Derartiges.«
»Nein, nein«, sagte Wedmore. »Ich meine jetzt keine Vision. Hat es sich so abgespielt, als Sie hier waren?«
»Was?«
»Hat er versucht, Sie zu erdrosseln? Als Sie zu ihm kamen, um Ihre Dienste anzubieten? Dachte er, Sie wüssten, was passiert war?«
Keisha starrte Wedmore entgeistert an. »Was?«
»Ich wüsste gerne, ob es so gewesen ist«, sagte die Kriminalpolizistin unschuldig.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie reden. Ich war noch nie hier.«
»Sind Sie sich da ganz sicher?«
»Absolut.«
»Wir haben nämlich Ihre Karte gefunden. In Mr. Garfields Hemdtasche. Ihre Karte, Ms. Ceylon. Mit Ihrem Namen darauf, Ihrer Telefonnummer und Internetadresse. ›Seelenfinderin‹ stand drauf.«
»Wirklich? Er hatte meine Karte?«
»Wie erklären Sie sich das?«
»Eigentlich ganz einfach.«
Wedmore zog die Augenbrauen hoch. »Ich höre.«
»Ich habe Gail, Mrs. Beaudry, einmal ein paar von meinen Karten gegeben. Wahrscheinlich hat sie eine davon ihrem Bruder weitergereicht. Fragen Sie sie doch.«
»Das werde ich.«
»Und
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