Fragmente: Partials 2 (German Edition)
bekamen die Rechner offenbar nicht genügend Strom, um sich selbstständig hochzufahren. Afa schickte Kira und Samm zu allen anderen Computern in diesem Stromkreis, um dort die Stromversorgung zu kappen. Kira brauchte eine Weile, bis sie herausgefunden hatte, welches der vielen Kabel die Stromleitung war. Sobald sie das erste Kabel gefunden hatte, war es einfach. Sie hatte etwa zwanzig Geräte ausgeschaltet, ohne auch nur ein Wort mit Samm zu sprechen, als Afa einen triumphierenden Ruf ausstieß.
»Er läuft!«
Samm richtete sich auf und kehrte zu den anderen zurück, Kira arbeitete weiter. Wenn es half, die Hälfte abzuklemmen, half es noch mehr, auch die anderen zu trennen. Außerdem war sie immer noch auf Samm und Heron wütend und wollte nicht in ihrer Nähe sein. Wie konnten sie nur so engstirnig sein? Der Rassismus war nach dem Zusammenbruch praktisch verschwunden. Menschen mit allen nur denkbaren Körperformen und Hautfarben arbeiteten bereitwillig zusammen, weil es sonst niemanden mehr gab, mit dem man arbeiten konnte. Kira erinnerte sich an einen Schlupfwinkel in einem entlegenen Fischerdorf. Auf einem Bergungseinsatz hatte sie einen Mann getroffen, der sie wegen ihrer indianischen Vorfahren als Rothaut bezeichnet hatte. Er war jedoch ein verbitterter einsamer Kerl gewesen, und sie hatte so lange ohne jedes ethnische Vorurteil gelebt, dass die Beleidigung fast wie ein Scherz von ihr abprallte. Es war ein Witz, über den sie mit ihren Freunden lachen konnte. War dieser Kerl wirklich echt? Auf Long Island arbeiteten alle zusammen, alle kamen miteinander aus, und es spielte keine Rolle, wer man war, solange man ein Mensch war.
Ein Mensch und kein Partial.
Sie hielt inne, das abgezogene Stromkabel noch in der Hand, und betrachtete die Situation von der anderen Seite. Genau wie Samm und Heron sich als selbstverständlich überlegen betrachteten, waren die Partials für alle Menschen grundsätzlich böse – anders und von geringerem Wert, sodass man sie nicht einmal als Personen ansah. Bis vor ein paar Monaten hätte sie noch das Gleiche gedacht, aber das hatte sich geändert, als sie Samm begegnet war.
Samm.
Er hatte sie mit seinen Worten und Taten davon überzeugt, dass Partials intelligent und empathisch, wütend und zersplittert waren, ganz genau wie … wie die Menschen. Biologisch unterschieden sie sich, aber ihre Gedanken und Gefühle waren fast identisch. Sie selbst war der beste Beweis dafür, denn sie fühlte sich schon lange als Mensch, und daran hatte sich auch in der letzten Zeit nichts geändert. Was, zum Teufel, war sie? Plötzlich drückte sie jeder Kilometer, den sie von East Meadow bis hierher zurückgelegt hatte, jeder Fluss, der sie von ihren Freunden trennte, und jeder Berg, der sich zwischen ihnen erhob, wie eine schwere Last. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie überlegte, was sie eigentlich tat, warum sie dort war, was sie verändern wollte. Ihre Freunde, ihre Schwestern, Marcus, alles war so fröhlich und einfach gewesen. Sie hatten kein ideales Leben geführt, aber sie hatten gelebt und waren glücklich gewesen. Vor Einsamkeit schluchzend setzte sie sich auf den Boden.
Der Generator hörte zu summen auf, unvermittelt wurde es dunkel in dem Raum.
Stiefel polterten über den Boden, Afa schrie erschrocken auf. »Ich habe den Zugang verloren!« Sie blickte auf, bemerkte in den Lücken zwischen den hohen Computern den sanften Schein seines Bildschirms und wollte fragen, was geschehen sei.
Bevor sie auch nur ein Wort herausbekam, fielen Schüsse, Glas zersplitterte, und das Licht erlosch. Kira warf sich flach auf den Boden und kroch hinter einen Computer.
Die Computerräume des Rechenzentrums waren vollständig abgeschirmt. Es gab keine Fenster, und daher war es ohne künstliches Licht mehr oder weniger stockfinster. Unverständliche Bröckchen von Linkdaten prasselten auf Kira ein. Wenn sie unter großem Stress stand, fiel ihr die Wahrnehmung leichter: der Schock, unversehens überfallen zu werden, die Unsicherheit, woher die Angreifer kamen, der Schreck, weil ein Kamerad verwundet war. Kira versuchte es sich zusammenzureimen. Irgendjemand, der über enorme Fähigkeiten verfügte, hatte sie angegriffen. Aber wer? Sie hatten keinerlei Hinweise entdeckt, dass überhaupt noch jemand in Chicago lebte. Versteckte sich wider Erwarten eine ganze Horde in der Stadt? Oder hatte man sie verfolgt? Waren es Menschen oder Partials?
Wenn es darum ging, die Linkdaten zu verarbeiten, war
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