Frag Nicht - Kuess Mich
verließ Lara den Raum.
Nachdenklich sah Alessandro aus dem Fenster. Als er den Auftrag angenommen hatte, nach Sydney zu gehen, hätte er wissen müssen, dass das Schicksal seine Finger im Spiel hatte.
Wie auch immer er es drehte und wendete: Er war an Lara Meadows gebunden.
Und an ihr Kind.
Wem die Kleine wohl ähnelte? Wahrscheinlich ihrer Mutter. Allerdings hatte er irgendwo gelesen, dass die dunklen Farben genetisch überlegen waren. Das würde sich sicher in ihrer Augenfarbe widerspiegeln.
Seine Neugier war doch menschlich, oder nicht? War es nicht normal, dass er das Gesicht der Kleinen sehen wollte?
Lara schlich zurück in ihr Büro und ließ sich erschöpft auf den Schreibtischstuhl sinken. Was sollte sie heute Abend anziehen? Eigentlich spielte es keine Rolle, schließlich wollte sie den Mann ja nicht betören. Wozu? Er würde ohnehin bald wieder nach Europa zurückkehren.
Bestünde allerdings die Möglichkeit eines längeren Aufenthalts in Sydney, dann sähe die Sache ganz anders aus. Alessandro schien noch immer verrückt nach ihr zu sein, und er selbst war unglaublich attraktiv. Sie brauchte nur an ihn zu denken, und schon wurde ihr heiß. Außerdem … Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht.
Er war der Vater ihrer Tochter.
Gestern wollte er nichts über Vivi hören, aber heute Morgen …
Heute Morgen hatte er alles interessiert aufgesogen, was sie ihm über Vivi erzählt hatte.
9. KAPITEL
Der Tag schien sich endlos hinzuziehen. Als schließlich doch endlich Feierabend wurde, verließ Lara als Erste das Verlagsgebäude. Sie musste sich beeilen, um den früheren Zug zu erreichen. Nur dann hatte sie genug Zeit, Vivi bei Greta unterzubringen, sich selbst in ein glamouröses Wesen zu verwandeln und in die Stadt zurückzufahren.
Lara hoffte, dass das kleine Schwarze gut genug war. Sie hatte es zur Weihnachtsfeier des Verlags gekauft, und es stand ihr ausgezeichnet. Doch mit Alessandros Exfrau konnte sie wohl nicht mithalten. Alleinerziehende Mütter konnten sich eben keine italienischen Designerkleider leisten.
Vor sechs Jahren hatte Lara sich keine Gedanken darum gemacht, was sie anziehen sollte, wenn sie sich mit Alessandro traf. Ihm hatten alle ihre Sachen gefallen. Besonders die, die er ihr auszog …
Letzte Nacht hatte er sich auch sehr geschickt dabei angestellt, ihr die Kleider auszuziehen. Ein wohliger Schauer rann Lara über den Rücken, als sie daran dachte, wie leidenschaftlich er sie geküsst hatte.
Vielleicht war es bei Alessandro nur der Wunsch gewesen, die alte Leidenschaft für kurze Zeit wiederzubeleben. Doch bei Lara ging das Gefühl tiefer, sie wollte mehr als die Wiederholung einer kurzen Affäre. Gleichzeitig konnte sie aber auch nicht vergessen, dass er ihr das Herz gebrochen hatte.
Doch all das musste sie aus ihren Gedanken verbannen, denn heute Abend ging es um Vivis Zukunft.
Als Lara sich später im Spiegel betrachtete, sah sie eine attraktive, sehr weibliche Frau in schwarzer Seidenwäsche und halterlosen Strümpfen. Erwartungsvolle Erregung erfasste sie. Dies war ihre letzte Chance, doch noch ihre große Liebe zu erobern.
Mit großen Augen beobachtete Vivi, wie ihre Mutter vor dem Spiegel auf und ab ging. Lara schlüpfte in das Kleid. Es betonte ihre Figur und war fast knielang. Die Ärmel endeten an den Ellbogen, und das eng anliegende Mieder gab einen großzügigen Blick auf ihren Ausschnitt frei. Seit Vivis Geburt waren Laras Brüste deutlich voller geworden.
Normalerweise trug Lara keine Ohrringe, um die Aufmerksamkeit nicht auf die Narbe zu lenken, die hinter einem Ohr den Nacken entlang fast bis zur Schulter verlief. Doch dieses Kleid verlangte geradezu nach Ohrschmuck.
Nervös befestigte sie die Perlenohrstecker. Das Haar trug sie offen. Sie schlüpfte in hohe Schuhe und trug anschließend roten Lippenstift auf. Zufrieden warf Lara einen letzten Blick in den Spiegel, dann verabschiedete sie sich in der Küche von Vivi. Greta bereitete gerade das Abendessen zu. Lara versuchte sich völlig normal zu geben, als ginge sie jeden Abend aus und würde nicht fast platzen vor Aufregung.
„Mach dir keine Sorgen, Mum, ich komme rechtzeitig zurück. Dann hast du noch genug Zeit, um elf Uhr zu deiner Schicht zu fahren.“
„Denkst du, er ändert seine Meinung?“, fragte Greta wie nebenbei.
Lara hielt den Atem an. „Ich weiß es nicht. Gestern Abend hätte ich Nein gesagt. Aber heute … Ich weiß es einfach nicht.“ Sie begegnete Gretas wissendem Blick.
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